Der Platz für Tiere

Der Platz für Tiere

Denn wir haben sie zum Fressen gern. Henrike Schirmacher schreibt über possierliche Tierchen und die Welt ringsherum.

06. Mai. 2019
von Henrike Schirmacher
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Vom Sinn und Unsinn der Vermenschlichung von Tieren

Im westafrikanischen Senegal regiert David. Er kann niemandem in seinem Territorium vertrauen. Jeder will seine Krone. David ist allein. Dies ist eine Geschichte über Macht, Politik und den Überlebenskampf in einer Schimpansen-Dynastie um das männliche Alphatier namens David.

Bild- und wortgewaltig beginnt der erste Abschnitt der fünfteiligen BBC-Dokumentation „Wilde Dynastien – Die Clans der Tiere“, die es nun auch auf Deutsch, erzählt von Schauspieler Sebastian Koch, gibt. Gleich zum Auftakt von „Revolte der Schimpansen“ streift David aufrecht wie ein Mensch auf zwei Beinen durchs Unterholz. Dramatische Musik wird eingespielt, während der Erzähler Davids kreischende Erzrivalen, Jumkin und Luthor, vorstellt. Jumkin schindet ordentlich Eindruck, wenn er stolz und aufrecht mit einem Stock in der Hand eingeblendet wird. Kurz darauf erfasst die Kamera die Zehen des Alphamännchens David, die zu zucken beginnen. Der Erzähler spricht von einem nervösen Tick des erregten David, den dieser nicht zu kontrollieren weiß. Am Ende des dramatisch inszenierten Stücks bittet ein Affe den anderen um Vergebung, deutet der Erzähler die Szene als unterwürfige Geste.

Ich bin wie gefesselt, nicht zuletzt, weil diese Dokumentation etwas Besonderes auszeichnet. Ihr Erfolgsgeheimnis ist der Kunstgriff einer dichten, vor allem aber anthropomorphisierenden Erzählweise, die unter die Haut geht. Es entsteht eine überwältigende Nähe zu den Tieren. So ist es durchaus Kalkül, wenn BBC America in der Vermarktung über Social Media „Wilde Dynastien – Die Clans der Tiere“ in die Nähe der Erfolgsserie „Game of Thrones“ rückt und entsprechend „Like #GameofThrones in the wild“ twittert. Während beim HBO-Bestseller Zweibeiner um Macht und Vorherrschaft in verschiedenen Königreichen kämpfen, verteidigen in der BBC-Tier-Doku Schimpanse David, Tigerin Raj Bera, Wüstenhündin Tait oder Löwin Charm ihre Blutslinie mit aller Kraft gegen Eindringlinge und Widersacher.

In diesem gelungenen Erzählstück haucht ein großartiger Geschichtenerzähler den Tieren eine Seele ein. Tief berührt und fasziniert, frage ich mich dennoch, ob die Interpretation des Erzählers immer die Richtige ist. Schließlich gilt Anthropomorphismus bei Tieren – also das Zusprechen menschlicher Eigenschaften, unter Verhaltensbiologen als Todsünde. Mit solcher Kritik musste allerdings auch schon die berühmte Primatenforscherin Jane Goodall, die den von ihr beobachteten Schimpansen bereits vor Jahren Namen anstatt Nummern gab, umgehen. Einmal erzählte Goodall nämlich von dem Schimpansenmännchen Flint, das nach dem Tod seiner Mutter Flo psychisch und körperlich geschwächt war und dann ebenfalls das Zeitliche segnete. „Flint starb vor Gram“, meinte Goodall. Über die prompt folgenden Angriffe ihrer Wissenschaftskollegen zeigte sich die Forscherin wenig verwundert. „Ich beging die schlimmste Sünde der Verhaltensbiologie – Anthropomorphismus“, bekannte sie.

Zwar kann unsere Neigung, menschliche Eigenschaften auf andere Lebewesen zu projizieren, den Blick für die wahre Natur von Tieren sowie ihre Gefühls- und Erlebenswelt verstellen. Es versündigt sich aus meiner Sicht aber nur der, der den Tieren, auf die er Bezug nimmt, wirklich schadet. Das ist in den seltensten Fällen so. Weitaus interessanter aus meiner Sicht ist es, zu ergründen, warum sich Menschen in ihrer Neigung, Tiere zu vermenschlichen, so sehr unterscheiden. Der kürzlich verstorbene Modezar und Tiernarr Karl Lagerfeld anthropomorphisierte exzessiv, wenn er von seiner Katze sprach: „Sie ist wie ein menschliches Wesen. Aber das Gute ist, dass sie schweigt, es gibt nichts zu diskutieren.“ Ganz anders der Landwirt, der es professionell mit seinen Nutztieren zu tun hat. „Ich will Tiere auf keinen Fall vermenschlichen: Eine Sau ist tragend und nicht schwanger“, sagte mir einmal ein junger Hofbesitzer.

Während Modezar Karl möglicherweise mehr Tier- als Menschenfreund war, muss der Landwirt abgebrühter ans Werk gehen. Schließlich schickt er seine Tiere irgendwann zum Schlachter.

Einen wirklich sonderbaren Umgang mit ihren Tieren pflegen die selbsternannten „Dog Shamer, die sich im Internet verewigen. Auf der englischsprachigen Webseite „dog shaming“ überbieten sich registrierte Nutzer gegenseitig mit möglichst unsinnigen Aussagen, die sie ihren Hunden „ins Maul“ legen. Dafür posieren die Vierbeiner für ein Foto mit einer um den Hals baumelnden, entsprechend beschrifteten Pappe. Die Alberei mag harmlos sein, zweifelsohne ließe sich darauf verzichten.

Bloß gestellt: Muss das sein?

Das unterschiedliche Verhalten im Umgang mit anthropomorphisierender Rhetorik hat, so Wissenschaftler der York University in Kanada, aber auch mit Erfahrungen in der eigenen Kindheit zu tun. Besonders jene Erwachsene sind geneigt, Nichtmenschliches zu vermenschlichen, die aus sozial besser gestelltem, reichem Elternhaus kommen, aber keine vertrauensvolle, sichere Bindung zu Bezugspersonen besitzen. Dadurch entwickeln diese zwar ein Bedürfnis nach Geselligkeit, aber dies schließt menschliche Wesen aus. Sich in die Tierwelt „flüchtend“, neigen sie obendrein dazu, ihre Gefühle auf die Tiere in ihrer nächsten Umgebung zu projizieren, um ihr Umfeld besser verstehen und beeinflussen zu können. Es lässt sich – simpel formuliert – von einem Bedürfnis nach Kontrolle sprechen, das den Ausschlag für anthropomorphisierendes Verhalten gibt. Das alles klingt sehr plausibel. Aber welcher Mensch ist nicht geneigt, ein zustimmendes Nicken zu erkennen, wenn ein Schimpanse den Kopf von oben nach unten bewegt?

Es spielt mithin keine Rolle, welchen Antrieb Jane Godall für ihre anthropomorphisierende Sprache hatte. Mit ihrer unbändigen Tierliebe jedenfalls hat die Verhaltensforscherin mein Bild von Schimpansen schon während meiner Kindheit auf wunderbare Weise geprägt. Ihre liebevollen Beschreibungen von David Greybeard, Goliath, Flo und Flint lösten grenzenlose Sympathie und eine Art Beschützerinstinkt gegenüber den Tieren in mir aus. Wer konnte sich so den Tieren nicht verbunden fühlen? Wie konnten Wilderer nur so skrupellos sein? In meiner Gedankenwelt war Jane Goodall schon damals eine bewundernswerte Heldin und ihre Schützlinge waren durchweg liebenswert. Bis heute hat die Primatenforscherin mit ihrer sanftmütigen Art nichts von ihrem Status eingebüßt.

Dass die Forscherin ihre Lieblinge weder verniedlicht noch verharmlost hat, belegen ihre Beobachtungen: Neben so tugendhaftem Verhalten wie Mitleid und Trauer beschrieb sie auch deren Neigung zur Hinterlist. So lernte ich schon im Studium während eines Seminars über den „Werkzeuggebrauch von Tieren“, dass Schimpansen Speere spitzen, um dann auf geradezu menschlich hinterlistige Art und Weise ihre Opfer – das sind Galagos, kleine Affen, die auch Buschbabys genannt werden – wehrlos im Schlaf aufzuspießen. Jane Godall hat durch die Wahl der Sprache etwas bewirkt. Aber gleichzeitig hat sie den Tieren ihre Natur gelassen und ihr Verhalten für die Nachwelt beschrieben. Die Macher der BBC-Dokumentation haben es mit dem Stilmittel der Vermenschlichung verstanden, diese kindlichen Erinnerungen an Godall in mir wach zu rufen. Das Film-Team der BBC hat aber auch sonst gründliche Arbeit geleistet. So wurden für die Dreharbeiten Verhaltensbiologen begleitet, die die wildlebenden Tiere seit Jahren beobachten und daher gut kennen.

06. Mai. 2019
von Henrike Schirmacher
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26. Mrz. 2019
von Henrike Schirmacher
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Die dunkle Seite der Vierbeiner

© PrivatFrauchen/Herrchen oder Artgenosse – zu welcher Begegnung schlägt das Hundeherz höher?

Dem Haushund eilt der Ruf als „treuestem Wegbegleiter des Menschen“ voraus. Ist das in erster Linie Wunschdenken oder mögen Hunde Menschen tatsächlich lieber als ihre Artgenossen? Zwar hat sich der Hund im Laufe der Domestikation sehr an das Zusammenleben mit dem Menschen gewöhnt. Und es liegt in der Natur der Sache, dass Hunde sehr auf ihre Halter fokussiert sind. Doch wenn die Vierbeiner, etwa draußen im Stadtpark, auf Ihresgleichen zustürmen, um sich spielerisch zu raufen, können sich Hundehalter ihrer Sache nicht mehr ganz so sicher sein. Wen hat das geliebte Tier also lieber: Herrchen, Frauchen oder den Freund auf vier Pfoten, den er regelmäßig zum Toben trifft?

Die Antwort darauf haben Wissenschaftler der US-amerikanischen „Emory University“ in Atlanta mit Hilfe von bildgebenden Verfahren, wie der funktionellen Magnetresonanztomographie, geliefert ­ wenn auch in kleiner Stichprobe von nur 12 Tieren. Für das Experiment wurde die Gehirnaktivität im Nucleus caudatus gemessen, während die Hunde vertrauten Geruch, entweder von einem Menschen oder von einem vierbeinigen Gesellen, schnüffelten. Dem Nucleus caudatus entspringt ­ populärwissenschaftlich ausgedrückt ­ so etwas wie Vorfreude. Folglich ließe sich hohe Aktivität grob mit „wie schön, Dich zu sehen“ übersetzen. Das Ergebnis fällt sehr zur Freude für Herrchen und Frauchen aus: Zum einen stechen diese die Vierbeiner aus, zum anderen bringt nicht jeder x-beliebige Mensch den Nucleus caudatus des Hundes in Wallungen. Das muss wahre Liebe sein!

Ob dieses innige Band zwischen Hund und Halter nun eine gute Sache ist, wage ich dennoch zu bezweifeln. Das hat mir neulich ein Ausflug nach Hamburg bestätigt. Am Elbstrand mit einer Freundin entlang spazierend, fühlten wir uns plötzlich ganz unfreiwillig gegen unseren Willen förmlich umzingelt von Vierbeinern und so mancher Hinterlassenschaft. Noch dazu erzählte mir die Freundin, dass sich Hamburg die Frage stellt, ob es ausreichend Grünanlagen und Parklandschaften für Hunde gibt. Dabei laufen die Tiere gefühlt ohnehin überall herum, noch dazu leinenlos. Hamburg und Berlin gelten im Volksmund fast schon als Hunde-Hochburgen, auf der Nordseeinsel Sylt gibt es extra ausgewiesene Strandabschnitte für Hunde. Selbst im Frankfurter Günthersburgpark, der mit einem Hundeverbots-Schild ein wahres Außenseiter-Dasein fristet, beobachte ich, wie sich Herrchen oder Frauchen mit ihren Vierbeinern im Dunklen in den Park stehlen. Gesagt habe ich in solchen Momenten noch nichts, weil es eben heikel ist, solcher Liebe dazwischenzufunken.

© PrivatHarmlos oder nicht?

Allerdings gebe ich zu, dass mich solche Erfahrungen schon motivieren, Hunde – selbstverständlich auf wissenschaftlicher Basis – auch kritisch zu sehen. Dieselben Wissenschaftler der „Emory University“ haben nämlich auch die dunklen Seiten der von uns so geliebten Vierbeiner mit funktioneller Magnetresonanztomographie untersucht. Konkret ging es diesmal um die Gehirnaktivität in der Amygdala. Dieser Region entspringen Aggressionen. Im Experiment mussten Versuchshunde, denen ein aggressives Temperament gegenüber anderen Artgenossen zugeschrieben wurde, zusehen, wie ihr Herrchen/Frauchen eine Hundeattrappe fütterte. Das führte bei diesen Tieren zu einer starken Reaktion in der Amygdala. Es gibt also auch Neider unter den Hunden. So treudoof, wie es viele Halter glauben wollen, sind die Tiere also gar nicht. Trotzdem lassen sich viele Hundehalter dazu verführen, ihr eigenes Tier für völlig harmlos zu halten. Hinzukommt, dass ahnungslose Spaziergänger selten abschätzen können, mit welcher Art von Hundetemperament sie es zu tun haben. Deshalb trägt der Vater eines ehemaligen Mitbewohners mittlerweile auch Pfefferspray bei sich, wenn er joggt. In der Vergangenheit hatte er an einer Wegbiegung im Wald eine ungewollte Begegnung. Unverhofft kam er ums Eck, als plötzlich eine Dogge an ihm hochsprang. Wie selbstverständlich setzte das Tier seine Vorderpfoten auf ihm ab. Wohlbemerkt, um liebevoll und schwanzwedelnd Kontakt zu ihm aufzunehmen. Doch die treuherzige Geste reicht eben nicht aus, wenn der gesunde Menschenverstand signalisiert, das hätte auch ganz anders ausgehen können.

Hundeerziehung, das lese ich nach den spektakulären Beißattacken im vergangenen Jahr in vielen Dokumentationen, fängt mit scheinbaren Banalitäten an. Wer es als Halter oder Halterin zulässt, den eigenen Hund quasi zuerst aus der Tür gehen zu lassen, büßt seine ranghöhere Stellung gegenüber dem Tier ein. Vor allem „dominante Tiere brauchen auch eine dominante Hand“, schildern Experten das kleine Einmaleins in der Hundeerziehung. Aber wie war das noch gleich in der Liebe? Ach ja, Gegensätze ziehen sich an.

26. Mrz. 2019
von Henrike Schirmacher
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18. Dez. 2018
von Henrike Schirmacher
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Galapagos darf nicht untergehen

© Fotos: H. SchirmacherJeder kennt sie: Galapagos-Riesenschildkröten.

Als Kind, schon damals waren in der von mir so geliebten Tierwelt Schildkröten mein Ein und Alles, blätterte ich bei jeder Gelegenheit durch mein Bestimmungsbuch für diese besondere Spezies. Auf der letzten Seite entdeckte ich ein Foto vom weltbekannten „Lonesome George“. Die Bildunterschrift erklärte, wie einsam George als letzte Galapagos-Riesenschildkröte der Pinta-Unterart war. Mich machte das unfassbar traurig und ich verstand einfach nicht, wie es Menschen geben konnte, die dem letzten lebenden Pinta-Weibchen den Garaus gemacht hatten.

Mehr als 25 Jahre später ist Lonesome George immer noch eine Symbolfigur für Artenschutz. Mittlerweile verstorben, hoffen Wissenschaftler, seine Art durch aufwendige Experimente zurückzuzüchten. Das Traurige ist, durch den Klimawandel droht im Grunde jeder endemischen Art des Galapagos-Archipels ein ähnliches Schicksal wie Lonesome George.

Gut getarnt sonnen sich die Meerechsen auf Lavafelsen. Manch eine zieht eine weite Strecke über den Strand…

…um kurz darauf als Fotomodell abgelichtet zu werden.

Nach zahlreichen Begegnungen üben die dinosaurierähnlichen Tiere immer noch große Faszination aus.

Auch ich fotografiere die „kleinen Drachen“ allzu gerne.

