Ich stehe vor der schweren Holztür eines Einfamilienhauses und drücke auf den Klingelknopf, um der Freundin meiner Mutter ein geliehenes Buch zurückzugeben. Sobald die Klingel ertönt, höre ich, wie im Haus ein Hund anfängt zu bellen. Als die Freundin die Tür öffnet, schwingt sich schwanzwedelnd ein vor Freude sabbernder Berner Sennenhund auf mich zu. Anders als es bei einer ersten Begegnung etwa mit Pferden üblich ist, haben wir uns gar nicht bekannt gemacht. Im nächsten Moment hängt jedoch schon sein Speichel an meiner nun frisch duftenden schwarzen Jeans. Berührungsängste hat das Tier keine.

Ob unsereins diese überschwängliche Begrüßung nun befremdlich oder liebenswert findet, wird wohl kaum etwas an dieser aufdringlichen Umgangsform des Hundes ändern. Die zuweilen „hypersoziale“ Art der meisten Rassen ist genetisch festgelegt. Amerikanische Wissenschaftler haben ihre Forschungsergebnisse kürzlich im Fachmagazin „Science Advances“ veröffentlicht. Natürlicher Drang zur Nähe unterscheidet den domestizierten Hund von seiner Wildform, dem „bösen“ Wolf. Selbst wenn ein Mensch dem Hund mit größtem Desinteresse gegenübertritt, erzwingt dieser zumindest ein Tätscheln, weil er einem nicht von der Seite weicht oder ständig mit seiner feuchten Schnauze stupst. Irgendwie ist das natürlich herzallerliebst. Schließlich sind offene Umgangsformen etwas Schönes.
In ihrer Arbeit verglichen die Forscher das Erbgut von Hund und Wolf. Im Erbgut der untersuchten Hunde ist eine Genregion verändert, die offenbar eine entscheidende Rolle für das Sozialverhalten spielt: Die gleiche Genregion löst beim Menschen eines durch übertriebene Anhänglichkeit und kindliches Verhalten gekennzeichnetes Verhalten aus. Die Störung ist bekannt als Williams-Beuren-Syndrom (WBS).
Die Hypothese der Wissenschaftler lautet: Unsere Vorfahren suchten gezielt Hunde, die dem Menschen gegenüber besonders hörig und freundlich waren. Das Verhalten von vorpubertären Kindern stand für Hundehalter also hoch im Kurs. Bis ins Erwachsenenalter steckt demnach das kleine Kind im Hund. Für den Prozess der Domestizierung vom wilden Wolf zum zahmen Hündchen war der Grundstein gelegt. Mit der Geburt des Schoßhündchens hat diese Entwicklung wohl ihren Zenit erreicht. Möpse passen auch ganz gut ins Raster. Unglaublich anhänglich, entfernen sie sich nie weit von ihrem Herrchen oder Frauchen. Sogar im Antlitz mit verkürzter Schnauze und großen treuherzigen Augen blitzt das Kindchenschema eines pausbäckigen Menschenbabys durch.

Schon frühere Studien zeigen, dass die soziale Ader der Hunde sich in einer Art Abhängigkeit gegenüber ihren Herrchen und Frauchen manifestiert. Verglichen Wissenschaftler das Verhalten von Haushunden und an den Menschen gewöhnter Wölfe, offenbarte sich folgendes: Wölfe sind ausdauernde und gute Problemlöser, während Hunde schon nach kurzer Zeit die Lust verlieren und sich hilfesuchend an den Menschen wenden. Sie suchen gezielt den Blick und die Gesellschaft von Menschen, sogar von fremden Menschen.

Als Gelegenheitsjoggerin kann ich ein Lied davon singen. Gedankenversunken trabe ich durch den Wald, schon kommt ein leinenloser Hund mit wehendem Fell auf mich zugerannt und hängt mir an den Fersen. „Der will nur spielen“, ertönt es mir beschwichtigend entgegen. Mir fehlen die Worte. Eine gewisse Portion Argwohn gegenüber Hunden wie auch Menschen darf man sich ruhig bewahren, wie ich finde. Und sei es nur, um das Tier oder den Menschen, der einem unsympathisch ist, auf Abstand zu halten.
Menschen, die mit Williams-Beuren-Syndrom auf die Welt kommen, behandeln Fremde häufig wie Freunde. Der Grund dafür ist offenbar eine Entwicklungsverzögerung, die kindliches Verhalten bis ins Erwachsenenalter aufrecht hält. Die Entwicklung von Hunden ist verglichen mit Wölfen ebenso verzögert.
