Pop-Anthologie

Notorious B.I.G.: „Juicy“

Alles eine der Frage der Erzählung: The Notorious B.I.G. lässt in seinem Song „Juicy“ Hip-Hop-Geschichte auf die Erfüllung seiner persönlichen Träume zusteuern und zeigt, dass Rap in erster Linie Klangkunst ist.

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Notorious B.I.G.

Auch im Hip-Hop macht sich mit schöner Regelmäßigkeit Untergangsstimmung breit. Das Genre habe sich angepasst, der sozialkritische Stachel sei verloren gegangen: Diese Dekadenzphantasien gab es lange vor Mumblerap und Autotune. Als sich Big Daddy Kane 1991 halbnackt im „Playgirl“ ablichten ließ, war Hip-Hop für viele gleichbedeutend mit der Exotisierung schwarzer Männer geworden, andere sahen maskuline Gewissheiten in höchster Gefahr. Und es gab eine Zeit, in der allein die Präsenz von gesungenen Refrains auf Rap-Singles sofort zu Sellout-Vorwürfen führte. Auf „Juicy“, der ersten Single seines Debütalbums „Ready to die“ (1994), erzählt The Notorious B.I.G. eine andere, optimistischere Geschichte dieser Musik. Er präsentiert ein tief in den Achtzigerjahren verwurzeltes Bekenntnis zu Pop – nicht als Gegenkultur, sondern als Medium der Hoffnung. 

It was all a dream, I used to read Word Up! magazine
Salt-n-Pepa and Heavy D up in the limousine
Hangin’ pictures on my wall
Every Saturday Rap Attack, Mr. Magic, Marley Marl 

„Juicy“, beginnt nicht auf der Straße, nicht im „concrete jungle“, sondern im Reich der Sehnsüchte. „Word Up!“ war in ein Teenie-Magazin, in dem auch Rapper thematisiert wurden, vor allem solche mit Mainstream-Appeal. Salt-n-Pepa, die so erfolgreiche wie umstrittene weibliche Hip-Hop-Band, bekam Fotostrecken, Heavy D passte wunderbar in die Knisterzucker-Ästhetik der Zeitschrift. Er war einer der prägenden Künstler von Uptown Records, dem Label, das vor allem für New Jack Swing der Marke Teddy Riley bekannt war: kommerzialisierter Rap bzw. R&B mit Rap-Einflüssen. Auf diesem Label machte der junge Manager Sean „Puffy“ Combs seine ersten Gehversuche im Musikbusiness, und hier nahm er auch B.I.G. unter seine Fittiche. 

Wenn er die Geschichte von Hip-Hop erzählt, spricht Notorious B.I.G. also natürlich von sich selbst. Und auf „Juicy“ zeigt er wenig Interesse an der Floskel vom „CNN der Schwarzen“. Er bemüht nicht „The Message“ von Grandmaster Flash, sucht Identifikation nicht bei KRS-One oder beim Urvater der „Street-Poetry“ Rakim. Stattdessen schlägt er Wurzeln im Tanzboden, für den Rap auch schon immer gedacht war. Dass B.I.G. vor allem Djs und Produzenten kunstvoll aneinanderreiht, „Ron G, Brucie B, Kid Capri, / Funkmaster Flex, Lovebug Starski“, zeigt: Rap ist für ihn zunächst Klangkunst und Musik, erst dann Symptom der Zustände, soziales Dokument oder gar Sprachrohr der Jugend. 

Denn Notorious B.I.G. hatte mehr im Sinn. Nicht umsonst setzte er den Startschuss für sein Album mit den Worten „I got big plans“. Wie kein anderer Rapper vor ihm transportierte er ein Gefühl von Ambition. Wohin es gehen sollte, war dabei nebensächlich, Ehrgeiz und Intensität bekamen eine geradezu körperliche Dimension. Und natürlich diente das Beschwören der Blockparty-Atmosphäre auch einem Ausgreifen nach möglichst breiten Käuferschichten. Inzwischen ist das Credo „Reach for the stars“ aus Rap-Texten nicht mehr wegzudenken. Jay-Z etwa, bis zu B.I.G.s Tod ein enger Freund, leugnet nicht, dass seine Karriere im Windschatten des Weggefährten Fahrt aufnahm. Dass er heutzutage mit Ehefrau Beyoncé den Louvre zum Wohnzimmer macht („Apesh*t“), geht letztlich auch auf seinen Weggefährten zurück. Zur Wahrheit gehört aber auch: B.I.G. und Puff Daddy hatten ebenso einen Anteil daran, wenn Rapper in der Folge manchmal eher als Erfolgscoachs oder Mindset-Trainer wahrgenommen wurden denn als Musiker. 

Biggie selbst war davon noch nicht betroffen. Auch auf „Juicy“ macht er natürlich keinen kompletten Bogen um die aggressive und melancholische Seite des New-York-Raps. Er richtet seinen Blick beispielsweise auf Marley Marl, den legendären Produzenten roher Beats aus Queens. Das gesamte Album „Ready to die“ ist alles andere als weichgespült. Aber B.I.G.s Texte sind immer auf Klarheit und direkte Wirkung aus. Wo Straßenrapper seiner Generation wie Nas durchaus kryptisierten, esoterisch wurden, Tiefgang ab und an erzwangen, blieb er selbst bei schmerzvollen Zeilen, von denen es in seinen Texten viele gibt, meist direkt und humorvoll. 