Das war allerdings nicht mein Hauptmotiv, in diesem Winter eine Reise dorthin zu machen. Meine Vorstellung von den Galapagos-Inseln hatte sich seit Kindertagen nicht gewandelt. Ich stellte mir eine völlig unberührte, einzigartige Tierwelt vor. Ein Paradies auf Erden, wie es mir in zahlreichen Dokumentationen vermittelt wurde. Unter Wasser wimmelt es von bunten Doktor-, Papagei- und Trompetenfischen. Gigantische Manta-Rochen gleiten Seite an Seite durch das Meer, Flotten von Hammerhaien patrouillieren durch Jagdgründe voller Leben. An Land ein gemächliches Miteinander von Leguanen, sich sonnenden Meerechsen, Riesenschildkröten und emsigen Darwin-Finken. Vogelkolonien aus rot- und blaufüßigen Tölpeln, die auf aus dem Meer ragenden Klippen nisten oder durch die Lüfte segeln, um hin und wieder senkrecht und spitz wie ein Pfeil mit eng anliegenden Flügeln ins Meer zu schießen.

Rückblickend mag meine Vorstellung unberührter Natur naiv gewesen sein. Ähnliche Sehnsüchte wie ich hegen viele andere Menschen. Sie wollen unberührte Natur erleben und gefährden sie dadurch. Als profane Touristin stelle ich fest, der Galapagos-Archipel ist heute weder verwunschen, noch menschenleer. Im Gegenteil. Die Inseln sind, zumindest dort, wo kein Naturschutzgebiet ausgewiesen ist, zu Land wie zu Wasser gut erschlossen und an Umschlagplätzen wie dem Hafenbecken auf der Insel Santa Cruz tummeln sich zuhauf bunt gemischte Reisegruppen, jugendliche Backpacker, allein reisende Rentner und Abenteurer.

Die Sitzbänke sind nicht nur für Menschen reserviert.

Das Besondere an Galapagos ist allerdings, dass sich selbst an den überlaufenen Plätzen eine faszinierende und artenreiche Tierwelt offenbart. Als ob der Massentourismus den Tieren gar nichts anhaben könnte. Im flachen trüben Wasser, die Sicht im Meer um die Galapagos-Inseln ist selten klar, ziehen zahlreiche junge „Black tips“, also Kleine Schwarzspitzenhaie, die hier Zuflucht vor den größeren ihrer Art suchen, umher. Wasserschildkröten schnappen nach Luft, ein Paar Stachelrochen gleitet dahin. Zutrauliche Seelöwen nehmen die Sitzbänke am Pier in Beschlag. Bis auf eine Armeslänge Abstand traue ich mich heran, um ein Foto zu schießen. Näher darf es nicht sein, gibt ein Angestellter des Darwin Research Center, der zufällig vor Ort ist, zu verstehen. „Besonders die Seelöwin mit ihrem Jungen wird sich das nicht gefallen lassen“, sagt er.

Trotz der vielen Menschen, Tauchschulen an jeder Ecke, luxuriösen Yachten und zahlreichen Hotelunterkünften steht der Mensch auf Galapagos nicht immer an erster Stelle. Weite Gebiete zu Land und zu Wasser stehen unter Naturschutz und sind völlig unbewohnt. Von einer heilen Welt kann trotzdem nicht die Rede sein. Die Luft wird von alten Dieselmotoren verpestet. Das Einatmen fällt mir auf befahrenen Straßen bei offenem Auto schwer. Dagegen empfinde ich die Luftverschmutzung in Rhein-Main oder der von Pendlerströmen heimgesuchten Frankfurter Innenstadt als geradezu harmlos.

Ungewohnt zutraulich: Die Seelöwen scheint fast Nichts zu stören.

Wie streunende Hunde teilen sie sich die Stadt mit den Menschen.

So wird schnell klar, warum in Bezug auf die eindrucksvolle BCC-Dokumentation „Planet Earth II“ des britischen Tierfilmers David Attenborough, der in seiner Heimat unter jungen Leuten Starkult genießt, Kritik laut wird. Sie zeigt eine heile Welt, wo eigentlich keine mehr ist. Attenborough wird vorgehalten, er lasse unter den Tisch fallen, wie bedroht die Orte, die er in seinen Naturdokumentationen zeigt, tatsächlich sind. Auch mir hätte das die Vorfreude auf Galapagos trüben können. Doch ich frage mich, woher dann die Faszination für diese Welt kommen soll, wenn nicht durch solche Darstellungen. Ist es nicht besonders für Kinder eine wichtige Erfahrung, auf diese Weise eine Welt kennenzulernen, in der nicht alles stets und ständig um den Menschen kreist? Ich glaube, solch ein Verständnis von intakter Tierwelt ist sehr wertvoll. Scheinbar treibt es viele Besucher der Insel an. Ein Einheimischer berichtet mir, dass viele ältere Touristen, die sich nach Jahrzehnten den Traum ihrer Kindheit erfüllen, zu den Besuchern auf Galapagos zählen.

Sicher, die Verwaltung von Galapagos könnte noch mehr für den Schutz der Insel tun, indem beispielsweise lediglich Elektroautos zugelassen werden. Ein ungebremster Klimawandel könnte dem Archipel schwer schaden. Zum einen werden viele der Inseln dem steigenden Meeresspiegel zum Opfer fallen. Zum anderen verändert sich dadurch der berühmte El Nino, ein Wetterphänomen im Pazifik. Ein weiteres Abschwächen der Meeresströmung hätte katastrophale Folgen auf die Artenvielfalt. Das Schicksal dieses Paradieses ist also stark gefährdet. Es liegt in unserer Hand, die Galapagosinseln für kommende Generationen zu erhalten.

Für die Nachwelt: Einbalsamiert reckt Lonesome George seinen Hals, als ob er noch leben würde.

Und so wird mir eine weitere Begegnung mit Lonesome George in Erinnerung bleiben: In klassischer Manier ist sein langer Hals nach oben gereckt. Der aufgebogene Vorderrand des Panzers, bekannt als „Sattelrücken“, betont seinen faltigen, schuppenlosen Hals- und Nackenbereich. Er wirkt dadurch, seit ich ihn kenne, uralt und liebenswert deformiert. Ich stehe diesmal vor dem einbalsamierten Tier, das auf der Insel Santa Cruz als Ausstellungsstück für Touristen aufbewahrt wird. „Der letzte seiner Art“ soll nie in Vergessenheit geraten. Aktueller als heute könnte seine Geschichte wohl nicht sein.

18. Dez. 2018
von Henrike Schirmacher
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14. Okt. 2018
von Henrike Schirmacher
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Das dressierte Pferd – Wie weit darf der Sport gehen?

Wie eine Primaballerina tänzelt Bella Rose über die Reitbahn. Mit eingeflochtener Mähne, poliertem Fell und beschwingtem Gang vollführt die westfälische Fuchsstute pflichtbewusst ihre Kür. Hoch zu Ross sitzt vornehm zurückhaltend und kerzengerade die zurzeit beste Dressurreiterin der Welt: Isabell Werth. Konzentriert verfolge ich am Bildschirm  die Kunststückchen, die Bella Rose bei den diesjährigen Weltreiterspielen in den USA zeigt. Die dressierte Stute „tanzt“, lerne ich als Laie aus den fachkundigen Anmerkungen der Reporterin –  Piaffen, Trab-Traversalen und Galopp-Pirouetten.

Erst eine irritierende Nahaufnahme des Kopfes von Bella Rose mit tief herunterhängenden Sabberfäden holt mich zurück in die Wirklichkeit. Unterdessen berichtet die Kommentatorin unbeirrt weiter über die Eleganz des Pferdes, spart aber auch nicht mit leiser Kritik. Bella Rose sei noch zu „übereifrig“, ihr fehle „Prüfungsroutine“. Das zunächst ernüchternde Zwischenzeugnis der Reporterin: Die Stute agiere „angestrengt, zumindest phasenweise“. Das finale Gesamturteil fällt aber dann erwartungsgemäß brillant aus. Bella Rose trabe „mit einer Elastizität, einer Selbstverständlichkeit und starkem Ausdruck“. Warum die Sprecherin sich unentwegt über das Pferd auslässt, leuchtet mir in diesem Moment ein: Während sich das Tier im schweißtreibenden schnellen Wechsel von Schritt-, Trab- und Galopp-Passagen, mal seitwärts und vorwärts und im Kreis bewegt, macht die Reiterin im Sattel geradezu stoisch permanent dieselbe Figur.

© Fotos: H. SchirmacherLandauf, landab finden Reitturniere statt. Die Jury beäugt Ross und Reiter.

Weitaus rebellischer als in der Dressur oder beim Springreiten geht es an ganz anderer, nicht so prominenter Stelle im Kosmos des Reitens zu, ohne Gerte und schwarze Reiterstiefel. Wer freilich kein ausgewiesener Pferdenarr ist, bekommt vom so genannten Westernreiten kaum etwas mit. Der Reitstil der Cowboys ist weder olympische Disziplin, noch genießt er sonderlich hohes Ansehen unter Kollegen der klassischen Kür. Auch ich bringe lediglich den Vorspann zur US-amerikanischen Westernserie „Bonanza“ damit in Verbindung. Die Wiederholungen des in den 1960ern gedrehten Vorabendprogramms liefen, als ich klein war, bei meinen Großeltern über die Mattscheibe. Markant ins Gedächtnis eingebrannt hat sich mir allerdings mehr die Titelmusik als die im Western-Style wild und freizügig gerittenen Pferde. Nun denn, eine genauere Recherche zeigt: Landauf, landab treten Cowboys und -girls regelmäßig gegeneinander an, beispielsweise zur hessischen Landesmeisterschaft auf der Freestyle Ranch in Erbach. Dort hängen meist Westerngirls, je nach Talent mehr oder weniger lässig, im Sattel und halten nur eine Hand locker am Zügel. Mit der anderen ließe sich rein theoretisch noch ein Lasso schwingen.

Die Wettkämpfer in der Disziplin „Reining“ galoppieren im Zirkel.

Wer’s mag, glitzert.

Die Turnierteilnehmer unterliegen wie ihre Kollegen in den klassischen Reitsportarten einem Dress Code. Doch ist dieser  weniger streng und züchtig als in der von englischer Etikette geprägten Dressur.  Angesagt sind hier eher grobe Westernboots, Cowboyhüte, fransige Leder-Chinks – das sind bis knapp unters Knie reichende gesäßfreie Beinkleider, und – wie ich finde – geschmacklose, paillettenbesetzte Gürtel mit glitzernder Schnalle. Ich verfolge die Choreographie von Pferd und Reiterin in der Disziplin „Reining“, einer Art Dressur der Westernreiter. Am meisten beeindruckt mich der „Sliding Stop“ in der Kür. Im Galopp bremst das Pferd abrupt mit den Hinterbeinen und kommt leicht aufgebäumt fast sitzend zum Stillstand. Das sieht brutal aus. Aber die Western-Pferde wirken kompakter, eher wie rechteckige Ackergäule. Die Reiter, zumindest würde ich als mit der Disziplin nicht so vertrauter Beobachter das so beschreiben, wippen rhythmisch im Takt. Ich stelle mir die hochbegabte, anbetungswürdige Bella Rose, die feingliedrig wie ein Topmodel in einer Art Schwebezustand durch das Viereck tanzt, vor. Sie würde sich beim Sliding Stop vermutlich die Haxen brechen. Was mit Isabell Werth passieren würde, weiß ich nicht. Vermutlich fühlt sich für die weltbeste Dressurreiterin jede Disziplin auf dem Rücken ihres Lieblingspferdes, das nach ihren Worten „nur das Beste aller ihrer bisherigen Pferde bündelt“, wie ein Heimspiel an.

 

 

„Sliding Stop“: Der Gaul kommt schlitternd zum Stehen.

Wieviel Mühe muss jemand, der solche Spitzenpferde im Kader hat, eigentlich noch in die Ausbildung der Tiere investieren? Spätestens seit Berichten zu vermeintlich tierschutzwidrigen Trainingsmethoden wie der Rollkur, die der berühmte Dressurhengst Totilas vor einigen Jahren angeblich über sich ergehen lassen musste, ist die Ausbildung der Pferde im Spitzensport ein Thema, das die Gemüter erhitzt. Folglich ist Isabell Werth nach ihrem Sieg bei den Weltreiterspielen auch ein gerne geladener Gast in Talkrunden, kürzlich bei Markus Lanz. In der illustren Runde scherzt der Moderator: „Die Pferde, die ich kenne, laufen anders.“ „Die Ausbildung eines Pferdes ist wie Kindererziehung. Das braucht Zeit.“, erwidert die Dressurreiterin harmlos. Etwas unverblümter formuliert, Zuckerbrot und Peitsche, denke ich. Mir wird sofort klar, was der Moderator im Schilde führt. Er will der Reiterin martialischere Formulierungen wie „Gerte“ und „Druck machen“ entlocken, die schon wenig später auch von Werth benutzt werden. Welches Pferd würde schon freiwillig seitwärts im Viereck traben oder galoppieren? Die Quittung bekommt Isabell Werth nach der Sendung via Twitter hinterhergerufen. „Ich kann diese Pferdesportler nicht ab“, entrüstet sich einer. Diese sollten doch „mal selber so tanzen und über Holzstangen hüpfen“. Ein anderer bekommt „das Kotzen“, wenn er Werth erzählen hört wie sie die Gerte einsetzt, um dem Pferd Beine zu machen.

Ich werde nicht so ganz schlau aus der Sache. Aber der Verdacht, dass in diesem so streng reglementierten und auf Formen achtenden Sport keinerlei aufmüpfiges Verhalten des Pferdes geduldet wird, liegt auf der Hand. Wie um ihre Seele reinzuwaschen, ordnet denn auch die weltbeste Dressurreiterin in ihren Antworten, ähnlich, wie es Besitzer von Haustieren gerne tun, ihren Pferden menschliche Wesenszüge zu, die ihre innige Beziehung zu den Tieren unterstreichen sollen. Sie erzählt vom „neidischen“ Pferd, das ihr mit wütenden Hufhieben gegen die Tür signalisiert, komm rüber zu mir und steh nicht so lange an der anderen Box. Sie berichtet von Verzweiflungstaten, die sie begehen würde, sofern diese die Lösung für Probleme mit einem Pferd lieferten. Sie würde am Ende gar nackig nachts um den Kirchturm laufen.

Jede Extremsportart hat ihre Tücken.  Ein kaum überwindbarer Konflikt, mit dem sich auch die Reitsport-Gemeinde wohl oder übel immer wieder wird auseinandersetzen müssen. Nur beim Westernreiten in Erbach scheint die Welt noch in Ordnung. Dort bleiben die Pferdenarren unter sich.

 

 

14. Okt. 2018
von Henrike Schirmacher
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14. Aug. 2018
von Henrike Schirmacher
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Hatz auf falschen Hasen

Der Begriff Hetzjagd weckt in mir zunächst Erinnerungen an einen James Bond-Film. In „Moonraker“ wird Filmcharakter Corinne Dufour zur Gejagten des Bösewichts Sir Hugo Drax. Im Wald ereilt die junge, hübsche Frau ein grausames Schicksal, sie wird von zwei scharfen Dobermännern verfolgt und zerfleischt.

Ein bedeutend harmloseres Schauspiel bietet die Hatz menschenfreundlicher Windhunde auf „falsche Hasen“. Die vierbeinigen Hochleistungsathleten haben genau wie ihre zweibeinigen Sprinterkollegen derzeit Renn-Saison. Parallel zu den Leichtathletik-Wettbewerben dieses Sommers treten die Vierbeiner in mehreren Entscheidungsläufen gegeneinander an. Das große Finale findet Ende August in Münster statt. Während der vorletzten Wertungsrunde in der Windhund-Arena des Rennvereins Untertaunus-Hünstetten laufen mir auf dem Weg zur Arena, der von Hundekotbeutelspendern gesäumt ist, Dutzende Herrchen und Frauchen mittleren Alters mit ihren tierischen Renngefährten entgegen. Der Trend scheint gleich bei einer ganzen Handvoll Windhunde pro Halter zu liegen, das hat hier und da zur Folge, dass diese vor lauter Hundeleinen kurzzeitig die Orientierung verlieren.

© Fotos: H. SchirmacherDer Trend geht zur Großfamilie.

