Wie eine Primaballerina tänzelt Bella Rose über die Reitbahn. Mit eingeflochtener Mähne, poliertem Fell und beschwingtem Gang vollführt die westfälische Fuchsstute pflichtbewusst ihre Kür. Hoch zu Ross sitzt vornehm zurückhaltend und kerzengerade die zurzeit beste Dressurreiterin der Welt: Isabell Werth. Konzentriert verfolge ich am Bildschirm die Kunststückchen, die Bella Rose bei den diesjährigen Weltreiterspielen in den USA zeigt. Die dressierte Stute „tanzt“, lerne ich als Laie aus den fachkundigen Anmerkungen der Reporterin – Piaffen, Trab-Traversalen und Galopp-Pirouetten.
Erst eine irritierende Nahaufnahme des Kopfes von Bella Rose mit tief herunterhängenden Sabberfäden holt mich zurück in die Wirklichkeit. Unterdessen berichtet die Kommentatorin unbeirrt weiter über die Eleganz des Pferdes, spart aber auch nicht mit leiser Kritik. Bella Rose sei noch zu „übereifrig“, ihr fehle „Prüfungsroutine“. Das zunächst ernüchternde Zwischenzeugnis der Reporterin: Die Stute agiere „angestrengt, zumindest phasenweise“. Das finale Gesamturteil fällt aber dann erwartungsgemäß brillant aus. Bella Rose trabe „mit einer Elastizität, einer Selbstverständlichkeit und starkem Ausdruck“. Warum die Sprecherin sich unentwegt über das Pferd auslässt, leuchtet mir in diesem Moment ein: Während sich das Tier im schweißtreibenden schnellen Wechsel von Schritt-, Trab- und Galopp-Passagen, mal seitwärts und vorwärts und im Kreis bewegt, macht die Reiterin im Sattel geradezu stoisch permanent dieselbe Figur.

Weitaus rebellischer als in der Dressur oder beim Springreiten geht es an ganz anderer, nicht so prominenter Stelle im Kosmos des Reitens zu, ohne Gerte und schwarze Reiterstiefel. Wer freilich kein ausgewiesener Pferdenarr ist, bekommt vom so genannten Westernreiten kaum etwas mit. Der Reitstil der Cowboys ist weder olympische Disziplin, noch genießt er sonderlich hohes Ansehen unter Kollegen der klassischen Kür. Auch ich bringe lediglich den Vorspann zur US-amerikanischen Westernserie „Bonanza“ damit in Verbindung. Die Wiederholungen des in den 1960ern gedrehten Vorabendprogramms liefen, als ich klein war, bei meinen Großeltern über die Mattscheibe. Markant ins Gedächtnis eingebrannt hat sich mir allerdings mehr die Titelmusik als die im Western-Style wild und freizügig gerittenen Pferde. Nun denn, eine genauere Recherche zeigt: Landauf, landab treten Cowboys und -girls regelmäßig gegeneinander an, beispielsweise zur hessischen Landesmeisterschaft auf der Freestyle Ranch in Erbach. Dort hängen meist Westerngirls, je nach Talent mehr oder weniger lässig, im Sattel und halten nur eine Hand locker am Zügel. Mit der anderen ließe sich rein theoretisch noch ein Lasso schwingen.


Die Turnierteilnehmer unterliegen wie ihre Kollegen in den klassischen Reitsportarten einem Dress Code. Doch ist dieser weniger streng und züchtig als in der von englischer Etikette geprägten Dressur. Angesagt sind hier eher grobe Westernboots, Cowboyhüte, fransige Leder-Chinks – das sind bis knapp unters Knie reichende gesäßfreie Beinkleider, und – wie ich finde – geschmacklose, paillettenbesetzte Gürtel mit glitzernder Schnalle. Ich verfolge die Choreographie von Pferd und Reiterin in der Disziplin „Reining“, einer Art Dressur der Westernreiter. Am meisten beeindruckt mich der „Sliding Stop“ in der Kür. Im Galopp bremst das Pferd abrupt mit den Hinterbeinen und kommt leicht aufgebäumt fast sitzend zum Stillstand. Das sieht brutal aus. Aber die Western-Pferde wirken kompakter, eher wie rechteckige Ackergäule. Die Reiter, zumindest würde ich als mit der Disziplin nicht so vertrauter Beobachter das so beschreiben, wippen rhythmisch im Takt. Ich stelle mir die hochbegabte, anbetungswürdige Bella Rose, die feingliedrig wie ein Topmodel in einer Art Schwebezustand durch das Viereck tanzt, vor. Sie würde sich beim Sliding Stop vermutlich die Haxen brechen. Was mit Isabell Werth passieren würde, weiß ich nicht. Vermutlich fühlt sich für die weltbeste Dressurreiterin jede Disziplin auf dem Rücken ihres Lieblingspferdes, das nach ihren Worten „nur das Beste aller ihrer bisherigen Pferde bündelt“, wie ein Heimspiel an.

