Oasis, so scheint es, sind nicht mehr. Da ich zu jenen Menschen gehöre, die das Schaffen der Gebrüder Gallagher für eine kulturelle Bereicherung der Menschheit halten, erfüllt mich dies natürlich mit einiger Wehmut.
Ich hatte im Rahmen einer TV-Sendung, in deren Herstellung ich einst verstrickt war, des Öfteren die Gelegenheit, Interviews mit den beiden Proll-Aphoristikern Liam und Noel Gallagher zu veranstalten, und es waren dies Sternstunden meines musikjournalistischen Daseins. Vor allem Noel Gallagher wird immer einen Platz in meinem Herzen haben. Am Ende des letzten Interviews, das wir mit ihm im Büro seiner englischen Plattenfirma führten, baten wir um Autogramme für Freunde in der Heimat. Gallagher ließ sich nicht lumpen und schrieb auf einen Zettel: „Love, Peace & Bananas, Noel Gallagher“. Irgendwo zwischen den Worten „Love“ und „Bananas“ jedoch verschrieb er sich, was prachtvolles Fluchen nach sich zog. Ich bin noch heute von demütiger Dankbarkeit durchflutet, daß ich diesem hochamüsanten Moment beiwohnen durfte.
Jetzt gibt es nur zwei Möglichkeiten, die Britpop-Kuh vom Eis zu schubsen:
Möglichkeit 1: Johnny Marr übernimmt Noel Gallaghers Posten.
Erstens weil er als einziger neben Gallagher diese leicht angejahrte Mürrischkeit verkörpert, und zweitens spielt Johnny Marr ja inzwischen ohnehin in jeder zweiten Band mit. Der einzige Hinderungsgrund für Marrs Einstieg bei Oasis dürfte darin bestehen, daß Liam Gallagher irgendwo irgendwann Johnny Marr garantiert schon mal rüde mit einem Körperteil oder einem gering geschätzten Tier verglichen hat.
Möglichkeit 2: die Beatles müssen’s richten.
Und siehe da: Kaum haben sich Oasis aufgelöst, sind die Beatles wieder zurück.
Demnächst erscheinen alle Alben als remasterte Wiederveröffentlichung; „The Beatles – die 100 besten Songs“ titelt der tolle Rolling Stone eins seiner so detailverknallten wie herausnehmbaren Specials an, und in Hamburg widmet sich gar eine Ausstellung der Band. Wenn jetzt auch noch Oliver Geißen und Hugo Egon Balder davon erfahren, wer die Beatles waren, ist mit gruselerregenden Sondersendung zum Thema zu rechnen, bei denen sich ausgewiesene Experten – Hella von Sinnen, Wigald Boning, irgendeine DSDS-Type und Vader Abraham – zum Thema äußern und sentimentale Beatles-Anekdoten zum Besten geben können. Auch ein Auftritt der Belegschaft des Beatles-Musicals wäre im Rahmen einer solchen Sendung eine farbenfrohe Bereicherung. Gibt es ein Beatles-Musical? Bestimmt gibt es ein Beatles-Musical. Es gibt von allem, was sich nicht wehrt, ein Musical. Passen Sie da bloß auf, geneigte Leser, daß man nicht auch aus Ihnen ein Musical macht.
Mein Nachbar, Herr Unkelbach, beispielsweise erfuhr neulich erst aus der Zeitung, daß in Hamburg ein Musical über ihn geplant ist.
„Aber ich bin doch für das Musicalpublikum gar nicht von Interesse“, wand er, halb empört, halb verstört, in einem unverzüglich getätigten Anruf bei den Produzenten des Musicals ein.
„Das denken Sie“, kam die Antwort zurück. „Aber wir dachten bei den bekloppten singenden Katzen und dem entstellten Mann mit der Maske am Anfang auch nicht, daß das irgendwen interessieren könnte“.
Aber zurück zu den Beatles.
Ich habe mir einige der remasterten Aufnahmen in meinem dreigeschossigen Hifi-Lab mal angehört – kopfüber an einer trapezartigen Vorrichtung hängend, da man auf diese Art (so mein Sound-Ingenieur) den besten Klang hat -, und ich muss sagen: Alles klingt lauter. Ob das jetzt tatsächlich einen Gewinn darstellt, weiß ich nicht. Womöglich klingen die Überarbeitungen sogar „druckvoller“, um ein etwas ekliges Musikjournalistenwort zu benutzen. Wie nötig es jedoch wirklich war, die Beatles-Aufnahmen tontechnisch aufzuplustern, weiß ich nicht. Mir haben die Alben so gereicht, wie sie waren, aber ich bin ja auch nicht die Zielgruppe.
Und das, obwohl ich lange Jahre ja als fünfter Beatle gehandelt wurde, eine Bezeichnung, die ich, bescheiden wie ich bin, verlegen lachend von mir weisen muss. Sicher, wir hatten damals eine tolle Zeit – aber „fünfter Beatle“? Wohl kaum.