Erstklassige Sprinter: Greyhounds erreichen Höchstgeschwindigkeiten.

Nach der Kurve geben sie nochmal richtig Gas.

Eine Freundin warnte mich noch: „Was willst Du auf so einer Posh-Veranstaltung?!“. Tatsächlich verführt die Namensgebung einiger Tiere zu solch einer Behauptung. Es startet eine Hündin namens Victoria vom Monarchenhügel, oder der Rüde Thor vom Tiantaishan. Doch zwischen gegrillter Wurst und Bierzelt tummeln sich auch Tiere namens Sugar und Jaxx Toyboy. Auf den Bänken sitzt ein guter Querschnitt durch die Gesellschaft und fast alle beruflichen Kategorien sind vertreten. Das bestätigt mir auch die erste Vorsitzende des Rennvereins, Katharina Rediske, die ihre Mitglieder und Freunde kennt. Neben einem neugierigen männlichen Irrläufer, der sich von den Menschenmassen um ein „geheimnisvolles Event“ angezogen fühlte, bin ich, so fühlt es sich jedenfalls für den Moment an, die einzige völlig ahnungslose Zuschauerin. Doch Frau Rediske erzählt mir später, es habe reichlich Laufkundschaft gegeben.

Der Schein trügt: Trotz grauer Haarpracht kommt diese Rasse ordentlich in Fahrt.

Dem „falschen Hasen“ hinterher

Als laienhafter Beobachter an der Rennstrecke habe ich zunächst gar nicht begriffen, welches Wesen die Hundekaliber auf der ovalen Sandbahn so inständig verfolgen. Das Objekt, dem kleine, aber sehr agile Whippets ebenso hinterherhetzen wie überaus athletische und größere Greyhounds, ulkige Afghanen mit wehendem Fell oder auch eine Spezies, die wie in die Jahre gekommen aussieht  und einem Irischen Wolfshund oder Deerhound ähnelt,  ist ein quietschgelbes Flatterband, auch „künstlicher Hase“ genannt. Es wird in diesem Fall von einer umgebauten Zweitakt-Kettensäge gezogen. Geruch und Aussehen der „Beute“ sind nicht entscheidend, allein die Bewegung regt den Hetztrieb der vierbeinigen „Jäger“ an, weshalb die per Funk ferngesteuerte Schleppe immer in Sichtweite vor den Hunden dirigiert werden muss. Das rasselnde Geräusch dieses sonderbaren automatisierten Gefährts begleitet das Publikum unzählige Male im Laufe des Tages.

Frauchen Corinne Mounier mit ihren Whippets namens Fee und Juri.

Als Frauchen Corinne Mounier mit ihren beiden kurzhaarigen Windhunden der britischen Rasse Whippet ganz entspannt zur Startbox schreitet, folge ich ihr, um mir das Spektakel ganz aus der Nähe anzuschauen. Niemand hält mich auf. Frau Mounier lädt mich sogar ein, Fotos von ihren beiden jugendlichen Rennkötern namens Fee und Juri zu schießen. All das zeigt mir: Verbissener  Ehrgeiz spielt hier keine Rolle. Wer würde sich schon trauen, eine  Athletin wie 100-Meter-Ass Gina Lückenkemper vor einem Lauf von der Seite aus anzuquatschen? Ein weiterer gravierender Unterschied der Vierbeiner zu ihren menschlichen Pendants überrascht mich noch weniger: Während die einen kurz vor dem Start höchste Konzentration ausstrahlen, geht es in Hünstetten turbulent zu. Der zweijährige Juri ist erkennbar aufgeregt, er bäumt sich an der Leine auf, heult und jault. „Das ist die Vorfreude“, beruhigt sein Frauchen. Endlich wird Juri in seine Startbox gestupst, die Klappe geht zu. Für wenige Sekunden, bis der Startschuss fällt und sich die Vordertür der Box zur Rennbahn hin öffnet, tönt das aufgeregte Jaulen der Whippets synchron aus den verschlossenen Kästen.

Kaum zu bändigen: Juri flippt vor Freude aus. Den Rennmaulkorb tragen alle vierbeinigen Sprinter, damit sie sich beim Balgen um den falschen Hasen nicht gegenseitig verletzen.

Liebenswürdig: Links im Bild steht die Afghanin und aktive Sprinterin namens Washari von Apsaras. Die Rasse Afghanischer Windhund ist deutlich langsamer als der Greyhound.

Nach dem Rennen gibt es eine Verschnaufpause im schattigen Kofferraum.

Amateure mit Erfolgssucht

Doch mein erster Eindruck, hier ginge es ganz entspannt nur ums Vergnügen, ist nicht ganz richtig. Zwar spielt auf derartigen Amateurveranstaltungen anders als bei Hunderennen im Ausland Pekuniäres tatsächlich keine Rolle. Nach dem deutschen Tierschutzgesetz darf auf die vierbeinigen Sprinter kein Geld gesetzt werden. Doch in der Realität holt zumindest die bloße Erfolgssucht das eine oder andere Frauchen oder Herrchen ein. Das jedenfalls berichten mir erfahrene langjährige Mitglieder des Rennvereins.

Für eine Karriere als Sprinter à la Usain Bolt bleibt einem blutjungen Windhund nicht viel Zeit. Mit sechs Jahren gehört er schon zur Seniorenklasse, mit acht ist es dann endgültig vorbei mit offiziellen Spurts. Das zarte, schon von Natur aus sehr zerbrechliche Knochengerüst, muss im Alter erst Recht vor Verletzungen, die besonders bei Stürzen auf der Rennbahn passieren, geschützt werden. Die Rasse Greyhound, der schnellste Landjäger nach dem Gepard, rast immerhin mit bis zu 70 Stundenkilometern über die Bahn.

Nach der Turbo-Karriere aufs Abstellgleis

Die Turbo-Karriere ist vergleichbar mit Kinderstars in Hollywood oder spätpubertierenden Popsängerinnen wie Britney Spears. In ihrer jugendlichen Hochphase, wenn Schönheit, vielleicht sogar Talent und Trainingseifer glücklicherweise zusammenfallen und Aufsehen erregen, quetschen ehrgeizige Hundeeltern alles aus ihren Zöglingen heraus. Wird deren Körper zerbrechlicher und der Charakter gar bockig, gilt der Zenit offiziell als überschritten. Das jüngere Geschwisterchen oder eben ein frisch eingekaufter Welpe warten dienstgetreu auf ihren Einsatz. Die ältere Version landet auf dem Abstellgleis und bleibt daheim.

Es ist paradox: Obwohl der Windhund ursprünglich als eigenständiger „Jäger“ gezüchtet wurde – die Rasse Barsoi beispielsweise ist in der Lage, ohne menschliche Hilfe, Antilopen in der russischen Steppe einzuholen und zu reißen – führt der den Tieren angeborene und durch Eingriff des Menschen nochmals gesteigerte Hetztrieb im zivilisierten urbanen Raum für Frauchen und Herrchen zu einer selbstauferlegten Leinenpflicht.  Die Vorsitzende Katharina Rediske erklärt es so: „Wenn ein welkes Blatt vom Wind durch die Luft gewirbelt wird, kann das für einen blutjungen Windhund anregend genug sein, die Jagd aufzunehmen.“

Im Stadtbetrieb wäre das per se ein No-Go. Aber sogar in der freien Natur, etwa auf unebener Fläche von Feld, Wald und Wiese würde ein solcher Ausflug für die überzüchteten Tiere mit ihren brüchigen Knochen schnell böse ausgehen. So endet auch der Tag in Hünstetten mit einem verletzten Tier. Niemand trägt die Schuld, heißt es offiziell auf der Webseite des Rennvereins. Eine erhöhte Verletzungsgefahr steckt eben in jedem „Hochleistungssport“.

Unglück auf der Rennstrecke: Ein Windhund knickt ein und erleidet eine Sportverletzung.

 

14. Aug. 2018
von Henrike Schirmacher
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16. Mai. 2018
von Henrike Schirmacher
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Was ist wahre Tierliebe?

© Twitter/PetaSelfie von Schopfaffe Naruto: Ob Mensch oder Tier, selten kommt man gut weg.

Sicherlich wäre der kleine Schopfaffe Naruto ganz reumütig, würde er verstehen, welches Schicksal den englischen Tierfotografen David Slater nach ihrer beider Begegnung ereilte. Als Naruto mitten im sulawesischen Regenwald einfach mal so ein Selfie mit Slaters Kamera schoss, entbrannte sogleich ein erbitterter Rechtsstreit zwischen amerikanischen Tierschützern von Peta und dem Fotografen. Peta zog nämlich im Namen des Affen vor Gericht, um Naruto die Bildrechte zusprechen zu lassen. Doch die Tierschützer scheiterten. Ein Gericht in den Vereinigten Staaten entschied: Tiere können keine Klage einreichen. Schon gar nicht wegen Urheberrechtsverletzung.

Obwohl das Affenbild auf der ganzen Welt eifrig geklickt wurde, hat die Geschichte leider keinen Deut dazu beigetragen, den Fokus auf die vom Aussterben bedrohte Makakenart zu lenken. Peta und deren Gefolgschaft setzen ganz bewusst auf Polarisierung und Angriff. Sie wollen zunächst gängige gesellschaftliche Wertvorstellungen vernichten, um anschließend eine „tiergerechtere“ Welt aufzubauen. Doch wer den Bogen so überspannt, erntet Abneigung. Im Grunde ist das Geschehen um Naruto mit der Wirkung einer reißerischen Boulevardschlagzeile zu vergleichen. Man guckt ganz gerne mal hin, um im Nachhinein eine enorme Distanz zum doch recht skrupellosen Vorgehen des Urhebers zu entwickeln.

Nun liegt die Vermutung also nahe, dass es hier nicht vorrangig um den Einsatz für Tierrechte ging, sondern um Aufmerksamkeit. Je  mehr davon, desto bereitwilliger zahlen Sympathisanten in die Spendenkasse. Aber führt Aufmerksamkeit um jeden Preis zu Sympathie? Nein (!), würde jeder Vernünftige doch lautstark ausrufen. Ich frage mich: Welcher Typus Mensch ist eigentlich motiviert, in die Spendenkasse zu zahlen? Als Kind wollte ich selbst Umweltschützerin werden, fasziniert von Greenpeace-Aktionen zum Schutz der Ozeane. Besonders ihr Kampf für die Wale ist mir positiv in Erinnerung geblieben. Der Wal als Stellvertreter für eine friedliche, dennoch bedrohte Natur. Der Autor Frank Zelko beschreibt es in seinem Buch „Greenpeace. Von der Hippiebewegung zum Ökokonzern“ wunderbar. Durch Greenpeace wurde Umweltschutz aufregend. Noch heute hat die Bewegung den Ruf, die coole unter den Umweltschutzorganisationen zu sein. „Die Aktivisten sprangen in Schlauchboote mit Außenbordern, preschten über das offene Meer und drängten sich zwischen die Harpunen der Walfänger und fliehende Pottwal-Schulen“, beschreibt Zelko eine Situation, die viele seiner Leser sicherlich mit großer Genugtuung wahrgenommen haben.

Über das Theater um Naruto kann jeder Tierfreund allerdings nur den Kopf schütteln. Das Traurige daran ist, die Meerkatzenverwandten Macaca nigra können derweil wirklich Unterstützung gebrauchen. Die Weltnaturschutzunion IUCN hat die Schopfaffen auf die Rote Liste gefährdeter Arten gesetzt. Ihr delikates Fleisch und die Tatsache, dass sie Felder der Menschen plündern, werden ihnen neben dem Verlust ihres Lebensraums durch Regenwaldrodung in ihrer Heimat in Indonesien zum Verhängnis.

Mitleid empfinde ich nach dieser gerichtlichen Auseinandersetzung weder für Naruto, noch für die Tierschützer. Am Ende berührt mich nur das Schicksal des Wildtierfotografen, der seit dem Trubel um das Selbstportrait ziemlich erschöpft sein muss. Dem Vernehmen nach arbeitet er mittlerweile ausgebrannt als Tennislehrer. Die Gründerin von Peta, Ingrid Newkirk, sagte zwar einmal: „Wir verlangen von niemandem, dass er unsere Vorgehensweise gutheißt. Es stört uns nicht, wenn wir verdammt werden – solange jemand freundlich ist zu Tieren. Es geht nie um Peta, es geht nur um die Tiere. […]“ Aber das Gericht urteilte im Fall von Naruto offenbar anders: Peta habe nicht nachweisen können, dass die Organisation eine „signifikante Beziehung“ zu Naruto pflege. Es liege zudem nahe, dass Peta die eigenen Interessen vor die Narutos gestellt und den Affen als „ahnungslose Marionette“ benutzt habe. Darüber hinaus entschied das Gericht, dass Peta die Anwaltskosten des Tierfotografen zahlen muss.

Wertschätzung für Tiere wächst und gedeiht mit der Hilfe feinfühliger Vorbilder, bockige Rechthaberei richtet naturgemäß weniger aus. Bernhard Grzimek, der als Direktor des Frankfurter Zoos, Tierfilmer und Naturschützer weltbekannt wurde, vermochte sogar die ganze Bevölkerung eines Landes, nämlich Tansania, dahingehend umzustimmen, dass für die Menschen dort bedrohliche und vor allem mit ihnen im Wettbewerb um Nahrung stehende Tiere in der Serengeti dennoch schützenswert sind. Um das zu erreichen, hat  er stets mit den Menschen gearbeitet,  nicht gegen sie. Selbst dem Wohl einer haarigen Spinne in den eigenen vier Wänden kann man zugetan sein, es bedarf lediglich eines Vorbilds, einer Bezugsperson, die einem in jungen Jahren zeigt, wie man das zarte Wesen behutsam mit Glas und Zeitungspapier einfängt, um es dann vor das Fenster zu setzen. Unterm Strich erscheint es somit deutlich effektiver, Mensch und Tier zusammen zu bringen, anstatt sie voneinander zu entfremden. In Grzimeks Worten: Menschen „die ohne Fühlung mit Tieren und Pflanzen in den Betonschluchten der Städte leben“ muss man für Artenschutz begeistern. Ein guter Lehrer und Erzieher weiß, Begeisterung kommt immer dann zustande, wenn nicht verprellt, sondern das Innerste berührt wird.

Drum bin ich am Ende versucht, eine verborgene Begründung für dieses affige Verhalten zu finden. Peta-Aktivistin Newkirk selbst erklärte es einmal, allerdings im Kontext artgerechter Haltung: Wenn ein Mensch etwas propagiert, sich aber nicht daran hält, liegen diesem fehlgeleiteten Verhalten Aggressionen und Geldgier zugrunde. Immerhin, der Fotograf Slater zog eine zynische Lehre aus dem Trubel: „Ich wünschte, ich hätte die verdammten Fotos nie gemacht.“

16. Mai. 2018
von Henrike Schirmacher
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07. Apr. 2018
von Henrike Schirmacher
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Sind Hunde und Katzen soziale Parasiten?

Draußen ist es klirrend kalt,  wirbelnde Schneeflocken zwingen Autofahrer an einem Freitagmorgen, langsam zu fahren. Trotzdem haben einige von ihnen vermutlich ordentlich auf die Tube gedrückt, um es pünktlich zum Termin in der Kleintierklinik in Hofheim zu schaffen, damit ihren Zöglingen nur das Beste vom Besten zuteilwird. Der gute Ruf eilt diesem Ort nämlich voraus. Es liegt in der Luft: Hier wird nicht einfach nur „Geld gemacht“, vielmehr macht sich das Klinikpersonal mit seiner Klientel gemein. Dreh- und Angelpunkt ist die Sorge um das Wohlergehen der kleinen Kläffer und Schmusekatzen, Lebensmittelpunkt ihrer enthusiastischen Anhänger.

Heute bin ich ausnahmsweise auch vor Ort. Sobald sich die automatische Schiebetür hinter mir geschlossen hat, stehe ich inmitten von kranken Hundetieren. Das Foyer ist gleichzeitig Wartebereich für einen vom Nasentumor befallenen Mischling, einen kränkelnden Kampfhund, einen schniefenden Bullterrier und zu meinem Erfreuen auch drolligeren Hundegestalten – Zieheltern immer im Schlepptau. Ich stelle mir die Frage: Kann ich dieses artfremde Miteinander eigentlich noch als klassische Symbiose hinnehmen? Dahinter könnte doch bereits ein psychologisch schädigendes Beziehungsmuster stecken? Aus evolutionsbiologischer Sicht jedenfalls müsste sich Darwin im Grabe umdrehen, stecken Katzenlady und Hunde-Papa doch all ihre Zeit, Energie und vor allem Geld in ein Tier, anstatt in die Partnersuche, die bei Erfolg in der Fortpflanzung mündet. Und das in Zeiten, in denen allerorten von einer überalterten Gesellschaft gesprochen wird, die sich dringend verjüngen müsste.