„Juicy“ leitet sich vom Titel des Songs ab, der für den Beat benutzt wurde, „Juicy Fruit“ von Mtume (1983), genauer: der „Fruity Instrumental Mix“ von Tony Humphries. Zugleich liegt irgendwo in diesem schwer übersetzbaren Wort B.I.G.s Poetik: Seine Raps sollten sinnlich sein, unmittelbar anziehend und vital. Maßgeblich für die Umsetzung war seine pralle Stimme, die wie für den Beat gemacht zu sein schien. Wer diesen produziert hat, ist nicht ganz sicher: Pete Rock und Poke werden sich darüber nicht einig. Zweifellos aber war Puff Daddy eng in den kreativen Prozess eingebunden. Interessanter ist aber, dass die Girlgroup Total keine Credits für den Refrain bekommen hat, in dem die Formulierungen des Originals abwandelt werden. In den neunziger Jahren war das gang und gäbe. Die Rap-Alben dieser Zeit sind voll mit quasi namenlosen weiblichen Stimmen. 

Considered a fool ’cause I dropped out of high school
Stereotypes of a black male misunderstood
And it’s still all good

B.I.G. spricht nicht nur ganz offen davon, als Teenager Poster von seinen liebsten Künstlern aufgehängt zu haben. Dass er sich eingesteht: „girls used to diss me, now they write letters ’cause they miss me“, ist entwaffnend. Man nimmt ihm seine Verletzung ab, versteht, warum er die falsche Liebe, die ihm nun entgegenbracht wird, zwar als solche erkennt, aber sie trotzdem genießen muss. An einer Selbststilisierung als Gangsta, die Rapper so oft vornehmen und die ihnen vielleicht noch öfter reflexhaft untergeschoben wird, hat er kein Interesse. Wenn er vor seiner Rap-Karriere an der Straßenecke Geschäften nachging, machte er nach eigener Aussage kein Vermögen, sondern höchstens „some money“. The Notorious B.I.G. inszeniert sich in „Juicy“ nicht als Schwerkrimineller, sondern als „common thief“. Am 9. März 1997 wurde er in Los Angeles erschossen.

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Yeah, this album is dedicated
To all the teachers that told me I’d never amount to nothin’
To all the people that lived above the buildings that I was hustlin’ in front of
Called the police on me when I was just tryin’ to make some money to feed my daughter (it’s all good)
And all the niggas in the struggle
You know what I’m sayin’? It’s all good, baby baby

It was all a dream, I used to read Word Up! magazine
Salt-n-Pepa and Heavy D up in the limousine
Hangin’ pictures on my wall
Every Saturday Rap Attack, Mr. Magic, Marley Marl
I let my tape rock ’til my tape popped
Smokin’ weed in Bambú, sippin’ on Private Stock
Way back, when I had the red and black lumberjack
With the hat to match
Remember Rappin’ Duke? Duh-ha, duh-ha
You never thought that hip-hop would take it this far
Now I’m in the limelight ’cause I rhyme tight
Time to get paid, blow up like the World Trade
Born sinner, the opposite of a winner
Remember when I used to eat sardines for dinner
Peace to Ron G, Brucie B, Kid Capri
Funkmaster Flex, Lovebug Starski
I’m blowin’ up like you thought I would
Call the crib, same number, same hood, it’s all good
And if you don’t know, now you know, nigga

You know very well
Who you are
Don’t let ’em hold you down
Reach for the stars
You had a goal
But not that many
’Cause you’re the only one
I’ll give you good and plenty

I made the change from a common thief
To up close and personal with Robin Leach
And I’m far from cheap, I smoke skunk with my peeps all day
Spread love, it’s the Brooklyn way
The Moët and Alizé keep me pissy, girls used to diss me
Now they write letters ’cause they miss me
I never thought it could happen, this rapping stuff
I was too used to packing gats and stuff
Now honeys play me close like butter play toast
From the Mississippi down to the East Coast
Condos in Queens, indo for weeks
Sold out seats to hear Biggie Smalls speak
Living life without fear
Puttin’ five karats in my baby girl ear
Lunches, brunches, interviews by the pool
Considered a fool ’cause I dropped out of high school
Stereotypes of a black male misunderstood
And it’s still all good
And if you don’t know, now you know, nigga

You know very well
Who you are
Don’t let ’em hold you down
Reach for the stars
You had a goal
But not that many
’Cause you’re the only one
I’ll give you good and plenty

Super Nintendo, Sega Genesis
When I was dead broke, man, I couldn’t picture this
50-inch screen, money-green leather sofa
Got two rides, a limousine with a chauffeur
Phone bill about two G’s flat
No need to worry, my accountant handles that
And my whole crew is loungin’
Celebrating every day, no more public housin’
Thinkin’ back on my one-room shack
Now my mom pimps an Ac’ with minks on her back
And she loves to show me off of course
Smiles every time my face is up in The Source
We used to fuss when the landlord dissed us
No heat, wonder why Christmas missed us
Birthdays was the worst days
Now we sip Champagne when we thirsty
Uh, damn right I like the life I live
’Cause I went from negative to positive and it’s all (It’s all good, nigga)
And if you don’t know, now you know, nigga

You know very well
Who you are
Don’t let ’em hold you down
And if you don’t know, now you know, nigga
Reach for the stars
You had a goal
But not that many
’Cause you’re the only one
I’ll give you good and plenty
And if you don’t know, now you know, nigga

Representin’ B-Town in the house
Junior Mafia, mad flavor
Uh, uh, yeah, a’ight

You know very well
Who you are
Don’t let ’em hold you down
Reach for the stars
You had a goal
But not that many
’Cause you’re the only one
I’ll give you good and plenty

Puff Daddy:
Biggie Smalls, it’s all good, nigga
Junior Mafia, it’s all good, nigga
Bad Boy, it’s all good, nigga
It’s all good
That’s right, ’94
And on and on, and on and on
You know very well
It’s all good
Who you are
Yeah…
Don’t let ’em hold you down
Reach for the stars