Die Dinge, die das Leben eines Erwachsenen mit WBS in unserer Gesellschaft vermutlich erschweren, scheinen Hunde im Umgang mit uns Menschen erst so erfolgreich zu machen. Hunde werden selbst im Erwachsenenalter nicht „flügge“, oftmals wird die Bindung zu ihren Herrchen sogar intensiver. Für einen Wolf gilt dieser Trend jedenfalls nicht. Unvorstellbar, dass ein Wolf einen Frisbee fängt oder gar ein Stöckchen holt.

Wölfe sind mystische Wesen. Niemand weiß, wo sie sich gerade aufhalten. Lediglich Pfoten im Schnee oder ein gerissenes Weidetier zeigen die Wolfsfährte. Märchen wie „Rotkäppchen und der Wolf“ oder „Der Wolf und die sieben Geißlein“ haben unser Bild vom „bösen“ Wolf geprägt. Mein Opa hat es verstanden, diesen sich um den „bösen“ Wolf rankenden Mythos während endloser Spaziergänge um einen Moorsee in der niedersächsischen Heide geschickt einzusetzen, um uns Kinder bei Laune zu halten: „Schaut, dort im dichten Gehölz verstecken sich die Wölfe.“ Fortan war uns Kleinen immer ein wenig unheimlich, wenn wir an dichtem Nadelwald vorbei spazieren gingen. Ich glaube zwar, wir wussten, dass es dort gar keine Wölfe gab. Dennoch, die Phantasie war geweckt und machte Spaziergänge mit den Großeltern unvergesslich aufregend.
Ob mein Opa damals wohl ahnte, dass heutzutage im dichten Gehölz tatsächlich wieder ein Wolf umherstreifen könnte? Ich denke, er würde sich freuen, weil es zeigt, die Wildnis lässt sich nicht besiegen. Tatsächlich ist der Streit über die Wiederansiedlung von Wölfen in Mitteleuropa aber bereits voll entbrannt.
Noch breitet sich der Wolf überwiegend dort aus, wo der Mensch das Feld geräumt hat. Ich denke aber an australische Dingos, die in Rudeln kaum Scheu gegenüber Menschen haben. Sie plündern Zeltlager, greifen einzelne Personen an und töten sogar Kleinkinder. Würde der Wolf in unseren Wäldern in wenigen Jahren eine solche Rolle einnehmen, wäre es um sein geheimnisvolles Charisma geschehen. Er würde nur noch verfolgt, seine zurzeit noch gewünschte Ausbreitung gestoppt. In Niedersachsen ist es schon so weit, dass der Landwirt und Präsident der Landesjägerschaft, Helmut Dammann-Tamke, seine Stimme gegen den Wolf erhebt. Dammann-Tamke will die tierischen Einwanderer, der Tageszeitung „Osterholzer Kreisblatt“ zufolge, konditionieren. Gegen Rudel, die sich erwiesenermaßen verstärkt Siedlungen nähern oder durch wiederholte Nutztierrisse auffallen, will er äußerst streng vorgehen: Ein Jungtier soll aus dem Rudel entfernt und getötet werden. Wölfe sollen merken, dass Menschen nichts Gutes bedeuten. Dammann-Tamke schildert den ihm vorschwebenden Idealfall: „Wenn ein Wolf auf einen Menschen trifft, muss er die Rute einklemmen und Reißaus nehmen.“
Um die Wiederansiedlung von Wölfen zu einem Erfolg werden zu lassen, ist also „Wildtiermanagment“ gefragt. Die veränderten Verhältnisse in unseren Wäldern könnten also durchaus Arbeit und neue Stellen schaffen. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, da bekamen Forststudenten schon in den ersten Vorlesungen, die sie besuchten, von ihren Professoren gesagt, sie fänden später wohl keinen Job. Forstämter könnten heutzutage sogar aufrüsten mit Anstellungen für Wildtiermanager. Warum soll es den in unsere Wälder zurückkehrenden Wölfen schlechter gehen als unseren Hunden, für die uns nichts zu teuer ist.
Na, dann wildtier-managt mal schön!
Soso, Frau Schirmacher, Sie glauben „[Die Dingos] plündern Zeltlager, greifen einzelne Personen an und töten sogar Kleinkinder. Würde der Wolf in unseren Wäldern in wenigen Jahren eine solche Rolle einnehmen, wäre es um sein geheimnisvolles Charisma geschehen.“? Wieso „würde“? Er wird – verlassen Sie sich drauf. Mehr Wolf im gleichen Land bei gleichviel Menschen = mehr Begegnungen von Mensch und Wolf. Und damit unausweichlich mehr Begegnungen der schlagzeilenträchtigen Art, da können Sie wildtier-managen soviel Sie wollen. Wildnis mit großen Beutegreifern (Raubtier darf der degenerierte – „verhausschweinte“ lt. Konrad Lorenz – deutsche Städter ja schon gar nicht mehr sagen…), Wildnis also im angenäherten Urzustand, ist nun mal weder Disneyland noch Abenteuerspielplatz.