© H. SchirmacherKleintierklinik Hofheim: Hund erhält Zahnbehandlung.

Gerade Städter legen sich gefühlt zunehmend gerne Hund oder Katze zu – in meiner Jugend galt es als verpönt, in einer Wohnung große Tiere zu halten –  trotz tödlichem Straßenverkehr und beengter Lebensweise. Hunde als Sozialpartner, Katzen als Co-Pädagogen – ehe man sich versieht, steckt der Betroffene in einem Teufelskreis aus einem scheinbar befriedigten Bedürfnis nach Nähe einerseits und Zeitmangel andererseits. Lernt er doch noch, oft per Zufall und mit viel Glück, einen Partner der eigenen Spezies kennen, muss sich dieser häufig darauf einlassen, das Bett zu dritt zu teilen. Der selbstverständlich stubenreine Zögling verrichtet zwar sein Geschäft vor der Haustür, doch unklar bleibt, wo er derweil überall seine Schnauze hineingesteckt hat. Einen Halter, blind vor Liebe, schreckt dies freilich nicht ab. Der Psychologe John Archer spricht von Manipulation als Begründung für die Entwicklung der Haustierhaltung. Der aufopferungsvolle Halter, der für seinen Zögling immer einen Schritt zu weit geht, wurde also wie in jeder klassischen Abhängigkeitsbeziehung manipuliert?

© H. SchirmacherGeheimwaffe der Klinik: Der Linearbeschleuniger.

Während ich mich in der Kleintierklinik in Hofheim – der größten ihrer Art auf dem europäischen Festland – umschaue, wird mir klar: Das stimmt. Weil unglaublich viele Hunde- und Katzenhalter auf das Angebot schwören, konnten die Betreiber ordentlich aufrüsten. Seit Kurzem hat die Klinik sogar einen Linearbeschleuniger zur Strahlentherapie und Schmerzbehandlung von Arthrose. Herrchen und Frauchen spendieren ihrem Hund und ihrer Katze hier lebensverlängernde Maßnahmen, die tausende von Euros kosten. Laut Katharina Kessler, Tierärztin und zuständig für Pressearbeit und Kommunikation, gibt es solch ein Gerät für Kleintiere nur zweimal weltweit. Das Gerät stammt aus der Fertigung für menschliche Krebspatienten und musste etwas umgebaut werden, artgerecht für Kleintiere. Ich treffe den Hundehalter Hubert Schuy. Er bringt seinen Schützling „Tiron“, den ein Nasentumor plagt, regelmäßig zur Strahlentherapie. Sein Haus würde er verkaufen, um seinem Liebling eine Operation zu ermöglichen, erklärt er mir. Ich denke, dieser Hund hat es wirklich weit gebracht in der Gunst seines Halters. Herr Schuy erklärt mir, der Hund nehme viel mehr Zeit in Anspruch als Kinder. „Er ist ein vollwertiges Familienmitglied.“

 

© H. SchirmacherTiron wird auf die Strahlentherapie vorbereitet.

Laut Bindungstheorie gibt es bei Hunden zwei Wesenszüge, auf die ihre Halter anspringen, um ihnen anschließend die Welt zu Füßen zu legen. Zum einen ist der Halter motiviert, für das Tier zu sorgen, weil es niedlich und schutzbedürftig wie ein Säugling ist. Zum anderen vermittelt ein großer, starker Hund Sicherheit. So können Hunde nicht nur als Kinder-, sondern auch als Elternersatz gesehen werden. Das erklärt aus meiner Sicht die optische Vielfalt unter den Hunderassen. Will ich ein Kleinkind, nehme ich einen Schoßhund, der schon allein von seiner Statur her Folge leisten muss, will ich einen starken, wehrhaften Vater, schaffe ich mir lieber den angsteinflößenden Rottweiler an.

© H. SchirmacherAufwachphase: Liebevoll belgeitet das Herrchen seinen taumelnden Hund.

© H. SchirmacherGeschafft. Jetzt geht es ab nach Hause.

Nun will ich aber die niedlichen Kätzchen sehen. Es gibt neuerdings ein Séparée, erklärt Frau Kessler. Weder Mütter, noch Väter, noch Katzenhalter haben es gern, wenn der eigene „Sprössling“ den Kürzeren zieht. Und Katzen wären in der Kleintierklinik, die sonst überwiegend Hunde versorgt, nun mal die Schwächeren. Im Séparée werden die kranken Kätzchen wie schutzbedürftige kleine Babies behandelt, die besonders fremdeln und Mamas Nähe suchen, sobald sie in unbekannter Umgebung sind. In einem sicheren Katzenkorb, der auf Frauchens Schoß thront, halten sie sich versteckt. Umnebelt sind sie von „Feliway“, einer Nachbildung des natürlichen Katzenpheromons. Das beruhigt, wie die Muttermilch. Diese „Mutter-Kind-Situation“ ist keine Seltenheit. Während ich einmal im Zug nach Prag fuhr, saß ein älteres Paar neben mir. Auf dem Schoß der Dame schwankte ein Nackthund stehend hin und her, der fortwährend ihr Gesicht abschleckte. Während ich mich ekelte, wurde mir klar, diese bedingungslose Mutterliebe kommt daher, weil das Tier durch seine Nacktheit so bedürftig wie ein Baby ist.

Ein anderes Mal beobachtete ich ein junges Pärchen, dem wohl noch der Mut für ein eigenes Kind fehlte, mit „Schoßhündchen“. Während das Tier mindestens hundert kleine Trippelschritte machte, brauchten seine Zieheltern nicht mal einen für dieselbe Strecke. Außerdem lief der winzige Hund mit seinen spindeldürren Beinchen und kurzem Fell auf einer dichten Schneedecke. Wenigstens ein passendes Pullöverchen hätten die Halter dem Tier überziehen können. Vor allem felllosen oder kurzhaarigen Gesellen sollte ein wärmendes Mäntelchen übergezogen werden,  rät der Deutsche Tierschutzbund. Schuhe und Söckchen hingegen sind eher ungeeignet, weil die Hundepfoten als sehr empfindsame Tastorgane nackt gebraucht werden. Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung scheint es ein Glücksfall, wenn der kleine Hund dem Pärchen noch ein wenig die Zeit für eigenen Nachwuchs stiehlt.

© PrivatSeien Sie nicht unvorbereitet: Modische Inspiration für das wechselhafte Aprilwetter.

 

07. Apr. 2018
von Henrike Schirmacher
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20. Feb. 2018
von Henrike Schirmacher
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Tierversuche: Des Menschen Fortschritt ist des Tieres Leid

Sie stehen zu acht in einer Fußgängerpassage in Wolfsburg. Eine Frau trägt Sträflingskleidung und eine Affenmaske. Neben ihr steht ein Auto der Marke Volkswagen, ein Mann mit Statistenrolle in dieser Inszenierung hält einen Plastikschlauch mit trichterförmiger Öffnung, der vom Auspuffrohr zum Affenmaul führt. Jeder der übrigen Tierrechtsaktivisten von Peta hält sich ein Schild vor den Bauch mit der Aufschrift: „VW – Stoppt alle Tierversuche“. Passanten laufen an diesem trüben und tristen Tag unbeeindruckt an der kleinen Gruppe vorbei. Ein mickriges Aufgebot gegen die Herren der größten Autowerkstatt der Welt, dem Volkswagenwerk in Wolfsburg. Jeder kennt solche Begegnungen mit Demonstranten auf offener Straße, an denen der Großteil von uns versucht unbehelligt vorbeizukommen.

Umso erstaunlicher ist, was die international tätige Tierrechtsorganisation Peta vor einigen Tagen auf der eigenen Homepage zur Schau stellen kann. Sie habe bereits mehr als 30.000 Unterzeichner für ihre Unterschriftenaktion gewonnen, mit der Forderung, VW soll verbindlich erklären, nie wieder Tierversuche zu machen. Außerdem sei die dazugehörige Pressemitteilung zur Petition gar 20.400-mal auf Facebook geteilt worden. Obwohl die Demonstranten im Alltag wie Aussätzige wirken, haben die Tierschützer, unabhängig vom VW-Skandal, längst eine überzeugte Fangemeinde. Fotos und Videoaufnahmen, die von unendlichen Tierqualen erzählen, haben sich in der Vergangenheit in unser Gedächtnis gebrannt. Vor diesem Hintergrund erscheinen die „Likes“ und „Shares“ ganz und gar nicht mehr ungewöhnlich.

Diese schaurigen Geschichten wurden in der Vergangenheit erzählt: Im Jahr 2003 zeigte das ZDF-Politmagazin „Frontal21“ Undercover-Videoaufnahmen, die im privaten Forschungsinstitut „Covance“ aufgezeichnet wurden. Covance führt noch heute im Auftrag der Arzneimittelindustrie klinische Studien an Affen durch. Der Reporter Friedrich Mülln, der sich, damals noch im Auftrag des ZDF, als Tierpfleger ausgab, hielt die Kamera dorthin, wo Affen unfassbar grob und unwürdig von ihren Pflegern behandelt wurden. Verfremdete Pflegerstimmen lassen den Zuschauer fassungslos zurück: „Kann mal jemand dieses verfickte Äffchen festhalten!“ Das Äffchen turnt wild in der Luft herum, während ein Pfleger versucht, es zu bändigen. „Du verdammter Bastard, deine Seuchen kannst du bei dir behalten.“ Covance findet in einem schriftlichen Statement zu dem Vorfall eine Sprache, wie für einen Beipackzettel: Hinweise auf eine „unsachgemäße“ Behandlung der Tiere gibt es nicht. Dieser Widerspruch in Wort und Bild schürt pure Verzweiflung.

Heute arbeitet Mülln als allseits gefürchteter Undercover-Reporter für die im Jahr 2013 eigens gegründete „Soko Tierschutz“. Zum „Opfer“ fallen ihm regelmäßig Landwirte, aus deren Schweine- oder Geflügelställen der Soko Tierschutz entsprechendes Videomaterial zugespielt wird. Auch Schlachthöfe, im Dezember war es eine Fabrik, die McDonalds mit Fleisch beliefert, gehören dazu. Vor einigen Jahren wählte die Soko das Hirnforschungslabor am Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik in Tübingen als Ziel für eine Undercover-Geschichte aus. SternTV, ausgestrahlt vom privaten Sender RTL, zeigte die Reportage der Soko Tierschutz. Damit erreichten Bilder von kleinen Äffchen mit Schädelimplantaten, die sich unwissenden Außenstehen kaum erklären lassen, die breite Öffentlichkeit. Eine Sequenz finde ich besonders schwer erträglich, sie ist gleichzeitig Dreh- und Angelpunkt, um entweder die Glaubwürdigkeit von den Reportern oder den Wissenschaftlern anzuzweifeln: Ein frisch operierter Affe versucht sich das im kahlen Kopf steckende Implantat zu entfernen. Die Schädeldecke ist blutrot verschmiert. Bevor sich überhaupt ein Wissenschaftler dazu äußern kann, bin ich wie vom Schlag getroffen. Die Stimme der Wissenschaft ist leise. Doch es gibt sie: Das „Blut“ sei schlichtweg Desinfektionsmittel, teilweise Wundsekret als normale physiologische Reaktion nach einer OP. Die Aufnahmen wurden zurechtgeschnitten und mit dramatischer Musik unterlegt, damit der Anschein entsteht, es arbeiteten dort Tierquäler und nicht Wissenschaftler. Außerdem merken die Tiere von den Elektroden im Gehirn nichts, da dieses völlig  schmerzunempfindlich ist. Hinweise, die im Video nicht zu hören und vor allem nicht zu sehen sind. Die Geschichten, die Mülln erzählt, sind unvollständig. Mülln gibt den einzelnen Tieren eine Stimme, das sagt er selbst. Das ungute Gefühl bleibt trotzdem.

Aber auch die „böse Wissenschaft“ kann Bilder erzeugen, wenn sie denn wollte. Der Leiter der Covance-Toxikologie nutzte deren Macht einmal überaus geschickt. Er zeigte einem Journalisten einen konservierten Affenfötus mit kurzen, missgebildeten Ärmchen. „Contergan. Hätte man damals schon Versuche an trächtigen Affenweibchen gemacht, wäre Contergan vielleicht nicht passiert.“ Folgender Satz hört sich auf einmal nicht mehr allzu fürchterlich an: Nach dem deutschen Gesetz gelangt kein tierversuchsfreies Medikament auf den Markt.

In den Tagen nach dem VW-Skandal um Affenversuche sucht nicht nur Peta nach neuen Sympathisanten, auch der Deutsche Tierschutzbund wiederholt seine alte Forderung nach einem Ausstiegsszenario hin zu einer tierversuchsfreien Forschung auf Twitter. Sonderlich viel Anklang findet es erstaunlicherweise nicht, der erste reagiert genervt, unreflektiert und herablassend: „Nehmt doch Veganer, anstatt Tiere.“ Die übrigen schlagen sich allerdings  auf die Seite der Tierschützer. Ebenso wird das Video von Stern TV auf YouTube heute immer noch kommentiert. Scheinbar in größter Hetze oder ohne sich viel Mühe zu geben: „also jetzt nal ganz im ernst das ist keine forschung das is einfach nur sinlnlose quälerei.“ Ist die Wissenschaft tatsächlich gänzlich unnütz oder fehlt den Mitleidenden, mangels Information, nur der Sinn für die Realität?

Derweil war die Max-Planck-Gesellschaft nicht untätig. Akribische Ausführungen zu Tierversuchen in der deutschen Forschungslandschaft kann jeder auf deren Homepage nachlesen. Selbst Neurowissenschaftler haben in Interviews zuhauf erklärt, warum sie an Nervenbahnen von Affen oder anderen Tieren forschen und warum Zellkulturen oder Kernspintomografen keine Alternativen zu ihren Messungen sind. Sie sprechen von Puzzleteilen, die irgendwann ein Bild formen. Doch die Stimme der Wissenschaftler ist sachlich, vernünftig, erzeugt keine schönen, sich ins Gedächtnis festsetzende Bilder, welche die schrecklichen von gequälten Tieren verjagen könnten. Und sie ist so schrecklich langsam, noch dazu ewig ergebnislos. In Erklärungen zum Umgang mit Tierversuchen beruft sie sich auf das 3R-Prinzip „Refine, Reduce, Replace“, nach deren Vorgehensweise möglichst wenig Versuchstiere für maximal viel Forschungsergebnis beansprucht werden. Wissenschaftler reagieren so wie jede Berufsgruppe, die angegriffen wird: „Die Diskussion muss versachlicht wird.“ Obwohl mich dieses Argument meistens nervt, weil ein gewisser Unterton mitschwingt, man selbst habe die Wahrheit gepachtet, während andere ihren Gefühlen erliegen, finde ich es in diesem Fall nur zu verständlich. Wissenschaftler sind das Gegenteil von Werbefachleuten. Sie bauen ungern Luftschlösser, sie mögen weder Schwarz- noch Weißmalerei, sie sind eher balanciert in ihren Sichtweisen. Verkopft begegnen sie der Wucht der Gefühle von Tierschützern und sonstigen Außenstehenden. Nach dem Motto: Es geht eben nicht anders, wenn wir der Menscheit etwas Gutes tun wollen. Ich glaube sogar, Neurowissenschaftler müssen ihre Emotionen und Gewissensbisse verdrängen, abstumpfen. Nur dann können Ehrgeiz und Neugierde Oberhand gewinnen. Immerhin sind die Neurowissenschaften aus meiner Sicht eines der spannendsten Forschungsfelder. Deswegen wählte ich im Laufe meines Biologiestudiums selbst diesen Forschungsschwerpunkt. Das erste Mal, als ich Fotos von Affen mit Schädelimplantaten sah, war ich zutiefst geschockt. Es war während eines Vortrags, zu dem mich ein Postdoc mitnahm. Nach dem Vortrag sagte ich zu ihm: „Das sind ja wirklich heftige Versuche.“ Er zuckte leicht mit den Schultern, nach dem Motto, diese Bürde muss man in Kauf nehmen.

