Der Platz für Tiere

Das schönste Pferd in Mittelerde

Für Pferdeliebhaber muss es eine der schönsten Szenen des dreiteiligen Kino-Epos „Der Herr der Ringe“ sein: Während der Magier Gandalf auf einer Anhöhe steht und pfeift, galoppiert von weiter Ferne sein Schimmel „Shadofax“ („Schattenfell“) heran. Wunderschön und anmutig. Allein durch seine Fellfarbe symbolisiert der Hengst filmreife Eleganz.

Hätte der Mensch sich die Vierbeiner nicht Untertan gemacht, würde es den hübschen Schimmel vermutlich nicht geben. Denn im Laufe der Domestikation von Wildpferden, die vor rund 5.000 Jahren, in der Eurasischen Steppe (im heutigen Kasachstan und der Ukraine) begann, entstand zunächst durch zufällige Kreuzungen und später im Römischen Reich durch gezielten Austausch bestimmter Phänotypen eine unglaubliche Farbvielfalt. Während das falbfarbene Wildpferd noch bestens mit der Steppenlandschaft verschmolz, dafür aber eine eher fade Ausstrahlung besaß, stechen die heutigen Grundfärbungen besonders hervor: Vom tiefschwarz bis bläulich schimmernden Rappen, über den schlichten Braunen und rostroten Fuchs, bis hin zum gräulich bis schneeweiß glänzenden Schimmel oder der goldgelb gefärbten Isabelle mit silberner Mähne (Fotos: links nach rechts und oben nach unten). Der grobflächig weiß gezeichnete Schecke kann allerdings zuweilen irritieren, denn manchmal erinnert sein Fell an den verwaschenen Pelz des Straßenköters oder an das schwarz-weiße Muster einer Milchkuh.

Fotos: Picture-Alliance
 

 

    

Vor langer Zeit galt der Schecke dennoch als Augenweide. Gefleckte und helle Pferde waren zu Beginn der Domestikation, während der Bronze- (2.700 – 900 v. Chr.) und der Eisenzeit (900 v. Chr. – 400 n. Chr.) vielfach als Reittier anzutreffen.

Um die Geschichte der Pferdezüchtung zu untersuchen, analysierten Wissenschaftler vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung mehr als 200 Proben historischen Pferde-Erbguts. Sie entdeckten dabei insgesamt 14 verschiedene Fellfarbtypen, wie sie in einer Veröffentlichung in der Fachzeitschrift Scientific Reports zeigen. Frühe Züchtungen zeigten sechs Farbvarianten, von denen drei bereits in der Zeit vor der Domestikation vorkamen. Während der Bronze- und der Eisenzeit stieg die Zahl der Farbvarianten von sechs auf neun an, was den Wunsch der Menschen nach neuen Farbmustern zu verdeutlichen scheint.

Das Auf und Ab des Schimmelreiter

Noch zu Beginn des Mittelalters hielt die Vorliebe für Schimmel und Schecke an. Denn die Präferenz für eine gewisse Fellfärbung war damals eng an religiöse Symbolik geknüpft, argumentieren die Wissenschaftler. Die Forscher erklären dies mit der überlieferten Darstellung der „Offenbarung des Johannes“ aus dem Neuen Testament (81 bis 96 n. Chr.).

© Picture-AllianceDie apokalyptischen Reiter: Siegessicher wähnte sich, wer auf Schimmel oder Schecke saß.

Das Kunstwerk zeigt vier unterschiedlich gefärbte Pferde für die vier apokalyptischen Reiter. Der Reiter des Sieges sitzt entweder auf einem weißen oder scheckigen Pferd, einen Rappen reitet hingegen der Reiter der Hungersnot, der Tod kam auf einem Braunen daher, während der Kriegsritter auf einem Fuchs thronte. In altertümlichen Gemälden sitzt das Adelsgeschlecht daher siegesgewiss auf weißen oder scheckigen Pferden.

Doch die Vorliebe für Schimmel und Schecke nahm bald darauf ab. Die Schmähung dieser Fellfarbe begann mit den Seuchenzügen. Als die Pest ihr Unwesen trieb, änderten die Menschen den Symbolismus in der Johannes-Offenbarung: Der Schimmelreiter war nun nicht mehr siegesgewiss, sondern er war Überbringer von Krankheiten und schlimmen Seuchen. Niemand wollte damit in Verbindung gebracht werden. Die Wissenschaftler suchten im Pferde-Erbgut, das aus dieser Epoche zur Verfügung steht, vergeblich nach Schimmeln oder Schecken. Im Spätmittelalter dominierte der einfarbige Fuchs.

© Picture-AllianceAuch Napoleon ritt gerne auf einem Schimmel.

Hinzukam, dass die hellen Tiere verglichen mit dunkler gefärbten Artgenossen vermutlich eine bessere Zielscheibe darstellten. Mit dem Aufkommen des Langbogen, der als Kriegswaffe in spätmittelalterlichen Schlachten eingesetzt wurde, wäre dies ein sicheres Todesurteil gewesen.

Demnach wählte der Reiter schon damals ein Roß, das ihn optisch ansprach. Sei es religiöse Symbolik, die ihn anspornte oder der pure Überlebenswille, Wissenschaftler schließen daraus, dass die Verbreitung einer beliebten Fellfarbe aktiv vorangetrieben wurde. Somit entwickelte sich der Farbcode unabhängig von der Pferderasse. Ein Schimmel kann heute in jeder Rasse zur Welt kommen.

In die Neuzeit konnte das Schimmel-Gen übrigens nur gerettet werden, weil es genügend Wildpferde als Träger gab. Durch Einkreuzung bereichert das Gen nun wieder den Genpool der domestizierten Tiere.

Obwohl Schattenfell mittlerweile verstorben ist, sind seine spanischen Artgenossen als beliebte Showpferde mit wallender Mähne stets gefragt.

Dies zeigt wie sich wandelnde Vorlieben im Zeitverlauf auf die genetische Diversität auswirken können. Spezielle Vorlieben bergen auch die Gefahr der Verarmung anderer Merkmale, besonders dann wenn auf keine entsprechende Widltierart mehr zurückgegriffen werden kann. Heute gibt es nur noch eine geschützte Unterart der Wildpferde: Die Population des Przewalski-Pferdes muss heute in Zoologischen Gärten am Leben erhalten werden. Als Retter in der Not kommt das Wildpferd also nicht mehr in Frage.

Für den Genpool der heutigen Haustierrassen ist das langfristig schlecht, sagen Wissenschaftler am Leibniz-Institut. Denn Modehengste, deren tiefgefrorener Samen sich größter Nachfrage erfreut, engen die Blutlinie ein. Zwar kann das Fohlen mit solch einem berühmten Vater teuer verkauft werden, aber die genetische Vielfalt versiegt nach und nach.

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