Pop-Anthologie

„Me and Bobby McGee“

| 11 Lesermeinungen

Bei Kris Kristofferson klang dieser Song noch wie ein Depressionsbeschleuniger erster Güte. Janis Joplin gab ihm Euphorie, Sehnsucht und die Aura der Selbstzerstörung: „Me and Bobby McGee“.

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Janis Joplin

Zehn Worte, wenn man das gekürzte „is“ mitzählt, tun sich zusammen, um einen Begriff zu klären: „Freedom’s just another word for nothin’ left to lose“.

Die Freiheit: Was soll sie sein, worin besteht sie? Neben all den Reden, die zu ihrem Lob gehalten werden, den Büchern und Essays, die sie erläutern, liegt diese lakonische, kieselharte Definition ziemlich unbeachtet am Rand des Diskursraums. Franziskanisch klingt sie: Löse dich von deinem Besitz, nur wer arm ist, ist frei. Aber muss und will denn der Mensch nicht essen und trinken, sich gegen Regen und Kälte schützen, seine Zähne erhalten, Sinn produzieren und auf ein Bröckchen Ewigkeit hoffen? Ist er nicht ein ständig bedürftiges und abhängiges Wesen, unfrei von Kind an zum Erbarmen? Wenn er tatsächlich nichts mehr zu verlieren hat und als Drifter mit Mundharmonika herumzieht – was bleibt ihm dann übrig als andere, arbeitende, also unfreie Menschen zu bitten, ihm einen Lift im Auto zu schenken und ein paar Burger und ein großes, großes Bier? Wie kann das Freiheit sein? Ist er nicht völlig daneben, dieser wunderbare Satz, und trotzdem, als Beschreibung eines Lebensgefühls, vollkommen wahr?

Janis Joplin singt ihn innig, geradezu sanft, und jeder, dessen Ohr noch nicht gänzlich verschorft ist, wird von seiner Wehmut erfasst und durchgerüttelt werden. Freiheit, endlich und ohne Ende, als zielloses On the road durch ein monumentales Land. Nur den Moment auskosten, nicht an Morgen und Übermorgen denken und schon gar nicht an Karriere und Verdienst und Hab und Gut, was den geregelt Lebenden bleischwer an den Fersen hängt. Und findet das Ich ein anderes Ich, das den Blues singt, sind Liebe, Wärme, Musik mit dabei und widerlegen das bittere „nothin’, really nothin’“. Die Ballade beginnt, das Glück siegt übers launische Wetter, Zärtlichkeit und Zuversicht blühen, auch wenn das übliche, trostlose Ende schon zu ahnen ist: Der Moment kann nicht dauern, denn der Eine will irgendwann doch ein Zuhause und stabile Verhältnisse und die Andere will es nicht. Trennung also, Verlassenheit, Reue und der Schwur: Mein ganzes Morgen würde ich geben für einen einzigen Tag unseres Gestern, für Bobbys Körper an meinem.

Kurz ist die Geschichte und bald vorbei, doch ein „La da da“ folgt, das sich ausdehnt und höher schraubt, als ginge der Song erst richtig los,  wenn er die Worte hinter sich lässt und die unverkennbare, immer härter und rauher und rostiger werdende Joplin-Stimme zu sich selbst findet. Dauerte diese Coda doppelt so lang, hätte man auch nichts dagegen. Weiter, weiter! Man glaubt zu hören, wie die Sängerin schwankt und torkelt. Wenn der letzte Akkord abbricht, sieht das innere Auge Janis am Boden, die Flasche Southern Comfort noch in der Hand.

Fred Foster, der an der Entstehung des Textes beteiligt war, zumindest die Anregung dazu gab, hatte die „Monument Records“ aufgebaut, wo der noch unbekannte Kris Kristofferson unter Vertrag stand, der nicht nur sang, sondern auch komponierte. Ihm schlug Foster 1969 das Thema vor („ein Pärchen zieht herum und trennt sich wieder“) und den Namen einer Frau, die er kannte und die ihm vielleicht nicht gleichgültig war: Barbara „Bobby“ McGee, Sekretärin eines bekannten Popmusik-Komponisten. Eigentlich hieß sie McKee, Foster hatte sich verhört, aber das erwies sich als unwichtig, wichtiger und günstiger war, dass der Name auf beide Geschlechter passte. Nachdem Kristofferson über Monate an dem Song herumlaboriert hatte, wurde er schließlich mit dem Country-Sänger Roger Miller aufgenommen und war ein Erfolg. Kristoffersons eigene Version erschien im August 1971 und war ebenfalls erfolgreich. Seit beinahe 50 Jahren hat er „Me and Bobby McGee“ in unzähligen Konzerten gesungen und singt es vielleicht auch, wenn er im Juni für drei Auftritte nach Deutschland kommt.

