Dieses erstaunliche Lied wird seit Jahren unerschrocken von deutschen Rentner-Radiosendern gespielt. Dafür gibt es nur eine einzige logische Erklärung, und sie lautet: Die haben nie auf den Text gehört.
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Bobby Brown
Hey, there people I’m Bobby Brown
They say I’m the cutest boy in town
My car is fast, my teeth are shiny
I tell all the girls they can kiss my heiny
Here I am at a famous school
I present sharp and I’m acting cool
I’ve got a cheerleader here wants to help with my paper
Let her do all the work and maybe later I rape her
Oh God, I am the American dream
I do not think I’m too extreme
And I’m a handsome son of a bitch
I’m gonna get a good job and be real rich
(Get a good, get a good, get a good, get a good)
Women’s liberation
Came creeping all across the nation
I tell you people I was not ready
When I fucked this dyke by the name of Freddie
She made a little speech then
Oh she tried to make me say when
She had my balls in a vice but she left the dick,
I guess it’s still hooked on but now it shoots to quick
Oh God, I am the American dream
But now I smell like vaseline
And I’m a miserable son of a bitch
Am I a boy or a lady? I don’t know which
(I wonder, wonder, wonder, wonder)
So I went out and bought me a leisure suit
I jingle my change, but I’m still kinda cute
Got a job doing radio promo,
And none of the jocks can even tell I’m a homo
Eventually me and a friend,
Sort of drifted along into S&M
I can take about an hour on the tower of power
As long as I gets a little golden shower
Oh God, I am the American dream
With a spindle up my butt till it makes me scream
And I’ll do anything to get ahead
I lay awake nights saying „Thank you, Fred“
Oh God, oh God, I’m so fantastic
Thanks to Freddie, I’m a sexual spastic
And my name is Bobby Brown
Watch me now; I’m goin‘ down,
And my name is Bobby Brown
Watch me now; I’m goin‘ down,
And my name is Bobby Brown,
Watch me now, I’m going down
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Welch Ironie der Musikgeschichte, dass ein Lied mit einem derart anstößigen Text von allen europäischen und skandinavischen Radiosendern unbekümmert gespielt wurde und bis heute wird. „Bobby Brown“ von 1979 klingt beim oberflächlichen Zuhören harmlos-rustikal, doch die amerikanischen Radiostationen weigerten sich sofort, es zu spielen. Dort verstand man offenbar zumindest einen Großteil des Textes und beschloss den Boykott, der das Lied tatsächlich an einem Eintritt in die Charts hinderte. Hierzulande allerdings konnte fast nichts seinen Erfolg bremsen.
Aber was ist eigentlich so schlimm an dem Lied? Zappa war ein großer Provokateur und verfolgte dabei zwei gegensätzliche Strategien. Erstens: etwas obszön klingen und dann harmlos ausgehen lassen, so geschehen bei seinem Song „Harder Than Your Husband“. Darin geht es zwar tatsächlich um eine mögliche Affäre, wie der Titel vermuten lässt, doch die Zeile heißt im Ganzen: „I’ll be harder than your husband to get along with“, also in etwa: „Mit mir auszukommen, wird schwieriger sein als mit deinem Mann.“ Die zweite Variante wendete er in „Bobby Brown“ an: Darin klingen die Worte harmloser, als sie sind. „I’ll do anything to get ahead“ etwa könnte man als „Ich tu alles, um voranzukommen“ verstehen – aber eben auch als „I’ll do anything to get a head“, und schon geht es um den Wunsch nach Oralsex, was zum Rest des Textes tatsächlich besser passt. Am Ende wiederholt er „Watch me now; I’m going down“, wobei „going down“ zahlreiche Bedeutungen haben kann, darunter Untergehen, Heruntergehen, aber eben auch: an jemandem Oralsex vollziehen.
„Bobby Brown“ ist eine hundsgemeine Satire auf reiche Jungs in Eliteschulen, die als selbstverliebt und frauenverachtend dargestellt werden. Der Protagonist wird von der Frauenrechtsbewegung überrascht und hat Sex mit „this dyke by the name of Freddie“ („dyke“ ist ein abwertendes Wort für Lesbe). Freddie hält dabei seine „balls in a vice“, hat also seine Hoden fest im Griff, seitdem leidet Bobby unter ejaculatio praecox. Später wird er selbst homosexuell und begeistert sich für Sadomaso. Die folgenden Zeilen erklärte Frank Zappa 1980 einem schwedischen Radiomoderator, der offenbar ebenso wenig wie Thomas Gottschalk ahnte, womit er es gleich zu tun bekäme. In Kürze: Beim „Tower of Power“ handelt es sich um einen Stuhl, aus dessen Sitzfläche ein Dildo ragt. Eine SM-Vorrichtung, die Zappa in einem Laden in Los Angeles sah und mit seinem Song sozusagen unterschwellig berühmt machte. Auch die „golden shower“ erläuterte Zappa im Radio: als „eine Sexpraktik, bei der eine Person die andere anpinkelt“, im Deutschen als „Natursekt“ bekannt.
„Bobby Brown“ ist also recht ungewöhnliches Material für all die Rentnersender, die das Lied regelmäßig spielen. Frank Zappa sagte dem schwedischen Moderator, er müsse immer lachen, wenn Leute in der Disco dazu tanzten. Wenn er nicht 1993 gestorben wäre, hätte er noch heute viel zu lachen. „Bobby Brown“ war der Testballon zur Frage, was man sich alles erlauben kann, wenn man darauf setzt, dass die Leute nicht ganz so genau hinhören. Ergebnis: ungefähr alles. Und wer weiß, ob die amerikanischen Radiosender nicht in punkto Obszönität ein Auge zugedrückt hätten, wenn er nicht auch noch den amerikanischen Traum beleidigt hätte.