Das MPI für biologische Kybernetik in Tübingen, das seine Affenversuche im vergangenen Frühjahr unter Druck der Öffentlichkeit aufgegeben hat, zeigt auf seiner Homepage noch ein Relikt aus alten Zeiten: „Schnappschüsse“ vom Sozialleben der Rhesusaffen am Forschungsinstitut. Die Affen wirken auf den Bildern nicht geschunden, dennoch wie Zootiere. Direkt daneben zeigt das MPI Plakate, die Tierschützer für ihre Kampagnen gegen Tierversuche nutzen. Das ungute Gefühl kriecht wieder empor.

Also schließe ich lieber mit der Empörung der Twitter-Gemeinde über die Dreistigkeit der Autoindustrie, die Affenversuche lediglich zu Werbezwecken und als Verkaufsargument für die eigenen Produkte in Auftrag gab und nicht für den Fortschritt der Menschheit. Ich empfehle die erste Folge der neuen Dokumentarserie „Dirty Money“ auf Netflix. Ab Minute 60 zeigen die Filmemacher Szenen, wie sie sich mutmaßlich im Labor am „Lovelace Respiratory Research Institute“ abgespielt haben. Ich bin derweil bereits abgestumpft, mit SternTV können diese nicht mithalten.

20. Feb. 2018
von Henrike Schirmacher
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19. Jan. 2018
von Henrike Schirmacher
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Wie leben wir mit Tieren, die uns töten können?

Es gibt einen Spruch, der gleichsam lustig ist und nachdenklich stimmt: Wenn im Wald ein Wolf einem Wolf begegnet, dann denkt er sich: Ah, sicher ’n Wolf. Aber wenn ein Mensch im Wald einem Menschen begegnet, dann denkt dieser sich: Mist. Sicher ’n Mörder!

In unseren heimischen Wäldern ist nun eine dritte Variante nicht mehr ganz abwegig. Nämlich, dass ein Mensch im Wald einem Wolf begegnet. Von Angesicht zu Angesicht mit dem spitzen Maul eines wilden Raubtiers, mir wird mulmig zumute. Selbst einen bewanderten Förster und versierten Jäger, dem im niedersächsischen Wald ein junger, neugieriger Wolf folgte, brachte die Situation ein wenig aus der Fassung: „Da wurde mir schon ein wenig anders.“ Das Gewehr gab Sicherheit.

© DPAWas tun, wenn einem der Wolf begegnet. Wolfsberater sagen: In die Hände klatschen und sich hoch aufrichten.

Fernab von solch einer faszinierenden wie unheimlichen Begegnung, können wir uns in Ruhe Gedanken darüber machen, wie wir die Rückkehr des Wolfes wirklich finden. Wissenschaftlern zufolge sind wir geneigter, tolerant gegenüber großen Raubtieren zu sein, sobald ihr Dasein uns Vorteile bringt und wir durch Verhaltensregeln gewiss sein können, die potenzielle Gefahr zumindest zu senken. Diesen Schluss zieht der amerikanische Wissenschaftler Jeremy T. Bruskotter anhand seiner Studien.

Tatsächlich steht und fällt die Gunst gegenüber dem Wolf mit einer wahrgenommenen Nützlichkeit. Ganz „Homo oeconomicus“ schreibt ein Twitter-Nutzer: „Mir nützt der Wolf nichts. Es ist ein schönes Tier, jedoch, was der Wolf kann, tut der Mensch auch: jagen. Was Weidetiere können, können der Wolf und der Mensch nicht: Gras fressen und daraus Nahrung bereitstellen.“

Sofort kriegt er, aus meiner Sicht zum Glück, einen Rüffel – Mutter Natur ist doch viel wichtiger: „Die Welt besteht nicht nur aus Schafzucht und Fleischherstellung. Das unterschlagen Wolfsgegner leider gerne. Schutzwälder und der Nutzen von Stabilität des Ökosystems etc. interessieren die Gegner einer Rückbesiedlung des Wolfes offenbar kaum.“

Wie kann es sein, dass so unterschiedliche Ansichten zum Wolf derzeit in der gesellschaftlichen Debatte aufeinandertreffen? Die Erforschung des Mensch-Wildtier-Konflikts könnte eine gewisse Erklärung liefern. Vieles auf diesem Feld dreht sich um menschliche Psychologie, sprich persönliche Einstellungen und deren Einflussfaktoren, sowie den Bildungsgrad.

Irgendwie muss sich der himmelweite Unterschied  zwischen wohlwollenden und feindlichen Aussagen doch erklären lassen. Auch der Black Bear in den USA sorgt für Kontroversen, wie der Wissenschaftler Bruskotter durch zwei Aussagen anschaulich zeigt: „Ship Ohio Bears to Virginia where my son lives. He has a gun.“ Versus: “My place is available if you wish to release bears.“

Bruskotter hat eine These parat: Die hitzige Diskussion um den Wolf biete ein willkommenes Ventil für generell unzufriedene Dorfbewohner, deren Lebensstandard gegenüber einem vermeintlich besseren in Städten deutlich abfällt.  Das klingt schon fast abgedroschen. Das „sich abgehängt fühlen“-Argument wird derzeit als Erklärung sowohl für die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten als auch für die Sympathie vieler Menschen für die AfD angeführt. So simpel kann es ja wohl doch nicht sein.  Gleichwohl wird die Diskussion um den Wolf zuweilen mit vergleichbarer Hysterie geführt, dies schon über Generationen. Schon in den Augen meiner Großeltern war der Wolf der Geächtete und Verfolgte.

Weniger emotional, mit mehr Ratio betrachtet: Gefahren lauern überall, besonders im Autoverkehr. Gegenüber unserem über alles geliebten Fahrgefährt ist die Toleranz hingegen groß. Das macht nach Bruskotters These natürlich Sinn, weil es viele Vorteile bringt, aber Luftverschmutzung und Autounfälle sind klare Nachteile. Trotzdem ist es gesellschaftlich akzeptiert, dass durch Autos hin und wieder Menschen zu Schaden kommen oder gar umkommen. Bisher hat dies aber nicht zu einer Debatte geführt, Autos gar abzuschaffen.

Einen kleinen, aber feinen Unterschied gibt es dennoch zwischen Gefahren durch Autoverkehr und denen durch die Rückkehr des Wolfes. Das vom Auto ausgehende Risiko ist bundesweit gerecht verteilt. Der Wolf hingegen stellt nur in ländlichen Regionen eine potenzielle Gefahr dar.

Fußt der Streit tatsächlich auf Nachteilen der Landbevölkerung gegenüber Städtern? Zur Beantwortung dieser Frage wage ich es, die kaum noch als solche empfundene eingeschränkte Lebensweise eines Städters zu beschreiben. Sagen wir mal, der Wolf ist für den Städter das Auto: Kleine Kinder können deswegen nicht überall spielen, sie dürfen nicht unbeaufsichtigt bleiben. Außerdem sind strenge Regeln im Straßenverkehr erforderlich,  damit das Kind im Straßenverkehr überlebt. Gleichwohl gibt einem niemand die Garantie, dass niemals etwas passiert. Ganz zu schweigen von Abgasen, Lärmbelästigung und verstopften Straßen. Natürlich ist das teilweise vom Menschen so gewollt, wohingegen sich der Dorfbewohner dem Wolf „restlos“ ausgeliefert vorkommen kann. Im Zweifel wurde sogar gegen seinen Willen entschieden, weil die Gesellschaft sich verpflichtet hat, Natur und Arten zu schützen.

Um den Mensch-Wildtier-Konflikt zu schlichten, reicht eine gesellschaftliche Verpflichtung nicht. Nach Bruskotters These muss das Individuum Vorteile im Dasein des Wolfes sehen. Zwar wissen Wissenschaftler längst, wie gut Raubtiere, die am Ende der Nahrungskette stehen, Ökosystemen tun. Seit Wölfe den Yellowstone-Nationalpark im US-amerikanischen Bundesstaat Wyoming  bewohnen, sollen dort beispielsweise wieder mehr Auwälder gedeihen. Insofern könnte die Rückkehr des Wolfes, der verfressenem Wild hinterherjagt, Ressourcen in der Waldaufforstung sparen. Doch das müssten Dorfbewohner direkt zu spüren bekommen. Vielleicht mit einem gescheiten Ausbau des Breitbandnetzes auch auf dem flachen Land?

Mit dem Wolfstourismus entsteht in jedem Fall ein neuer Wirtschaftszweig. Um auf der Fährte des Wolfes zu wandern, haben Touristen aus Übersee kürzlich Tausende Euros gezahlt. Vielleicht ist das der Grund, warum sich die Massai in Tansania seit jeher mit Löwe, Leopard und Hyäne herumplagen. Zwar wurden schon Kinder getötet und teilweise wird sich der Gefahr auf illegale Weise entledigt, aber jeder Safari-Jeep, der an einem Massai-Dorf hält, füllt die Dorfkasse mit 50 Euro. Anschließend fahren die Jeep-Insassen in die Serengeti, um Löwen zu beobachten.

Wie ist das nun mit einem wilden Raubtier in nächster Nähe? Als ich im Zelt auf einem offenen Campingplatz mitten in der Serengeti lag, hörte ich nachts die Hyänen nebenan heulen. Zuvor sagte mir der Safari-Guide, wirklich gefährlich seien aber eher Leoparden und Löwen, weil sie sich geräuschlos von hinten anschleichen. Das Zelt habe ich erst im Morgengrauen wieder verlassen, obwohl mein Führer mich durchaus ermutigte, einfach mit Taschenlampe nachts zu den Sanitäranlagen zu gehen. Er gab auch Handlungsanweisungen zum Umgang mit den Hyänen, etwa nichts Essbares mit ins Zelt zu nehmen. So richtig sicher hab ich mich trotzdem nicht gefühlt, aufregend war’s allemal.

Eine Garantie, dass das Raubtier niemals einem Menschenleben schadet, kann keiner geben. Am Ende geht es wohl schlichtweg darum, ob der Mensch diese Ungewissheit aushält.

19. Jan. 2018
von Henrike Schirmacher
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13. Nov. 2017
von Henrike Schirmacher
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Tierkämpfe: Von primitiver Schaulust bis hin zum kultivierten Sadismus

Der sensationsgeile Safari-Tourist giert nach einem spektakulären Aufeinandertreffen in freier Wildbahn. Wer dies selbst in Form von Hundekämpfen initiiert, kommt üblicherweise hinter Gitter. Wer hingegen ungeniert genießt, wie Stiere in der Kampfarena, vom Torero über lange Minuten traktiert, qualvoll verenden, darf dies sogar als „Kulturerbe“ rechtfertigen.

© AFPBlutrünstig lechzt der Zuschauer nach dem Showdown.

Über den Messenger-Dienst Whatsapp ist der Draht nach Tansania zu meinem lieben Safari-Guide Chap ein Leichtes. Noch Wochen nach meiner Abreise aus der Serengeti hält er mich auf dem Laufenden. Kürzlich schickte  mir Chap ein Video, in dem ein Gnu von einer Hyäne gerissen wird. Das Video macht erfahrbar und bringt auf den Punkt, was einem Tierfreund an solch einer abenteuerlichen Reise auf den Spuren des berühmten Zoodirektors und Tierfilmers Bernhard Grzimek sauer aufstößt: Sensationsgeilheit. Sicherlich gibt es dutzende Safari-Reisende, die stundenlang mit dem Fernglas ausharren, um bloß Löwen beim Schlafen zuzuschauen. Doch innerhalb dieser Gemeinschaft in geschützten Nationalparks offenbart sich hin und wieder abstoßendes menschliches Gebaren.

Im Video liegt ein Gnu mit erhobenem Haupt auf allen Vieren in der Savanne, während sich eine gierige Hyäne an dem Fleisch des noch lebenden Tieres labt. Der gehörnte Kopf des Gnus ist wachsam nach oben gereckt, als ob es die Hyäne beim Fleischverzehr am eigenen Körper duldet; ähnlich wie der Wal einen Putzerfisch gewähren lässt. Doch als die Hyäne ihre blutverschmierte Schnauze im aufgerissenen Bauchraum des Gnus versenkt, schwenkt das Gnu seinen Kopf ruckartig zur Seite, um den Fleischfresser zu verjagen. Vergeblich. Die Hyäne reißt am herausquellenden Magen vorbei den Darm heraus. Die Lebenszeit des Gnus zerrinnt vor den Augen des Betrachters. Und dieser kreischt vor Vergnügen. Im Video sind die englischen Stimmen einer  Frau und eines Mannes zu hören, zwischendurch klickt die Handykamera.

„What a painful death!” (klick) „I mean, he is all up in him.“ (klick) Die Hyäne bringt den Darm zum Vorschein: „Ohhh, Jesus! This is so nasty.“ (klick) “Oooohhh, God!”  “Ohhhhh”, kreischt Frau hysterisch. „He pulled out the intestine”, ruft der Mann “Oh lord! This is nasty!“  Mann und Frau lachen kehlig.

„Huhhh, I wanne not enjoy this as much as I am”, sagt die Frau, die mittlerweile die vokale Hochform freudiger Erregung erreicht hat. (klick) Ein letzter Schnappschuss zur Erinnerung. Das Video bricht ab.

© PrivatGefundenes Fressen. Nicht nur für die Hyäne.

Einen mitleidigen Ton sucht man in diesem Stimmengewirr aus „Ohhh’s“ und „Uhhh’s“ vergeblich. Liegt das daran, dass der Mensch in einem safarikonformen, abgebrühten Tierbeobachtungs-Modus ist oder am mitleidlosen Charakter des Menschen selbst? Vermutlich kommt beides zum Tragen. Zum einen ist das Gaffen auf der Rücksitzbank hübsch bequem und sicher, so  lässt sich das Geschehen beinahe wie vor einer Kinoleinwand genießen. Zum anderen gibt es von Natur aus sensationslüsterne Beobachter. Schließlich trifft man diese auch andernorts: als vorbeifahrende Schaulustige an Unfallstellen auf der Autobahn beispielsweise. Wer sich sehr ungeschickt bei der Schaulust anstellt und vor lauter Erregung gar Rettungsdienste behindert, wird in diesem Fall neuerdings sogar mit einem erhöhten Bußgeld bestraft. In der Serengeti hingegen wird niemand zur Rechenschaft für mangelndes Tiermitleid gezogen. Die Fesseln der Selbstbeherrschung hat das Pärchen vermutlich gerade deshalb gesprengt oder gar nicht erst angelegt.

Somit ist die Safari ein bisschen wie die Unterhaltungskultur im Römischen Reich. Weil das blutrünstige gefährliche Tier einem selbst nichts anhaben kann, fokussiert der Mensch intuitiv  auf den eigenen schaurig schönen Kick. Normalerweise müsste er um sein eigenes Leben fürchten, nun kann er sich gehen lassen. Er verliert an Haltung. Es wäre fast nötig, am Parkeingang zur Serengeti Benimmregeln aufzuhängen. Nächsten- wie Tierliebe, zumindest Achtung vor Lebewesen, ist augenscheinlich nicht jedem in die Wiege gelegt und sie scheint auch nicht zur Grundausstattung der menschlichen Natur zu gehören. Sonst dürften weder Stier-, Hahnen- noch Hundekämpfe in unserer Zeit als Geschäftsmodell funktionieren. Verglichen mit dem „unzivilisierten“ Ehepaar, das ungezügelt gafft, hörbar überwältigt ist, bei einem Naturspektakel dabei zu sein, ist die maßlose Brutalität in Form von Tierkämpfen die kultivierte Form von Tierquälerei. Im Fachjargon fällt solche Tradition bei Gegnern unter den Begriff „Green Criminology“. Das sind jegliche Vergehen an Umwelt und Tier, die häufig nicht einmal geahndet werden.

Bei einem solchen Spektakel bin ich als kleines Kind selbst „live“ dabei gewesen. Der Stierkampf fand mitten in den engen Gassen eines Dorfs in der französischen Camargue statt. Ich hatte panische Angst vor den Stieren. Als ich mit der Familie meines Kindergartenfreundes das halbwegs sichere Terrain hinter einer spärlichen Umzäunung verließ, um auf einen freien Platz zu treten, auf dem alsbald Matador und Stier toben würden, rettete ich mich notgedrungen mit meiner Schwester auf eine große Mülltonne. Alles andere war mir nicht geheuer. Im Jeep auf Safari ist das etwas ganz anderes. Aus dem Schutzraum der eigenen Sicherheit ist das Spektakel dort nicht nur entspannt zu verfolgen, für einige geradezu genießbar.