Fred Foster machte Geld, eroberte sich einen Platz in der „Country Music Hall of Fame“, zeugte fünf Kinder und starb im Alter von 87 Jahren im vergangenen Februar. Kris Kristofferson, 82, gelernter Hubschrauber-Pilot, hielt sein rechtschaffenes Country-Image aufrecht, drehte Filme, war eine Zeit lang ein Star und zeugte acht Kinder. Als er auf seiner ersten LP von Bobby sang („she“), klang der Song nachtschwarz, ein Depressionsbeschleuniger erster Güte. Im Laufe der Jahre verwandelte er das Lied in ein wohlklingendes Memoir, und so kann man es ja auch verstehen: „Feelin’ good was good enough for me“, heißt ein Vers. Zwar vorbei, aber erlebt und dankbar erinnert.

Doch eigentlich gehört der Song Janis Joplin. Joplin schaffte nur 27 Jahre, hatte keine Kinder und wurde erst 1995, also ein Vierteljahrhundert nach ihrem Tod, in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen (ist es zu fassen?). Noch später, 2013 (hat sich niemand geschämt?), erhielt sie einen Stern auf Hollywoods Walk of Fame. Kris Kristofferson war dabei und spielte den Song, der sie mit ihm verbindet. Denn obwohl es Dutzende Cover-Versionen gibt, denkt jeder an Janis, wenn von „Me and Bobby McGee“ die Rede ist.

Wie sie singt? Herzzerreißend. Sie hat gelebt, was der Song erzählt und ausdrückt. Sie kennt die Euphorie des Anfangs, die Ruhelosigkeit, den Schmerz, die Betäubung, die Sehnsucht, die Selbstzerstörung. Ihr glaubt man, dass sie auf jede Zukunft verzichten würde, könnte sie Bobby („he was my man“) nur noch einmal einen Tag lang im Arm halten. Sie, die auf manchen Fotos so kindlich aussieht wie eine Fünfzehnjährige, auf anderen aber, als habe sie bereits ein langes, wehes Leben durchlebt, singt sich die Seele aus dem Leib, wie man so sagt, was aber in ihrem Fall bedeutete: den Löffel abzugeben. Im September 1970 begannen im Sunset Sound Recorders Studio in Los Angeles die Aufnahmen für die neue LP „Pearl“, die ihre beiden bekanntesten Lieder enthält: die a cappella gesungene, ironische Bitte um einen „Mercedes Benz“ („Mörcidies Bänz“) und eben die Ballade von der Liebe zu Bobby McGee. Am 4. Oktober dann wurde Janis Joplin tot im Hotel aufgefunden.

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Me and Bobby Mc Gee

Busted flat in Baton Rouge, waitin’ for a train

And I’s feelin’ near as faded as my jeans

Bobby thumbed a diesel down, just before it rained

It rode us all the way to New Orleans

I pulled my harpoon out of my dirty red bandanna

I was playin’ soft while Bobby sang the blues, yeah

Windshield wispers slappin’ time, I was holdin’ Bobby’s hand in mine

We sang every song the driver knew

Freedom’s just another word for nothin’ left to lose

Nothin’, don’t mean nothin’ hon if it ain’t free, no no

And feelin’ good was easy, Lord, when he sang the blues

You know, feelin’ good was good enough for me

Good enough for me and my Bobby McGee

From the Kentucky coal mine to the California sun

There Bobby shared the secrets of my soul

Through all kinds of weather, through everything we done

Yeah, Bobby baby kept me from the cold

One day up near Salinas, Lord, I let him slip away

He’s lookin’ for that home, and I hope he finds it

But, I’d trade all of my tomorrows, for a single yesterday

To be holdin’ Bobby’s body next to mine

Freedom’s just another word…

 La da da, la da da da…

Well, I call him my lover, call him my man

I said, I call him my lover did the best I can, c’mon…

(Kris Kristofferson / Fred Foster)