Wieviel Mühe muss jemand, der solche Spitzenpferde im Kader hat, eigentlich noch in die Ausbildung der Tiere investieren? Spätestens seit Berichten zu vermeintlich tierschutzwidrigen Trainingsmethoden wie der Rollkur, die der berühmte Dressurhengst Totilas vor einigen Jahren angeblich über sich ergehen lassen musste, ist die Ausbildung der Pferde im Spitzensport ein Thema, das die Gemüter erhitzt. Folglich ist Isabell Werth nach ihrem Sieg bei den Weltreiterspielen auch ein gerne geladener Gast in Talkrunden, kürzlich bei Markus Lanz. In der illustren Runde scherzt der Moderator: „Die Pferde, die ich kenne, laufen anders.“ „Die Ausbildung eines Pferdes ist wie Kindererziehung. Das braucht Zeit.“, erwidert die Dressurreiterin harmlos. Etwas unverblümter formuliert, Zuckerbrot und Peitsche, denke ich. Mir wird sofort klar, was der Moderator im Schilde führt. Er will der Reiterin martialischere Formulierungen wie „Gerte“ und „Druck machen“ entlocken, die schon wenig später auch von Werth benutzt werden. Welches Pferd würde schon freiwillig seitwärts im Viereck traben oder galoppieren? Die Quittung bekommt Isabell Werth nach der Sendung via Twitter hinterhergerufen. „Ich kann diese Pferdesportler nicht ab“, entrüstet sich einer. Diese sollten doch „mal selber so tanzen und über Holzstangen hüpfen“. Ein anderer bekommt „das Kotzen“, wenn er Werth erzählen hört wie sie die Gerte einsetzt, um dem Pferd Beine zu machen.
Ich werde nicht so ganz schlau aus der Sache. Aber der Verdacht, dass in diesem so streng reglementierten und auf Formen achtenden Sport keinerlei aufmüpfiges Verhalten des Pferdes geduldet wird, liegt auf der Hand. Wie um ihre Seele reinzuwaschen, ordnet denn auch die weltbeste Dressurreiterin in ihren Antworten, ähnlich, wie es Besitzer von Haustieren gerne tun, ihren Pferden menschliche Wesenszüge zu, die ihre innige Beziehung zu den Tieren unterstreichen sollen. Sie erzählt vom „neidischen“ Pferd, das ihr mit wütenden Hufhieben gegen die Tür signalisiert, komm rüber zu mir und steh nicht so lange an der anderen Box. Sie berichtet von Verzweiflungstaten, die sie begehen würde, sofern diese die Lösung für Probleme mit einem Pferd lieferten. Sie würde am Ende gar nackig nachts um den Kirchturm laufen.
Jede Extremsportart hat ihre Tücken. Ein kaum überwindbarer Konflikt, mit dem sich auch die Reitsport-Gemeinde wohl oder übel immer wieder wird auseinandersetzen müssen. Nur beim Westernreiten in Erbach scheint die Welt noch in Ordnung. Dort bleiben die Pferdenarren unter sich.
Dass ich nicht lache...
Offensichtlich ist die Autorin wenig sachkundig – warum sie dann allerdings einen Text zu dieser Thematik verfassen muss, entzieht sich meines Verständnisses…Das absolute Gros der Reiterschaft (zu der im Übrigen auch ich gehöre) hat als Ziel die Harmonie im Reiten, den gemeinsamen Tanz mit dem Lebewesen und die schönen Momente des Teamgefühls zw. Pferd und Reiter. Wir Reiter kümmern uns hingebungsvoll um unsere Tiere, deren Wohl uns absolut am Herzen liegt. Es tut weh, immer wieder von Menschen, die absolut keine Ahnung davon haben, als Tierquäler hingestellt zu werden.
Und im Übrigen: absolut lächerlich ist der Gedanke, dass die Westernreiter harmonischer und natürlicher mit ihren Tieren umgehen. Gerade in diesem Sport zählt der absolute Gehorsam und die Lektionen, die geritten werden (abrupte Stops und Wendungen aus vollem Tempo) sind für die Anatomie der Pferde nicht unbedingt gesundheitsförderlich! Die klassische Dressur dient der Gymnastizierung und Gesunderhaltung
Dass ich nicht noch mehr lache…
Wer 600 Kilo schwere Herdentiere 23 Stunden am Tag in Einzelhaft steckt, kann wohl kaum behaupten, dass es ihm ums Wohl der Tiere geht, denn eher um sein eigenes.
So ehrlich sollte man als Reiter schon zu sich sein.