Ähnlich erlebbar scheinen „Boar Wars“, die auf der indonesischen Insel Java stattfinden. Wie „The Sun“ kürzlich bildreich (extra zugeschnitten auf sensationslüsterne Leser) berichtet hat, werden Wildschweine in eine von Bambus umzäunte Kampfarena geschickt. Vor den Augen der wettenden Zuschauer reißen sich Schwein und trainierter Kampfhund  gegenseitig in Stücke. Gewinnen Hund und Trainer, gibt’s eine saftige Belohnung, außerdem steigt der züchterische Wert des Hundes. Das Schicksal des Wildschweins endet in jedem Fall entsetzlich: Entweder es hält wacker stand, dann wird es wiederholt in die Manege gezwungen oder der Schlachter kommt vorbei. Obwohl in diesen Ländern so manch einer keine andere Wahl hat, ausgerechnet so sein Auskommen zu verdienen, ist es in diesem Kosmos kultiviert, vom Leid der Tiere zu profitieren.

© AFP„Autsch“, denkt der Stier. Der Mensch kreischt „Olé“.

Gleiches gilt für die westliche Zivilisation: Zwar sind Hundekämpfe illegal, doch der spanische Stierkampf gehört längst nicht der Vergangenheit an. Die sich am Leid des Tieres ergötzende Menge quittiert jeden einzelnen schmerzhaften Stoß mit der Lanze, die sich mit Widerhaken ins Fleisch bohrt, mit Olé-Rufen. Jahrhundertealtes Kulturerbe hin oder her, wer solch initiierte Brutalität genießt, kann doch außerhalb Spaniens nur als Sadist bezeichnet werden. Oder? Wissenschaftlich erforscht, gelten Hunde-, Hahnen- und Stierkämpfe als ein Ritual, um vor versammelter Mannschaft die eigene Männlichkeit unter Beweis zu stellen. Während der bewaffnete Matador im Stierkampf die körperliche Arbeit noch selbst auf sich nimmt, werden im Hunde- und Hahnenkampf stellvertretend männliche Tiere eingesetzt. Für die Mannwerdung kämpften auch die Massai aus Ostafrika ehemals mit einem Tier, allerdings ohne Publikum. Bevor ein Junge von seinem Stamm als Mann anerkannt wurde, zog er los, um einen Löwen zu töten. Als Beweis seiner Manneskraft trennte der Krieger das buschige Schwanzende vom toten Löwen. Mittlerweile sollte das Ritual vor allem wegen des Artenschutzes allerdings der Vergangenheit angehören, erklärte mir Safari-Guide Chap.

Eigentlich ist es ungerecht, dass Besucher der Stierkampfarenen noch frei herumlaufen dürfen. Immerhin wurde der US-amerikanische Football-Spieler Michael Vick im Jahr 2007 zu einer Freiheitstrafe verurteilt, weil er mehr als 50 Hunde hielt, die offenbar für Kämpfe abgerichtet worden waren. Bei solch illegal stattfindenden Auseinandersetzungen wird auf einen möglichen Gewinner viel Geld gesetzt. Hunde, die verlieren, werden erhängt, ertränkt, erschossen oder mit Elektroschocks getötet. Whoopi Goldberg nahm Michael Vick damals sogar in Schutz. Seine Verstrickung in Hundekämpfe sei die Folge seines kulturellen Umfelds im Süden des Landes, wo Hundekämpfe „Sport“ sind. Auch der Stier stirbt am Ende des Kampfes mit dem Dolch durch menschliche Hand. Und auch Spanien rechtfertigt den Stierkampf und sein meist für das Tier bittere Ende mit dem Begriff Kulturerbe.

Sogar der Safaritouristin im Video war bewusst, dass sie etwas genoss, das sie im gleichen Maße bekümmern könnte. Befremdet von den Stierqualen reagierten auch die Bewohner Kataloniens bereits vor Jahren. Schon 2010 verbot das Parlament der spanischen Autonomen Gemeinschaft Katalonien den Stierkampf. Es mangelte an Identifikation mit dem spanischen „Kulturerbe“.  Später erklärte das spanische Verfassungsgericht dieses Verbot allerdings für rechtswidrig. Dabei schlossen sich die Richter in ihrer Auslegung der Zentralregierung in Madrid an, für die der Stierkampf untrennbar ist vom nationalen Kulturerbe.

Nachdem ich das Video gesehen habe, antworte ich Chap über Whatsapp: „Armes Gnu.“ Chap sagt: „Ja, Gnus sind leichte Beute für Hyänen, Löwen und Leoparden. So brutal ist die Wildnis eben.“

 

13. Nov. 2017
von Henrike Schirmacher
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08. Aug. 2017
von Henrike Schirmacher
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Vom „bösen“ Wolf und treuherzigen Hündchen

© DPADie Freundschaft zu einem Wolf, wie im Film „Wild“ von Nicolette Krebitz, ist einzigartig.

Ich stehe vor der schweren Holztür eines Einfamilienhauses und drücke auf den Klingelknopf, um der Freundin meiner Mutter ein geliehenes Buch zurückzugeben. Sobald die Klingel ertönt, höre ich, wie im Haus ein Hund anfängt zu bellen. Als die Freundin die Tür öffnet, schwingt sich schwanzwedelnd ein vor Freude sabbernder Berner Sennenhund auf mich zu. Anders als es bei einer ersten Begegnung etwa mit Pferden üblich ist, haben wir uns gar nicht bekannt gemacht. Im nächsten Moment hängt jedoch schon sein Speichel an meiner nun frisch duftenden schwarzen Jeans. Berührungsängste hat das Tier keine.

© DPANichts für jedermann: Verschmust, verspielt und anhänglich.

Ob unsereins diese überschwängliche Begrüßung nun befremdlich oder liebenswert findet, wird wohl kaum etwas an dieser aufdringlichen Umgangsform des Hundes ändern. Die zuweilen „hypersoziale“ Art der  meisten Rassen ist genetisch festgelegt. Amerikanische Wissenschaftler haben ihre Forschungsergebnisse kürzlich im Fachmagazin „Science Advances“ veröffentlicht. Natürlicher Drang zur Nähe unterscheidet den domestizierten Hund von seiner Wildform, dem „bösen“ Wolf. Selbst wenn ein Mensch dem Hund mit größtem Desinteresse gegenübertritt, erzwingt dieser zumindest ein Tätscheln, weil er einem nicht von der Seite weicht oder ständig mit seiner feuchten Schnauze stupst. Irgendwie ist das natürlich herzallerliebst. Schließlich sind offene Umgangsformen etwas Schönes.

In ihrer Arbeit verglichen die Forscher das Erbgut von Hund und Wolf. Im Erbgut der untersuchten Hunde ist eine Genregion verändert, die offenbar eine entscheidende Rolle für das Sozialverhalten spielt: Die gleiche Genregion löst beim Menschen eines durch übertriebene Anhänglichkeit und kindliches Verhalten gekennzeichnetes Verhalten aus. Die Störung  ist bekannt als Williams-Beuren-Syndrom (WBS).

Die Hypothese der Wissenschaftler lautet: Unsere Vorfahren suchten gezielt Hunde, die dem Menschen gegenüber besonders hörig und freundlich waren. Das Verhalten von vorpubertären Kindern stand für Hundehalter also hoch im Kurs. Bis ins Erwachsenenalter steckt demnach das kleine Kind im Hund. Für den Prozess der Domestizierung vom wilden Wolf zum zahmen Hündchen war der Grundstein gelegt. Mit der Geburt des Schoßhündchens hat diese Entwicklung wohl ihren Zenit erreicht. Möpse  passen auch ganz gut ins Raster. Unglaublich anhänglich, entfernen sie sich nie weit von ihrem Herrchen oder Frauchen. Sogar im Antlitz mit verkürzter Schnauze und großen treuherzigen Augen blitzt das Kindchenschema eines pausbäckigen Menschenbabys durch.

© PrivatMopsgesichter: Niedlich, knautschig und teigig wie Babyspeck.

Schon frühere Studien zeigen, dass die soziale Ader der Hunde sich in einer Art Abhängigkeit gegenüber ihren Herrchen und Frauchen manifestiert. Verglichen Wissenschaftler das Verhalten von Haushunden und an den Menschen gewöhnter Wölfe, offenbarte sich folgendes: Wölfe sind ausdauernde und gute Problemlöser, während Hunde schon nach kurzer Zeit die Lust verlieren und sich hilfesuchend an den Menschen wenden. Sie suchen gezielt den Blick und die Gesellschaft  von Menschen, sogar von fremden Menschen.

© dpaBloß nicht zu weit von Frauchen entfernen: Der Mops wird niemals „flügge“.

Als Gelegenheitsjoggerin kann ich ein Lied davon singen. Gedankenversunken trabe ich durch den Wald, schon kommt ein leinenloser Hund mit wehendem Fell auf mich zugerannt und hängt mir an den Fersen. „Der will nur spielen“, ertönt es mir  beschwichtigend entgegen. Mir fehlen die Worte. Eine gewisse Portion Argwohn gegenüber Hunden wie auch  Menschen darf man sich ruhig bewahren, wie ich finde. Und sei es nur, um das Tier oder den Menschen, der einem unsympathisch ist, auf Abstand zu halten.

Menschen, die mit Williams-Beuren-Syndrom auf die Welt kommen, behandeln Fremde häufig wie Freunde. Der Grund dafür ist offenbar eine Entwicklungsverzögerung, die kindliches Verhalten bis ins Erwachsenenalter aufrecht hält. Die Entwicklung von Hunden ist  verglichen mit Wölfen ebenso verzögert.

Die Dinge, die das Leben eines Erwachsenen mit WBS in unserer Gesellschaft vermutlich erschweren, scheinen Hunde im Umgang mit uns Menschen erst so erfolgreich zu machen. Hunde werden selbst im Erwachsenenalter nicht „flügge“, oftmals wird die Bindung zu ihren Herrchen sogar intensiver. Für einen Wolf gilt dieser Trend jedenfalls nicht. Unvorstellbar, dass ein Wolf einen Frisbee fängt oder gar ein Stöckchen holt.

© PrivatVon Angesicht zu Angesicht: Ein „Fabelwesen“ taucht in deutschen Wäldern auf.

Wölfe sind mystische Wesen. Niemand weiß, wo sie sich gerade aufhalten. Lediglich Pfoten im Schnee oder ein gerissenes Weidetier zeigen die Wolfsfährte. Märchen wie „Rotkäppchen und der Wolf“ oder „Der Wolf und die sieben Geißlein“ haben unser Bild vom „bösen“ Wolf geprägt. Mein Opa hat es verstanden, diesen sich um den „bösen“ Wolf rankenden Mythos während endloser Spaziergänge um einen Moorsee in der niedersächsischen Heide geschickt einzusetzen, um uns Kinder bei Laune zu halten: „Schaut, dort im dichten Gehölz verstecken sich die Wölfe.“ Fortan war uns Kleinen immer ein wenig unheimlich, wenn wir an dichtem Nadelwald vorbei spazieren gingen. Ich glaube zwar, wir wussten, dass es dort gar keine Wölfe gab. Dennoch, die Phantasie war geweckt und machte Spaziergänge mit den Großeltern unvergesslich aufregend.

Ob mein Opa damals wohl ahnte, dass heutzutage im dichten Gehölz tatsächlich wieder ein Wolf umherstreifen könnte? Ich denke, er würde sich freuen, weil es zeigt, die Wildnis lässt sich nicht besiegen. Tatsächlich ist der Streit über die Wiederansiedlung von Wölfen in Mitteleuropa aber bereits voll entbrannt.

Noch breitet sich der Wolf überwiegend dort aus, wo der Mensch das Feld geräumt hat. Ich denke aber an australische Dingos, die in Rudeln kaum Scheu gegenüber Menschen haben. Sie plündern Zeltlager, greifen einzelne Personen an und töten sogar Kleinkinder. Würde der Wolf in unseren Wäldern in wenigen Jahren eine solche Rolle einnehmen, wäre es um sein geheimnisvolles Charisma geschehen. Er würde nur noch verfolgt, seine zurzeit noch gewünschte Ausbreitung gestoppt. In Niedersachsen ist es schon so weit, dass der Landwirt und Präsident der Landesjägerschaft, Helmut Dammann-Tamke, seine Stimme gegen den Wolf erhebt. Dammann-Tamke will die tierischen Einwanderer, der Tageszeitung „Osterholzer Kreisblatt“ zufolge, konditionieren. Gegen Rudel, die sich erwiesenermaßen verstärkt Siedlungen nähern oder durch wiederholte Nutztierrisse auffallen, will er äußerst streng vorgehen: Ein Jungtier soll aus dem Rudel entfernt und getötet werden. Wölfe sollen merken, dass Menschen nichts Gutes bedeuten. Dammann-Tamke schildert den ihm vorschwebenden Idealfall: „Wenn ein Wolf auf einen Menschen trifft, muss er die Rute einklemmen und Reißaus nehmen.“

Um die Wiederansiedlung von Wölfen zu einem Erfolg werden zu lassen, ist also „Wildtiermanagment“ gefragt. Die veränderten Verhältnisse in unseren Wäldern könnten also durchaus Arbeit und neue Stellen schaffen. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da bekamen Forststudenten schon in den ersten Vorlesungen, die sie besuchten, von ihren Professoren gesagt, sie fänden später wohl keinen Job. Forstämter könnten heutzutage sogar aufrüsten mit Anstellungen für Wildtiermanager. Warum soll es den in unsere Wälder zurückkehrenden Wölfen schlechter gehen als unseren Hunden, für die uns nichts zu teuer ist.

08. Aug. 2017
von Henrike Schirmacher
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11. Jul. 2017
von Henrike Schirmacher
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Warum wir Stadttauben nicht lieben können

Ein zartes Gurren ertönt von draußen. Ekel und Wut kochen in meiner Freundin hoch. Auf dem Sims vor dem kleinen Hinterhof-Fenster im vierten Stock ruckelt eine Stadttaube ihr Hinterteil auf einem frisch gelegten Ei zurecht. Meine Freundin verliert die Nerven.

Das noch unfertige Täubchen wird leider nie das Licht der Welt erblicken. Nächtliches Gurren plagt meine Freundin seit Kurzem bis zur Schlaflosigkeit. Die Gewissheit, dass sich vor der dünnen Glasscheibe eine kleine Taube im Ei entwickelt, treibt ihr kalten Schweiß auf die Haut. Sie schreitet zur Tat. Mit „spitzen Fingern“ greift sie sich einen Besenstiel. Energisch dreht sie den Fenstergriff nach links und öffnet behutsam das Tor zur Taubenhöhle. Geschickt bahnt sie sich mit dem Stiel den Weg in Richtung Taubenei und stupst es aus dem Nest. Mutter Taube bekommt davon nichts mit, sie verdingt sich kurzweilig andernorts. Ihr Vogelgeschrei wird später groß sein. Meine Freundin hingegen hat ihr Ziel erreicht. Das rohe Spiegelei glänzt glitschig auf dem Asphalt.

Die gemeine Stadttaube hat es richtig schwer, von uns Menschen geliebt zu werden. Während ich das Netz durchschweife, finde ich allerhand Gehässigkeiten:

„So’n Leben als Stadttaube vermittelt einem irgendwie den falschen Eindruck, dass man ohne Job und Geld immer etwas zu essen finden könnte.“

„Eine einsame Stadttaube hat versehentlich einen Schwarm eiliger Brieftauben gekreuzt. Nun fühlt sie sich nutzlos und unorganisiert.“

„Wenn man die jetzt füttert, nerven sie nicht, weil sie dann nicht zwischen den Menschen rumrennen müssen.“

Nicht einmal das Füttern scheint ein Akt der Nächstenliebe zu sein. Sonderlich aufregend ist es sicherlich nicht. Als ausgewildertes Haustier sind  Tauben, ohne dass wir einen Finger krumm machen müssten, sogleich zur Stelle. Gierig und bedürftig lassen sie, anders als im Tierpark oder gar in der freien Wildbahn, keinen Spannungsbogen zu. Dass wir unsere Essensreste loswerden würden, war absehbar. Füttern macht also keinen Spaß.