Kennengelernt habe ich die Beatles während der Dreharbeiten zu „Help!“, wo ich als Double Ringo Starrs für diverse Liebesszenen eingeplant war, die der Schlagzeuger sich nicht ganz zutraute. Letztlich wurden alle Liebesszenen aus dem Drehbuch gestrichen, aber wir freundeten uns an, denn die Beatles verehrten mein Panfötenspiel, das ich mir kurz vorher während eines Pyrenäen-Aufenthalts „draufgezogen“ hatte, wie wir Jugendlichen damals sagten.
Tatsächlich war ich auch an etlichen Songs der Beatles beteiligt, doch es waren nur minimale Details, die ich beisteuerte. So stammt beispielsweise von mir die Idee, bei „You’ve Got To Hide Your Love Away“ vor jedem Refrain „Hey“ zu singen. Ich kann mich noch erinnern, daß John die Idee blöd fand, er sagte, das klänge irgendwie „kosackenmäßig“, aber Paul war sofort auf meiner Seite und lieh mir im Gegenzug für meinen Einfall seinen Sportwagen, damit ich damit bei meinen Freunden angeben konnte. Eine zeitlang bauten die Beatles daraufhin in all ihre Songs vor dem Refrain derartige „Heys“ ein, entfernten sie aber bald auch wieder. Auch die Idee, über ein „gelbes U-Boot“ zu singen stammte von mir, denn ich besaß damals tatsächliches ein gelbes U-Boot, was mitten in den Swinging Sixties natürlich eine dolle Sache war, zumal für einen Deutschen.
Später – unsere Freundschaft ging schon langsam den Bach runter, weil Yoko Ono mich „aufdringlich“ fand und nicht mehr in der Nähe der Band wissen wollte -, inspirierte ich die Beatles zum Verwenden seltsamer rückwärts abgespielter Botschaften auf ihren Platten. Bei „A Day In The Life“ etwa ist – gerade jetzt auf den remasterten Aufnahmen – zum Beispiel zu hören, wie jemand den Namen „Otto“ mehrfach rückwärts sagt – damals eine Sensation!
Ich werde oft gefragt, ob die Beatles wirklich so viele Drogen genommen haben. Ich kann dazu nur sagen: Ich habe John, Paul und George und Ringo nie in der Nähe irgendwelcher Substanzen gesehen. Allerdings waren die Beatles besessen von seltenen Käsesorten, die sie für teures Geld einfliegen ließen. Ständig hatten sie die Taschen voll mit dem Zeug, bei den Aufnahmen zu „Strawberry Fields Forever“ war der Geruch im Studio kaum noch auszuhalten. Erst beim „White Album“ war Schluss mit Käse. Es ist zugleich das erste Beatles-Album, auf dem ich tatsächlich zu hören bin. Bei dem Song „Glass Onion“ hört man mich, wenn man den rechten Kanal komplett wegdreht, wie ich rhythmisch eine Zwiebel esse.
Am Schluss gerieten wir uns in die Haare. Das ist oft so bei guten Freunden. Die Beatles hatten mir nie verziehen, daß ich schon früh starke Kritik an Georges Sitar-Songs geübt hatte. Auch meine Empfehlung, Phil Spector als Produzent heranzuziehen, war umstritten. Vor allem aber wurde mir plötzlich von der Band vorgeworfen, daß sie komplett für meinen teuren Lebensstil – Autos, alberne Kleidung, teure Mountainbikes und Spielzeug, an dem ich schnell wieder die Lust verlor – aufkommen musste. Da war etwas dran. Der Kontakt riss dann auch bald völlig ab, lediglich Ringo schickt bis heute zu Weihnachten immer noch ein Paket mit seltenem Käse. Zuletzt sah ich die vier zusammen auf einer Kostümparty im Jahr 1969, bei der wir fünf als Pferd verkleidet waren.
Solche Momente sind es, die mir in den Sinn kommen, wenn ich heute die remasterten Aufnahmen höre. Es war eine tolle Zeit damals, an die ich gerne zurückdenke, wenn ich mit meinen beiden Pudeln dem Herabbrennen der Scheite im Kamin meines Jagdschlosses zuschaue. Beim nächsten Mal wird es hier jedoch wieder gegenwärtiger zugehen, das anekdotische Erzählen bringt auf Dauer doch etwas zuviel Bräsigkeit mit sich. Lesen Sie dann ausführlich über meine Abenteuer als Tänzer auf der letzten Madonna-Tour. Vielleicht geht es aber beim nächsten Mal auch um so etwas Fetziges wie die Auflösung von Coldplay. Wir werden sehen. Ich setze mich jetzt wieder an meinen Flügel und komponiere weiter den Mittelteil des großen Oasis-Musicals „Love, Peace & Bananas“, in dem die Fehde zwischen Oasis und Blur aufgegriffen wird und den ich als große Tanzszene aufzulösen gedenke.