Herr Schimetschka hat es gut getroffen!
Ich halte es für eine zivilisierte Errungenschaft ohne „Flinte“ durch den Wald gehen zu können. Wenn ich partout mit Wölfen in Berührung kommen will, reise ich nach Polen oder Russland. Natürlich ist auch der Wolf nicht der so oft apostrophierte „Einsame“! Erst mal heimisch wird er sein Rudel aufbauen und im Sinn wölfischer Gruppendynamik „frech“ werden. Erst wenn der Säugling einer grünen Abgeordneten real bedroht ist, wird auch bei denen die Lage kippen! Menschenschutz geht vor Naturschutz!
Wildschweine
Natürlich ist Natur kein Disneyland und gewisse „Restrisiken“ lassen sich nicht völlig ausschließen. Aber andererseits frage ich mich auch, ob diejenigen, die besorgt sind nur noch mit Flinte in den Wald gehen zu können, wenn es da Wölfe gibt, noch ohne Flinte in den Wald gehen, wenn es da Wildschweine gibt. Die sind nämlich nicht unbedingt weniger gefährlich und nach wie vor deutlich zahlreicher.
Die Dummheit der heutigen Zeit
Das größte und auch als einzelnes Tier gefährlichste Raubtier in Deutschland war zweifellos der Braunbär, der einen Menschen mit einem Prankenhieb oder Biss töten kann. Trotzdem hatten die Altvorderen viel mehr Angst vor Wölfen, welche die Rolle des Bösen zugeschußtert bekamen. Früher entfernten sich Menschen auch selten alleine und ohne Waffen von ihren Siedlungen. Wer sich die Ergebnisse von Hundeangriffen anschaut, die wesentlich kleiner als ein ausgewachsener Wolf sind, kann sich selbst ausmalen, was bei einem Angriff durch ein Rudel passieren kann. Es ist schon reichlich absurd auf der einen Seite völlig unbedarft die Natur für Freizeitaktivitäten zu nutzen und andererseits meinen zu können, solche Wildtiere erziehen zu können. Nebenbei: Schon die Mischlinge zwischen Wolf und Hund lassen sich kaum erziehen, wie soll das dann bei einem frei interagierenden Wolfrudel passieren? Woanders sind die Menschen in Regionen mit Wölfen bewaffnet.
Mischlinge
Sie haben natürlich recht, ein Wildtier ist sicherlich kein Schoßhund, aber Wolfsmischlinge sind an dieser Stelle nicht unbedingt ein guter Vergleich, da sie – insbesondere von Menschen aufgezogen – nicht die selbe Scheu vor Menschen haben, wie Wildtiere. Genau diese Scheu, oder Angst soll aber, wenn ich den Artikel richtig verstanden habe, durch Konditionierung verstärkt werden.
Kampfhunde sind das Problem!
Man sollte die wahren Gefahren sehen! Das sind nicht vereinzelte Wölfe – eine große Dichte wird schon alleine der Fahrzeugverkehr verhindern! In den letzten zwei Monaten starben zwei Menschen in der BRD durch Kampfhunde! Im gleichen Zeitraum sind keine menschen zu Schaden gekommen durch Wölfe – weder in der BRD, noch in Italien noch in Polen noch in der Ukraine.
Und ein Rückschluss auf das Mittelalter ist nicht zulässig: damals waren die Menschen ausgemergelt und der Wildbestand war fast ausgerottet. Da ist klar, wenn der Bauer seine Kinder in den Wald schickte um das Waldweidevieh zu hüten oder Beeren und Pilze zu sammen Kollateralschäden vor kamen. Aber auch extrem selten und durch die Überlieferung auf einen Ort kumuliert – wie heute mit dem Sensationsnachrichten: wenn in New York etwas passiert wird es uns berichtet, als ob es neben an war!
Das Zusammenleben verschiedener Arten ist auch immer eine Platzfrage
Und tatsächlich ist auch der Mensch den „Arten“ zuzurechnen. Wenn man also Wölfe in Deutschland wieder „ansiedeln“ will, dann sollte bedacht werden, dass auch diese Art einen erheblichen Platzbedarf hat. Eine Voraussetzung für Vielfalt ist ganz besonders, dass die Menschen dann wieder Raum freigeben müssten, d.h. dass die Bevölkerungsdichte wieder abnehmen müsste. Wie das gehen soll, wenn man einerseits Kindersegen wünscht und andererseits eine maßlosen Zuwanderung das Wort redet, hat mir noch niemand erklären können. Die Gesellschaft muss wissen was sie will: Alles kann man nicht haben, Einschränkungen ergeben sich immer aus Zahlen und Mengen. Das Zusammenleben vieler Arten wäre gut möglich, wenn die Bedürfnisse jeder Art bedacht würden. Und wenn eine Art durch Maßlosigkeit auffällt, dann nimmt sie anderen Arten möglicherweise den Lebensraum.