© H. SchirmacherÄtzend läuft der Kot nach unten. Hoch oben thronen die Täter.

Erst recht nicht, wenn wir die Folgen sehen. Kürzlich ist ein Review Artikel australischer Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „European Journal of Ecology“ erschienen, der jegliche Forschung zu Taubenkot zusammenfasst. Dies ist tatsächlich nicht nebensächlich, schließlich schädigt der Taubenkot Fassaden und Denkmäler. Außerdem tummeln sich in der feuchten Masse haufenweise Bakterien und Pilze. Es lauern verschiedene Erreger wie Chlamydien, darunter Chlamydia psittaci, auch Ornithose genannt. Sie verursacht eine grippeartige Erkrankung bei Menschen. Außerdem das Bakterium Chlamydia abortus. Es löst einen Abort des Fötus bei Säugetieren, inklusive des Menschen, aus. Auch der Fungus Cryptococcus neoformans, der die Lungen von Menschen befällt und bei immunschwachen Patienten sogar eine Meningitis oder Encephalitis auslösen kann, steckt im Kot. Und obendrein gibt es natürlich noch Salmonellen.

Die Zusammenfassung der Wissenschaftler zeigt folgendes: Es verhält sich leider so, dass die Größe der Vogelscheiße und deren chemische Zusammensetzung stark von der Vogeldiät abhängt. Ernährt sich die Taube schlecht, ist ihr Kot besonders ätzend. Je saurer der Kot, sprich je niedriger der pH-Wert, desto stärker der Schaden. Der pH-Wert kann um zwei Einheiten fallen, wenn die Stadttaube nur noch Brot und Kuchen futtert. Hinzu kommt, dass sich Cryptococcus neoformans, der leidliche Lungenpilz, im sauren Milieu wohler fühlt.

Während die wilde Felsentaube ein reiner Samenfresser ist, ist die domestizierte und anschließend ausgewilderte Stadttaube ein Allesfresser. Im Klartext heißt das: Je mehr labbriges Burgerbrot der Mensch konsumiert, desto miserabler ernährt sich die Taube. Somit sind wir Menschen mit unserer allzu bequemen Sorglosigkeit selbst daran schuld, dass der Kot immer saurer und damit schädigender wird.

© H. SchirmacherRiskanter Aufenthaltsort: Irgendwann trifft es jeden.

© H. SchirmacherFrisch geklekst: Der nächste feuchte Haufen lässt sicherlich nicht lange auf sich warten.

Laut dem Schweizer Biologen Daniel Haag-Wackernagel, der an der Universität Basel lehrt, geben Tauben alle halbe Stunde einen Kothaufen ab, unabhängig davon, wo sie sind. Wie wunderlich, dass es mich noch nie getroffen hat. Trotz der bisherigen Glückssträhne halte ich die Luft an, wenn die Ampel unter der Bahnbrücke der S-Bahnstation Galluswarte in Frankfurt rot aufleuchtet. Ein paar Meter über meinem Kopf hocken Tauben.

© H. SchirmacherAugen zu und durch!

Der Asphalt unter meinen Schuhen ist deswegen der verschissenste Untergrund, den ich je gesehen hab. Erst auf der anderen Straßenseite angekommen, fühle ich mich sicher.

Obwohl der Vogel mittlerweile derartig selbstsicher im Umgang mit Menschen, Autos und Fahrrädern ist – den meisten Exemplaren ist die Furcht komplett abhanden gekommen -, passt die Taube nicht ins Stadtbild. Liegt es daran, dass ihr Dasein für die Stadt nicht ästhetisch genug ist? Der New Yorker Forscher Colin Jerolmack beschreibt im Artikel „How pigeons became rats: The cultural-spatial logic of problem animals “, wie der Mensch Räume und deren Lebewesen wahrnimmt. Losgelöst von seiner Umgebung, ist der Vogel mit blaugrauem Federkleid und grünlich-lilafarben schimmerndem grazilem Hals nämlich ein hübsches Tier. Die rötlichen Augen blicken exotisch drein.

Tiere nimmt der Mensch solange als etwas Wunderbares wahr, wenn diese harmonisch im Einklang mit der Natur leben. Sobald das Tier allerdings Räume erobert, die für den Menschen gebaut wurden, erscheint das Tier „out of place“. Jerolmack geht gar so weit zu sagen, dass die Taube die Antithese zur idealen Metropole verkörpert. Das eigentliche Vergehen des Vogels sei nicht die Gesundheitsproblematik, die es auslöst, sondern dass er die Umgebung verschmutzt, die für den Menschen vorgesehen ist.

Im Umkehrschluss bedeutet dies: Wenn wir die Taube wieder lieben wollen, müssen wir ihr einen eigenen Raum schenken. Wie könnte dieser aussehen? Ich habe mich in die tropische Gartenstadt „Gardens by the Bay“ in Singapur verliebt. Landschaftsarchitekten haben an den Ufern einer künstlichen Bucht, mitten im Zentrum der Stadt, unter Bankentürmen und Hotels, eine Parklandschaft geschaffen, die wie die Welt der Avatar anmutet. Leuchtende Supertrees erinnern an die biolumineszierende Weide im bildgewaltigen Kinofilm von James Cameron. Warum gönnen wir der Stadttaube nicht einige künstliche Felsformationen an stadtnahen Baggerseen mit Johannisbeerbüschen? Im Baggersee könnte auch ein neuer Fressfeind der Taube lauern. In der BBC-Dokumentation „Planet Earth II“ zeigt David Attenborough nämlich, wie Welse in der südfranzösischen Stadt Albi badende Stadttauben verschlingen. Hoffentlich brauchen die Tiere sehr lange, bis sie gelernt haben, den Fisch auszutricksen.

11. Jul. 2017
von Henrike Schirmacher
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27. Apr. 2017
von Henrike Schirmacher
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Hund und Herrchen sind wie Mutter und Kind

„Wir alle müssen mit schrecklichen Geschichten fertig werden“, sagt Carol Connelly alias Helen Hunt in der Filmkömodie „Besser geht’s nicht“. „Das stimmt nicht, manche haben hübsche Geschichten, tolle Geschichten. Sie handeln von Seen, Booten und Freunden und Nudelsalat. Nur leider keiner von uns“, erwidert Melvin Udall und holt Carol unliebsam auf den Boden der Tatsachen zurück.  Der Zwangsneurotiker, grandios gespielt von Jack Nicholson, ist eine sehr unverträgliche Person, wohlwollende Worte findet er selten. Doch besonders in unangenehmen Situationen hilft es umso mehr, wenn einem ein Freund gut zuspricht. Ein wohlwollender Freund kann das Blatt in Konfliktphasen wenden, während ein garstiger Gesprächspartner alles noch verschlimmert. Anschließend ist man entweder enger vertraut oder distanzierter denn je.

© picture-allianceZugegeben, diesen kleinen Kerlen traut niemand etwas Schlimmes zu.

Aber was ist, wenn ein solch wohlwollender Freund grundsätzlich fehlt? Manchmal ist dann der beste Freund ein Hund. Wie die WDR-Dokumentation „Wenn der Hund stirbt – Wie Menschen um Tiere trauern“ zeigt: Als der treue Dackel Muck stirbt, bricht für sein Herrchen eine Welt zusammen. Der Wohnraum ist voller Erinnerungsstücke an den Dackel. Muck nimmt im Wohnzimmer mehr Raum ein, als die Enkel des Großvaters. „Die Hunde sind die besseren Menschen. Weil sie offen sind, weil sie ehrlich sind. Weil sie Freud und Leid mit den Menschen teilen, das tut nicht jeder Mensch so.“

Die starke Bande zwischen manchem Hund und seinem Herrchen ist durchaus berechtigt: Denn Hunde imitieren unsere Persönlichkeit, so lautet das Ergebnis einer Forschungsarbeit, die österreichische Wissenschaftler kürzlich veröffentlichten. Bedenkt man, dass Hunde seit mehr als 30.000 Jahren mit uns Menschen leben, ist es verständlich, dass sie auf kleinste Verhaltensänderungen ihrer Bezugsperson reagieren. Dies zeigte sich in ähnlichem Verhalten, während bedrohlicher Situationen, ähnlichem Puls sowie Cortisollevel als Indikator für Stress. Ein ängstliches und niedergeschlagenes Herrchen überträgt seine negativen Gefühle demnach auf den Hund. Auf einmal macht es Sinn, dass ein vom Leben enttäuschter, emotional labiler Hundehalter sein Hündchen zum treusten Freund aus erkürt. Es leidet vermutlich als einziger ununterbrochen mit ihm. Wenn ein depressives Herrchen spricht: „Wir waren gestern so traurig.“ So hat das Herrchen nun wissenschaftlichen Rückhalt, um im Plural zu sprechen. Obwohl ich nicht dazu raten würde, es wirkt wirklich eigentümlich. Nur weil sich der Hund mit seinem Herrchen identifiziert, muss dies nicht automatisch vice versa geschehen. Dieses „wir“ ist bereits komisch, wenn es Pärchen, Mütter oder Väter anwenden. „Wir haben gestern unsere Hausaufgaben gemacht.“ Wenn die Worte fallen, bröckelt ein Stückchen der eigenen Identität. So etwas sollte niemand leichtfertig aufs Spiel setzen. Da ist mir der Hundehalter „Typus Jäger“ am liebsten. Er sieht sich eher als Erzieher und feste Bezugsperson, setzt Grenzen, innerhalb derer, der Hund Hund sein darf, inklusive hündischem Verhalten.

© picture-allianceHappy dog! Die Rechnung geht auf, wenn man selbst nicht ganz freudlos durch’s Leben zieht.

Übrigens wer die Persönlichkeit für den „Jäger“ mitbringt, gewissenhaft, gesellig und verträglich, hat gute Chancen von seinem Hund in Stresssituationen aufgefangen zu werden. Denn der souveräne Jäger hält sich eher entspannte und freundliche Hunde, die im Gegenzug, ihrem vom Alltagsstress gepeinigtem Herrchen helfen, schnell wieder zur Ruhe zu kommen. Wie sagte einmal ein Freund und Hundebesitzer zu mir: „Wenn ich spät abends nach Hause komme, ist es das Schönste, wenn mein Hund schwanzwedelnd und freudig auf mich zuläuft. Er stellt nichts in Frage, er beschwert sich nicht, er schenkt mir bedingungslose Liebe.“ Wenn jemand den ganzen Tag auf Dich wartet ohne dabei seine gute Laune zu verlieren, ist das wahrlich die entspannteste Partnerschaft, die ich mir vorstellen kann. Diese Beziehung, in der der Hund auf das Zurückkehren des Herrchens vertraut, nennen Psychologen eine sichere und stabile Bindung. Ähnlich der Mutter-Kind-Bindung ist die Persönlichkeit des erzieherischen Parts entscheidend, damit solch eine starke, vertrauensvolle Bindung entsteht. Viele Studien zeigen, dass kindlicher Stress sowohl durch Unterstützung als auch durch Konflikte einer engen Bezugsperson reguliert wird. Unterstützung kann nicht jedes Herrchen liefern. Je nach Persönlichkeit besitzen diese gewisse oder fehlende Fähigkeiten ihrem Zögling Geborgenheit zu schenken, folglich kann das Tier mehr oder weniger gut mit Stress umgehen. Wer vom Typ her gewissenhaft, verträglich und extrovertiert ist, schafft es besser als diejenigen, die in diesen Eigenschaften weniger punkten. Wer eher neurotisch veranlagt ist, hat ohnehin wenig Vertrauen unterstützt zu werden und agiert eher ängstlich. Das überträgt sich anscheinend auf Hund, wie Kind. Hatte mein Opa recht damit zu sagen, dass immer der Halter schuld ist am hündischen Fehlverhalten?

Mir bestätigen die Ergebnisse, was ich schon immer dachte: „Traue keinem Hund über den Weg, denn du weißt nicht, wie sein Herrchen tickt.“ So sehr ich manch einsamem Zeitgenossen den treuen Begleiter gönne, so sehr geht mir diese unberechenbare Beziehungskiste gegen den Strich. Wenn der Halter gewisse Verhaltensauffälligkeiten mitbringt, nehme ich künftig erst recht Reißaus. Das dürfte dann zwanghaft aggressive, in höchstem Maße unverträgliche Zeitgenossen betreffen, die sich gerne Verstärkung holen, um ihre Labilität zu überspielen. In Freiburg dürfte ich zu meiner Studienzeit mehrfach ein wandelndes Klischee beobachten.

© picture-allianceLieb oder böse? Eine Analyse vom Herrchen oder Frauchen könnte helfen.

Während ich im Café meinen Kaffee schlürfte, bahnte sich ein kompaktes Herrchen-Hunde-Gespann seinen gewohnten Weg mitten durch die Sitzgelegenheiten, um möglichst vielen entspannten Gesichtern ein kurzes, vielleicht sogar ängstliches Zucken zu entlocken. Das unter Strom stehende, aufgepumpte, finster dreinschauende, menschliche Muskelpaket wirkte mit seiner massig gedrungenen Kampfmaschinen-Bulldogge doppelt und dreifach lächerlich furchteinflößend. Seine Unausgeglichenheit übertrug sich auf das Tier, welches im Pirschgang so stark an der Leine zog, dass diese stets unter Hochspannung stand. Nichts war locker an den beiden, die Dogge zog, der Prolet hielt gegen.

Die Beziehung des Herrchens zur Außenwelt findet sich folglich in der Beziehung zwischen Hund und Herrchen wieder. Die eigenen Gefühle lassen sich demnach sehr wohl auf das Tier projizieren. Wer Stress schlecht bewältigt aufgrund seiner Persönlichkeit, hat simpel gesagt, einen gestressten Köter. Und einem chronisch gestressten Tier möchte ich nicht über den Weg laufen. Mal abgesehen davon, dass Herrchen und Frauchen nicht einmal in jedem Bundesland einen Hundeführerschein bestehen müssen, wenn sie ein Tier halten wollen, stellt sich die Frage, ob dieser überhaupt das gewünschte Ziel verfolgt. Schließlich sollte nicht der Gehorsam des Hundes, sondern die Persönlichkeit des Halters im Vordergrund stehen, weil sie die Schwachstelle darstellt. Bis dato bestätigt der Hundeführerschein lediglich, dass der Halter grundlegendes Wissen über Hunde und ihre Haltung hat. Außerdem wird im Rahmen einer Prüfung getestet, ob das Tier gehorsam ist und sozial verträglich. Immerhin bestehen unkontrollierbar aggressive sowie wenig frustrations- und stresstolerante Hunde diesen praktischen Teil nicht. Es wäre also ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, einen Hundeführerschein bundesweit einzuführen, inklusive Persönlichkeitstest für Herrchen oder Frauchen.

Künftig, wenn ich durch den Wald jogge, achte ich vielleicht mehr auf die Körpersprache des Herrchens als auf die des Hundes und schlage, wenn nötig, eine andere Richtung ein. Denn im Gegensatz zur zwischenmenschlichen Beziehung scheint der Hund der Persönlichkeit seines Herrchens restlos ausgeliefert.

27. Apr. 2017
von Henrike Schirmacher
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17. Mrz. 2017
von Henrike Schirmacher
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Notausgang Zoo: Wohin muss die Reise gehen?

© H. SchirmacherKörperspannung bis in die Schwanzflosse: Elegant wie ein Bodenturner gleitet der Orca auf die Waage.