Ja, manche Pferde haben Paddocks oder dürfen in den Sommermonaten zeitweise auf die Koppel. Aber von artgerechter Tierhaltung ist das so weit entfernt, wie die Sonne zum schwarzen Loch unserer Galaxie.
Sehr laienhaft ...
…ist der Artikel geschrieben und zeigt, was viele Laien über den Reitsport denken. Eine Gegendarstellung aus Fachkreisen wäre wünschenswert.
Die Frage der Überschrift bleibt unbeantwortet
Viel mehr noch wird die Kritik am Hochleistungssport Reiten gar nicht näher beleuchtet. Blog hin oder her, hier hätte ich mir mehr erwartet, als nur ein Zuschauerbericht von der Übertragung der WM bzw. den unscharfen Fotos vom ländlichen Turnier.
Im übrigen lassen sich diese beiden Events in keinster Weise vergleichen und das liegt nicht an der Reitweise. Auch auf ländlichen Dressurturnieren (die ja auch durchaus bis in die schwere Klasse gehen) werden Sie schönere Bilder sehen als im Profi-Sport und umgekehrt werden Sie beim Westernreiten der Profi-Liga genauso verstörende und kritisch beäugte Trainingsmethoden sehen wie im Dressursport. Westernreiten ist tatsächlich nicht olympisch, war dafür aber durchaus in Tyron vertreten. Die Zeit hätte man sich für die Recherche noch nehmen können.
PS: Anky van Grunsven – niederländisches Pendant zu Werth – reitet übrigens erfolgreich Dressur und Reining. Beides mit verachtenswerten Methoden.
Wenig Ahnung?
Zunächst einmal ja: Ein Pferd muss gehorsam sein, denn es sind 600kg Lebendgewicht, die unkontrolliert eine Gefahr darstellen. Übrigens etwas, dass bei Hunden nicht in Frage gestellt wird. Die langen Anzüge im Westernreiten werden anders eingesetzt aber im Fall der Fälle wirken diese härter als eine Trense, die dauerhaft Kontakt mit der Reiterhand haben sollen.
Wer sich die alte HDv 12 zur Ausbildung in der Kavallerie ansieht, versteht Zweck und Wesen der klassischen Dressur. Und dort blieben Pferde über viele Jahre gesund im Dienst, denn sie waren teuer! Pferde wurden darauf hin gezüchtet und selektiert wie eben auch in der Westernreiterei für deren Zwecke. Daher hinkt der Vergleich auf gruselige Weise.
Zu Frau Werth sei zu sagen, dass wohl wenige Reiterinnen so viele Pferde in den Spitzensport gebracht haben und auch danach fit blieben. Es gibt viele Fehlentwicklungen in der Reiterei aber diese Reiterin ist kein Negativbeispiel
Man soll ja immer beide Seiten hören
.Was also sagt das Pferd dazu?Das ist die Frage.Leider sagt es nichts.
Wäre ich ein Pferd,würde mir das alles nicht gefallen und ich wäre viel lieber frei mit anderen Pferden zusammen,als eingesperrt im Stall zu sein und dann Piaffen,Trab-Traversalen und Galopp-Pirouetten zu machen.
Das ist eine ganz schwache Kür...
Es wäre, wie die Vorkommentatoren schon sämtlich zutreffend geschrieben haben, wirklich wünschenswert, wenn sich die Autorin dieses Beitrages wenigstens ein wenig mit dem Thema, welches sie beackern zu müssen meint, auseinandersetzen würde. Eigentlich gibt es zu dem was bereits geschrieben wurde, eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen. Noch einmal betont seien folgende Hinweise: erstens dürfte wie in jedem Sport Licht und Schatten – in diesem Fall tierschutzgerechtes Arbeiten der Pferd und Quälerei – nah beieinander liegen. Allerdings: das eine so harmonische Kür mit „Foltermethoden“ zu erreichen sein soll… nun ja. Bella Rosa mag vieles sein, aber sie wirkt beim besten Willen nicht wie eine gebrochene Seele sondern wie ein hervorragend ausgebildetes und ordentlich gerittenes Pferd (der Autorin seien die Bericht über die Ausbildung der Lipizzaner in der Wiener Hofreitschule ans Herz gelegt, ähnlich dürfte auch Frau Werth ihre Pferde ausbilden, und wenn das Quälerei ist..
Eine ganz schwache Kür... Teil II
Zweitens empfehle ich der Autorin sich mal mit Ausbildung und „Materialermüdung“ im Westernsport zu befassen. Vielleicht kommt dann doch noch eine Erkenntnis die zur Korrektur dieses – auch das wurde schon erwähnt – im Hinblick auf das Ergebnis eher nichtssagenden Beitrages führt.