11 Lesermeinungen

  1. Gast sagt:

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    D A N K E, danke, danke, danke, ich habe nicht mahr als dieses eine dumme Wort…

  2. A Fender Guy sagt:

    Janis changed the course of rock music
    Thank you Mrs Trahms for the sympathetic and well written lines.
    I first heard Janis version of the song as 6 year old boy, ‚coz my mom owned the original 7“ single which now is a prized jewel in my record collection. About 20 years later I listened to Kristofferson’s version for the first time and in my ears too, that’s a different piece. It sounds more like an early sketch before the final masterpiece was recorded, a fate shared by a couple of original versions of great songs – take the late great J.J. Cale as another example.
    Janis Joplin was the first female rock star that lived up to this badge, strong-willed, hungry and incredibly gifted. Her voice and personality changed the course of not only American rock music forever – from then on it was no more possible to regard female artists as thumb chicks or alternatively mere sidekicks to dominant males (as Cher from Sonny & Cher; Tina from Ike & Tina Turner or Bonnie Bramlett from Delaney & Bonnie).

  3. jack straw sagt:

    Regeln der Hall of Fame
    Ein bisschen Recherche könnte manchmal so hilfreich sein. Die Regel für die Aufnahme in die RR Hall of Fame ist einfach und hat sich seit Jahrzehnten nicht geändert. Eine Künstlerin oder eine Band ist erst 25 Jahre nach dem Debütalbum wählbar. Bei Janis Joplin wäre das also frühestens 1992 der Fall gewesen, nachdem 1967 das erste Big Brother Album feat. JJ erschien.

    Ja, 3 Jahre zu spät ist auch kein Ruhmesblatt, aber der Aufschrei „ein Vierteljahrhundert“ ist eindeutig Unsinn.

  4. O. Koenig sagt:

    Einer der besten Songs ever
    Ich war ungefähr 12 als ich ihn das erste Mal bei einem älteren Nachbarnhörte. Den Text hatte ich nicht wirklich verstanden, aber dass sich in dem Song jemand die seele aus dem Leib sang, war mir klar. Später nach 10000 Meilen Trampen an der Westküste in 3 Monaten kam ich der Sache näher, aber so wirklich auch nicht. Wenn ich ihn heute höre, ist mir klar, dass ich viel zu viel zu verlieren hatte und habe, mein Morgen nicht eintauschen werde und trotzdem nachdenke, wie es wohl wäre ……

  5. Volker keß sagt:

    Me and Bobby Mc Gee
    …definitiv, dieses Lied gehört Janis Joplin und dies ist ein großartiger Artikel darüber.
    Volker Keß

  6. Bourbon&Me sagt:

    Großartig
    Danke!

  7. Thomas Fiedler sagt:

    me and bobby mcgee
    der text gefällt so gut, dass man sich getrieben sieht, doch mal zu googeln, wer das ist, die so schönes schreibt…..

  8. Gerd sagt:

    Schauer
    Mir läuft immer noch ein Schauer über den Rücken, wenn ich Janis diesen Song singen höre. Und wenn ich mal selber spiele, vergesse ich vor lauter Ergriffenheit auch schon mal den Text.
    Schade, dass diese Frau ihr Leben nicht unter Kontrolle bringen konnte.
    Habe vor kurzem einem Patty Smith Konzert gelauscht. Die beiden waren Zeitgenossen und so hätte Janis uns vermutlich immer noch mit ihrer Stimme und guten Texten verzaubert.

  9. Gast sagt:

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    „Freedom’s just another word for nothin‘ left to loose“ ist eine Definition von Freiheit, die aus philosophischer Sicht Nonsens ist. Wer nichts zu verlieren hat ist arm, nicht frei, weil er in einer Gesellschaft lebt, in der Freiheit auch darin besteht zu konsumieren. „Me and Bobby McGee“ ist ein genialer Song, den ich mir zuerst als Single von Janis Joplin und vor kurzem als CD von Kris Kristofferson gekauft habe.

  10. Frank sagt:

    Ne
    Die Originalversion von Kris Kristofferson ist viel besser. Wie Kristofferson am Anfang des Liedes sagt, it‘s a Country Song…

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