Wolfs-Romantik
Gewiss, als naturverbundener Städter, der es verlernt hat Risiken in der Natur (und sonstwo) richtig einzuschätzen, mag die Wiederkehr des Wolfes eine tolle Sache sein. Nach dem Motto: der Wolf gehört zu Deutschland. Hätten wir Ratten ausgerottet, würde man sich wahrscheinlich weniger darüber freuen – Konsequenz darf man hier nicht erwarten. Aber natürlich ist es toll, sich in der Altbauwohnung in der Stadtmitte über die Bilder dieses schönen Tieres zu freuen, solange die Landbevölkerung sich mit den daraus resultierenden Probleme rumschlagen muss.
Dingos
sind zwar Wolfsnachkommen, aber im selben Sinne wie jeder Haushund. Daß sie nach der Domstizierung wieder auf Teile ihres Wildtierverhaltens zurückgreifen mußten, um zu überleben, heißt nicht, daß der Wolf sich verhält wie ein Dingo. Dingos haben bei der Domestizierung ihr Distanzverhalten zum Menschen verloren, was bei Wölfen nicht der Fall ist. Und es ist natürlich kontraproduktiv, wenn etwa auf Truppenübungsplätzen Wolfswelpen sich daran gewöhnen, von Soldaten einen Happen abbekommen zu können – so zieht man sich Problemtiere heran!
Möpse
sind inzwischen ein Paradebeispiel für eine Qualzucht, da die extrem verkürzte Schnauzenregion nicht nur für Glubschaugen (die schon einmal aus dem Kopf fallen können), sondern auch für massive Atemprobleme in Nase und Rachen sorgt. Wer unbedingt einen Mops haben will, sollte sich einen Retro-Mops zulegen, bei dem versucht wird, die beschriebenen Probleme durch eine wieder deutlich sichtbare Nase zu verhindern, ohne dem Charakter des Mopses zu schaden.
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Guter Artikel. Danke! Idealfall wäre wenn Dammann-Tamke die Rute einklemmt und verduftet wenn er einem richtigen Menschen begegnet. Was für eine Überheblichkeit bei jemanden der nicht 48 Stunden alleine im Wald überleben könnte.
Es gibt genug Platz Für Wölfe in Deutschland.
Die gegen die Ausbreitung von Wölfen vorgetragene Argumentation, daß von Wölfen oder gar ganzen Rudeln eine erhebliche Gefahr für Menschen ausgehe, ist nur ein Vorwand um die baldige Aufnahme der Jagd zu begründen. Deutsche Urlauber gehen in Europa, etwa Italien, ohne panische Angst und schwere Bewaffnung zu tausenden in Regionen wandern, wo neben Wölfen selbst Bären noch heimisch sind. Von schlecht gehaltenen Hunden gehen weit ernstere Gefahren für Menschen aus. Den nicht auszuschließenden Verlusten an Weidetieren kann mit staatlichen Entschädigungen, Versicherungen und Vorbeugemaßnahmen begegnet werden. Rehe und Wildschweine gelten wohl nicht mehr als Natur, sondern als Nutztiere in Freilandhaltung, doch selbst für diese potentiellen Jagdtrophäen wird der Straßenverkehr noch lange die größere Bedrohung relativ zum Wolf darstellen. Die Ablehnung der Ansiedlung von Luchsen, die für Menschen definitv keine Gefahr darstellen, kann als Beleg für die Vorurteile gegenüber Wildtieren gesehen werden.
Excellent - wenig ein intelligenter Mensch hier!
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Leute - lasst die Kirche im Dorf!
Durch Hunde werden immer, mehr Menschen getötet als je durch den Wolf.
Durch „Mantafahrer“ – oder heute AMG, TT oder RS werden noch viel mehr Menschen getötet.
Durch Primitivos mit künstlich lauten Auspüffen am Pw oder Krad sterben jedes Jahr über 4000 Menschen!
Also last mal die Unzufriedenheit mit euch selbst nicht an diesem harmlosen Tier aus!! Es gibt seit 20 Jahren wieder Wolfe in der DDR – passiert ist seit dem noch nichts – q.e.d.!!!