Die Menge kreischt. Die Orcadame Morgan peitscht mit ihrer riesigen Schwanzflosse Wassermassen ins Publikum. Im Stadion gibt es extra ausgewiesene  Sitzplätze, die während der Show von Morgan unter Wasser gesetzt werden. Dort sitzt diesmal nur ein pitschnasser, aber glücklicher Junge. Zu lauter (leider nerviger) Chartmusik springen die Orcas Keiko, Morgan und Adán abwechselnd in die Luft. Applaus! Applaus! Die Show ist dynamisch. Ein wenig albern? Eigentlich nicht. Dafür sind die Orcas viel zu imposant und klug. Trotzdem geht mir die Stimmung, die erzeugt wird, ziemlich schnell auf den Keks. Auf der großen Leinwand werden wie im Fußballstadion Nahaufnahmen vom Publikum gezeigt. Wen interessiert’s? Gebe es die schwarzweißen,  glänzenden Stars in der Manege nicht, würde das Publikum schlicht auf dem Niveau von RTL-Fernsehen unterhalten. Die Tiere wuchten sich seitlich auf den Beckenrand, was im Übrigen recht geschmeidig aussieht, und pinkeln auf Kommando in ein Plastikgefäß.  Schriftzüge wie „Vertrauen“ und „Liebe“ tauchen plötzlich auf der Leinwand auf, um Werbung für die innige Orca-Trainer-Beziehung zu machen. Das muss anscheinend extra unterstrichen werden, damit es jedem Besucher tief ins Bewusstsein dringt. Vermutlich schreibe ich jetzt deswegen diesen Satz: „Die Orcas wirken verspielt und sehr fokussiert auf ihre Trainer.“ Mein bloßes Auge sieht: Sobald die Trainer ins Publikum winken, taucht auch die Winke-Winke-Flosse aus dem Wasser auf. Könnte es gar sein, dass die großen Meeressäuger Spaß an den Stunts haben? Wie Hunde, die Herrchens Stöckchen holen? Oder andere domestizierte Tiere, die sich auf den Menschen einlassen? Selbst wenn. Der empathische Geist, welcher über die Möglichkeiten der Tiere im gigantischen Ozean weiß, wird damit wohl niemals zufrieden sein. Von diesem Fokus auf die Natur macht die Show klugerweise denn auch keinen Gebrauch, obwohl die Tiere im Becken, der Berechtigung halber, als Botschafter ihrer Art tituliert werden. In dieser „Orca Ocean“-Parallelwelt spielt sich das Leben völlig losgelöst von den frei lebenden Artgenossen ab. In „Orca Ocean“ im Loro Parque auf Teneriffa ist es normal Pinkelproben für Laboruntersuchungen abzuliefern und sich mit Schwung auf eine Bühne, die eigentlich eine riesige Waage ist, für die regelmäßige Gewichtskontrolle zu schmeißen. Mensch und Tier scheinen perfekt aufeinander eingespielt. Die Show transportiert dieses Gefühl gut. Die Trainer gehen zärtlich mit den Tieren um. Im Grunde ist es eine große Werbeveranstaltung für die Tierhaltung. Seht her, Orcas im Swimming-Pool sind das Normalste auf der Welt.

© H. SchirmacherBereitwillig wird gepinkelt.

© H. SchirmacherDas Ergebnis kann sich sehen lassen.

Selbst in der Rhetorik blitzt unbeirrtes Selbstbewusstsein auf. Oder ist es doch nur gelernte Selbstverteidigung? Auf die zweifelnde Frage, wie solch ein Tier im 12 Meter tiefen Becken ausgelastet sein könne, wo es im großen Ozean weitaus tiefer taucht, folgt die Antwort, dass die Tiere in der Natur gezwungen werden, weil sie Futter suchen oder Gefahr droht. Für einen kurzen Augenblick klingt das logisch. Denn eine ähnliche Logik erwidert in meinem Kopf: Ich laufe morgens schließlich auch zum nächstgelegenen Bäcker. Der Mensch ist bequem, warum nicht auch das Tier? Kurz darauf verpufft das Argument trotzdem. Denn der Orca ist ein Jäger par excellence. Bilder aus Dokumentarfilmen sind bereits fest verankert.

© H. SchirmacherSchaut her, wir mögen uns.

Wir wissen es alle längst. Die Zootierhaltung ist ein Kompromiss. Und trotzdem mehr denn je ein moralisches Dilemma. Auf der einen Seite will ich Tiere beobachten, aber um Himmels Willen doch keine unglücklichen, auf der anderen Seite ist die Abschaffung der Institution ein Wagnis für das bedrohte Tierreich. Gebe es bis dato keine Zootierhaltung, vermutlich würden wir intensiv darüber nachdenken, einigen Tieren Zufluchtsorte in menschlicher Obhut zu bauen. Deswegen ist der Zoo längst keine überholte Einrichtung, er muss sich nur neu erfinden. Selbst die große Primatenforscherin Jane Godall, die zeitlebens gegen die Haltung von Menschenaffen in Zoologischen Gärten protestierte, gibt mittlerweile klein bei: „Könnte ich wählen, würde ich als Schimpanse lieber in einem modernen Zoo als in der Wildbahn leben. Damit spielt sie auf die widrigen Umstände in freier Wildbahn an: Verlust des Lebensraums durch Abholzung der Regenwälder, Wilderei und illegaler Handel mit Jungtieren erschossener Muttertiere. Der Mensch breitet sich eben aus. Ein weiteres Beispiel zeigt, dass dort draußen nicht Friede, Freude, Eierkuchen herrscht und unser Verhältnis zur Tierhaltung neu überdacht werden muss. Jüngst wurde der in England sehr populäre David Attenborough für seine Naturdokumentation „Planet Earth“ kritisiert. Die Dokumentarreihe auf BBC zeigt gewaltige Naturschauplätze, intakt, wild und paradiesisch. Eine Wohltat für das Zuschauerauge. Die Kritik von Zoologe und BBC-Filmproduzent Martin Hughes-Games lautete, die Wahrheit werde ausgeblendet, weil der Mensch, der längst große Teile dieser Lebenswelten durch Ökotourismus, Menschen gemachten Klimawandel und Siedlungsbau bedrohe, gar keine Rolle spiele. Tierliebhaber, die Tiere pflegen und schützen, sind wichtiger denn je. Zufluchtsorte in denen der Mensch ausnahmsweise in der zweiten Reihe steht, müssen her. Die Galapagos Inseln sind ein perfektes Beispiel. Wer dorthin fährt, tut es wegen der Tiere. Der Zugang kostet viel Geld. Stets begleitet ein erfahrener Führer die Expedition ins Tierreich. Die Artenvielfalt ist grandios.

Aber weil das Verständnis für Tierethik hierzulande wächst, ließe sich ebenso die Frage stellen: „Muss ich mich in meiner Lebenszeit noch dafür verurteilen Fleisch gegessen oder in den Zoo gegangen zu sein?“ Rauchen ist auch nicht mehr „en vogue“. Der gesellschaftliche Wandel kommt schneller als gedacht. Vor rund zehn Jahren wurde noch im Foyer der Universität Freiburg geraucht. Heute ist das undenkbar.

Welchen Zufluchtsort können wir dem Tierreich bieten, mit dem wir langfristig zufrieden sind? Irgendwie müssen wir uns arrangieren. Der Philosoph Richard David Precht schreibt in seinem Buch „Tiere denken“: „Wir brauchen Orte der Versenkung statt des Krachs, eine digitalfreie Zone ohne Bildschirm und Wischbewegung.“ Das erinnert an den Tierfilmer und Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek, der den Menschen inmitten der Betonschluchten der Städte als naturverarmt beschrieb.

© H. SchirmacherWer will, wird komplett nass. Wie im Erlebnispark in der Wasserachterbahn.

Solch ein Zufluchtsort fordert die Besucher auch ganz anders heraus. Hier muss jeder still und geduldig sein, um ein  Tier zu Gesicht zu bekommen, weil es sich überall verstecken kann. Riesige Freiflughallen für Vögel, große Terrarien Landschaften und geräumige Aquarien, ein Naturpark in Norddeutschland, in dem der Wolf seinen Platz in einem riesigen, jedoch umzäunten Waldabschnitt findet. Das Tamtam-Showspektakel in Orca Ocean widerspricht solch einer Zukunftsvision. Doch ein Orca, der unbeteiligt seine Bahnen im leeren Becken zieht, ist wie der Gepard, der einem Wachposten gleich auf- und ab patrouilliert, ein allzu trauriger Anblick. Im Science-Fiction Thriller „Der Schwarm“ von Frank Schätzing löst die Rache der Killerwale gegenüber den Menschen bloße Genugtuung aus.

17. Mrz. 2017
von Henrike Schirmacher
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21. Feb. 2017
von Henrike Schirmacher
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Das Pferd als Spiegel der Seele

Ein Blick ins Klassenzimmer kann Bände über die Beziehungsqualität zwischen Schüler und Lehrer sprechen. Wenn die Jungen dem Lehrpersonal auf der Nase herumtanzen, läuft‘s gehörig schief. So erinnere ich jedenfalls die Schulzeit. Hierzu eine kleine Rückblende: Eine Vertretungseinheit mit einer älteren, weißhaarigen Lehrerin war angekündigt. Ihr eilte ein gewisser Ruf voraus, weswegen wir sie bereits vor ihrer Ankunft nicht sonderlich ernst nahmen. Als sie schließlich die Klasse betrat, und mit kleinen, festen Schritten und gesenktem Kopf zügig an die Tafel trat, um diese von links nach rechts und oben nach unten aufzufüllen, ohne überhaupt mit uns in Kontakt zu treten, wurde ihre Autorität schnell auf die Probe gestellt. Ihren Rücken trafen nunmehr viele, kleine Papierkügelchen, die wir durch leere Stifthülsen pusteten. Im Nu gehörte uns, wie dem 60er Jahre Filmliebling „Pepe, der Paukerschreck“, die Herrschaft über das Klassenzimmer. Im Augenblick des Reflektierens tut mir die alte Dame ganz schön Leid. Damals stoppten wir erst, als diese sich endlich beschwerte. Sie wetterte: „Ihr glaubt doch nicht etwa, dass ich das nicht merke?“, und drohte mit Strafarbeiten. Gut, wir waren in diesem Moment freche Schlingel. Aber zu unserer Verteidigung lässt sich anbringen, sie hatte sich anscheinend nie Gedanken darüber gemacht, wie sie auf uns Schüler wirkte. Denn ihre Körperhaltung und ihr ganzes Auftreten signalisierten „Wer ihr seid ist mir egal. Sprecht mich bloß nicht an.“ Insgeheim wollte sie bestimmt, dass wir brav mitschreiben. Doch wir waren ungnädig. Der Anreiz fehlte. Wie schaffen es respektable Persönlichkeiten zu ihrem Ansehen? Meist hilft es schon, wenn jemand seinen Willen glaubwürdig und respektvoll mit entschlossener Körper- und Geisteshaltung vermittelt. Dann wird stille Hoffnung für das Gegenüber Realität. Auf Anhieb gar nicht so leicht.

Aber keine Bange. Dies lässt sich trainieren. Wer in eine Führungsrolle hineinwachsen will, lernt am besten zu reiten. Denn Pferde spiegeln das menschliche Verhalten und eignen sich daher wunderbar, um sich einmal von außen zu betrachten. Quasi als Ersatz für einen Persönlichkeitstest.

Während eines Besuchs im Reitstall bei der Reittherapeutin Nadja Odendahl aus Wiesbaden lernte ich kürzlich den schwarzen Wallach Gustav und seinen braunen Stallkollegen Carlos kennen. Die Pferde bekommen regelmäßig Besuch von Patienten, darunter kleine, zappelige Kinder oder Erwachsene, die Beratung suchen. „Meine Pferde merken sofort, wenn jemand keinen klaren Willen hat“, erklärt Nadja Odendahl. Die Pferde sind  wie Schüler, sie lassen sich nur führen, wenn sie den Reiter als ranghöher akzeptieren. Geklärt wird der Rang durch die Grundregel „Wer bewegt Wen“. Dafür muss man gar nicht das Alphatier raushängen lassen. Weder Pferd noch Mensch wollen dominiert werden. Ein guter Reiter vermittelt seinem Pferd vielmehr das Gefühl von Sicherheit und kümmert sich darum, dass dieses nicht in Schwierigkeiten gerät. Wie in der Schule. Dort war ich immer besonders motiviert, wenn der Lehrer wusste, was er tut und ich mit einer gerechten Behandlung rechnen konnte.

 

© H. SchirmacherNadja Odendahl hat es geschafft. Gustav ist ihr Freund.

Als ich und die Reittherapeutin Nadja neben Gustav und Carlos in den Reitstall laufen, werden die beiden Tiere von einer jungen Reiterin geführt. Während ich sie beobachte, wird mir wieder bewusst, dass Reiter niemals einen Buckel haben. Sie stolzieren. Ruhig und ausgeglichen mit aufrechter Haltung und durchgängiger Körperspannung. Die Pferde folgen mit klappernden Hufen. Alles wirkt unkompliziert. Kurz vor der Stalltür übertritt die Reiterin wie selbstverständlich die Türschwelle. Eine kritische Situation für nervöse oder unsichere Patienten, die zögerlich handeln. Weil Pferd und Mensch nicht gemeinsam durch die Tür passen, würde das sensible Pferd den als rangniedriger eingestuften, ängstlichen Menschen zur Seite stupsen und vorbeitraben. In diesem Moment weist das Pferd zurecht: „Dir fehlt Willensstärke. Ich gehe lieber vor.“ Und genau in dieser Zurechtweisung liegt unsere Chance, sich weiter zu entwickeln. Die Therapeutin Nadja erklärt: „Alles, was ich reflektieren kann, kann ich ändern.“ Das Pferd leistet erste Hilfe. Ein Pferd als Lehrmeister ist perfekt, denn anders als beim Menschen läuft man nicht Gefahr, sich belehrt zu fühlen. Es gibt schließlich Charaktereigenschaften, die wir lieber verbergen wollen. Das Pferd erkennt Stärken und Schwächen, trotzdem verurteilt es nicht, sondern lässt uns in Ruhe wachsen und gedeihen. Wie ein perfekter bester Freund. Die Arbeit mit dem Pferd eignet sich für  viele Persönlichkeiten, um die eigene Mitte zu finden. Denn ein Choleriker oder Zappelphilipp hat anfangs schlechte Chancen bei Pferden. Als Fluchttier nehmen diese Reißaus, wenn sie sich bedroht fühlen. Auch auf den ungeduldigen Manager, der am Zügel zieht, reagiert das sensible Pferd störrisch, oder tänzelt nervös auf der Stelle. Keine gute Basis für eine vertrauensvolle Partnerschaft.

Der Pferdeflüstere Bernd Hackl, der regelmäßig auf Vox zu sehen ist, erklärte einmal, warum ein Neuankömmling vom Pferd zunächst auf seine Tauglichkeit geprüft werden muss. Die Herdentiere treiben sich von Natur aus gegenseitig und geben dem jeweils anderen Tier den Weg vor. Um dieses feine Zusammenspiel zu sichern, vertreiben die etablierten Tiere das fremde Pferd zunächst von jedem Platz, den es sich aussucht, bis es lernt auf feine Signale der anderen zu reagieren. Wie ein Fischschwarm im Meer. Eine galoppierende Pferdeherde bewegt sich ähnlich geschmeidig. Der Reiter muss also die Richtung vorgeben, um gegenüber dem Pferd territoriale Ansprüche zu erheben.

Wie wäre es mit einer Veränderung im Lehrplan? Wenn ich bedenke, wie häufig Beschwerden aufkommen, dass Lehrer zu wenig auf das, was ihnen im Klassenraum vor lauter Kindern bevorsteht, vorbereitet sind, macht dies Sinn. Eine praktische Prüfung auf dem Reiterhof würde nach meinen neu gewonnen Erkenntnisse, jegliche Qualität der Schüler-Lehrer-Kommunikation verbessern. Nicht nur angehenden Lehrer, auch Kindern täte das gut. Wir brauchen Reitlehrer an unseren Schulen und Universitäten. Schließlich steckt hinter guter Bildung neben interessantem Lehrinhalt, gefühlt zu 50 Prozent menschliche Fähigkeit.

Vor Gustav und Carlos stehend, spüre ich am eigenen Leib, warum ausgerechnet die Arbeit mit einem Pferd, Lehrer gegen respektlose Schüler wappnet. Durch beeindruckende Körpermasse und zugleich faszinierende Statur, fordert das Tier auf natürliche Art und Weise ein würdevolles, achtsames Gegenüber. Automatisch strecke ich mich und achte auf die pferdeeigene Ohrensprache. „Wenn das Pferd seine Ohren nach hinten legt, dann ist es ganz schön böse“, sagt Nadja. Nach vorne heißt: „Ich freu mich.“ Nach oben: „Ich bin aufmerksam.“ Ich hoffe, darauf ist Verlass. Zur Sicherheit strecke ich Gustav als freundschaftliche Geste einen Apfel hin.

21. Feb. 2017
von Henrike Schirmacher
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