Wenn selbst Menschen, die sich weder für Politik noch für Popmusik interessieren, wissen, daß Karl-Theodor Freiherr von und zu Guttenberg erklärter Fan von AC/DC ist, dann läuft entweder etwas grauenhaft schief oder sagenhaft richtig. Aber so ist es nun mal: Dank emsiger Tageszeitungsberichterstattung wissen wir, daß der konservative Kult-Politiker mit dem Appeal eines gebildeten Lothar Matthäus großer Fan der schottisch-australischen Hardrock-Wertarbeiter ist, ja, daß er ihre Musik gar bei öffentlichen Guttenbergschen DJ-Sets auflegt (Für Schnellleser: Ich habe da gerade „Hardrock-Wertarbeiter“, nicht „Hardrock-Werftarbeiter“ geschrieben, aber „Hardrock-Werftarbeiter“ wäre auch ok gewesen, wobei: tendenziell ist Hardrock ja ohnehin Werftarbeitermusik, womit ich weder etwas gegen Hardrock, noch gegen Werftarbeiter gesagt haben möchte).
Was zu Guttenberg bei diesen sicher von ekstatischen Zuckungen seiner tanzenden Gefolgschaft begleiteten DJ-Sets wohl vor und nach AC/DC auflegt? Eher hart bluesendes Musikgut von Rose Tattoo, Chuck Berry und den White Stripes oder aufgeblasenen Keyboard-Quark wie Foreigner, Mr. Big und Europe? Womöglich konterkariert er AC/DC-Stücke wie „Big Balls“ oder die Tripper-Hymne „The Jack“ ja auch mit düsterem Country? Ich wünschte, ich könnte mich ernsthaft für diese Frage interessieren. Aber ich bin ja noch jung, vielleicht interessiert es mich ja morgen.
Ich glaube, zu Guttenberg ist ein „Thunderstruck“-AC/DC-Fan. Will sagen: Einer, der spät dazu kam, nicht genau weiß, worum es eigentlich geht und vor allem Luftgitarre spielen will. Wer jedenfalls noch auf der Suche nach einem schlagenden Argument gegen AC/DC war, dürfte jetzt eines gefunden haben. Nicht, weil zu Guttenberg ein schlechter Politiker ist, sondern, weil er als Fan zu nichts taugt. Wer hätte je gedacht, daß es mal ein besseres Argument gegen AC/DC geben könnte als Brian Johnson?
Das Pop-Tagebuch-Lesertelefon klingelt.
Anrufer auf Leitung 1: „Also, ich fand AC/DC OHNE zu Guttenberg ja besser. Bon Scott ist für mich unersetzbar.“
Ich: „Moment. Das ist doch Unsinn. Zu Guttenberg ist ja nicht der Nachfolger von Brian Johnson so wie Brian Johnson der Nachfolger von Bon Scott ist. Zu Guttenberg ist lediglich…“
Anrufer auf Leitung 1: „Ich meine das so wie bei Genesis. Früher, als Peter Gabriel und nicht Phil Collins bei Genesis…“
Ich: „Genau das meine ich doch. Das ist ein unsinniger Standpunkt, weil…“
Leitung 2 klingelt.
Ich (zu Leitung 1): „Einen Moment bitte, es kommt gerade ein anderer Anruf rein. (zu Leitung 2) Ja hallo?“
Anrufer auf Leitung 2: „Das ist mit den Werftarbeitern und dem Hardrock ist totaler Quatsch.“
Ich: „Wie meinen?“
Anrufer auf Leitung 2: „Werftarbeiter hören heutzutage überhaupt keinen Hardrock mehr. Das haben sie vielleicht zwischen 1979 und 1993 getan, so genau weiß ich das nicht. Aber heutige Werftarbeiter hören HipHop“.
Ich: „Sicher?“
Anrufer auf Leitung 2: „Ja, logisch“.
Ich: „Na ja, das scheint mir gar nicht so dumm. Warten Sie doch bitte beide kurz, ich muss rasch den Blog beenden.“
Der wahre Held bei AC/DC ist ja ohnehin nicht Brian Johnson, sondern Angus Young. Angus Young ist für AC/DC quasi das, was Franz Müntefering für die SPD ist; Steinmeier wäre dann Brian Johnson…nein, das haut nicht hin. Ich muss mich korrigieren: Müntefering ist Malcolm Young, der verlässliche Rhythmusgitarrist. Und Angus Young ist Lafontaine, der kleine, schnelle und vielschwitzende Star. Allerdings wäre Angus Young demnach vor Jahren bei AC/DC ausgestiegen. Hm.
Ich habe Angus Young mal getroffen, das war sehr schön, denn er ist ein Held meiner Kindertage. Die Begegnung trug sich anlässlich des vorletzten AC/DC-Albums „Stiff Upper Lip“ in einem Kölner Hotelzimmer zu. Mir ist vor allem im Gedächtnis haften geblieben, daß Angus Young den Händedruck eines kränklichen Kindes besaß, aber verwegen viele Zigaretten rauchte und so lachte wie auf der Rückseite des „Highway To Hell“-Covers. Ob zu Guttenberg wohl schon mal Angus Young getroffen und ihm – in einer Qualmwolke stehend – die Hand geschüttelt hat? Er dürfte den Händedruck des Gitarristen wohl als schwächlich, womöglich gar als langschläferhaft und potenziell leistungsverweigernd empfunden haben.
Wenn Politiker auf Rockstars treffen, kommt selten etwas Gutes dabei heraus. Es sei denn, man heißt Bob Dylan und trifft Nicolas Sarkozy bzw. umgekehrt. Vor einigen Monaten wurde im Fachmagazin Rolling Stone ein Treffen der beiden am Rande eines Dylan-Konzerts in Paris dokumentiert. Es muss ein sehr seltsames Treffen gewesen sein, was naturgemäß vor allem an Bob Dylan lag.
Sarkozy fragte nämlich gleichzeitig ahnungslos und ins Herz der Materie vorstoßend: „Wo leben Sie?“
Darauf Dylan: „Genau hier…Nein, das war ein Scherz. Ich komme aus dem Lone Star State“.
Das ist lustig, denn Dylan kommt keinesfalls aus Texas. Er kommt aus Minnesota. Dylan hat Sarkozy also angeschwindelt. Und dies sogar, wie der Artikel es weiter beschreibt, noch untermauert, indem er die Schrulligkeit besaß, Sarkozy eine texanische Gürtelschnalle zum Abschied zu schenken. Toll.
Angus Young wiederum wohnt ja in einem kleinen Ort in der Nähe von Venlo, weit weg von seinen AC/DC-Kollegen. Ich glaube, trotz aller Wertschätzung für Angus Young, daß es den Glam-Faktor eines Ortes nicht eben in schwindelerregende Höhen schraubt, wenn Angus Young dort wohnt. Würde Bob Dylan dort wohnen, gäbe es sicher mehr Remmidemmi. Von zu Guttenberg mal ganz zu schweigen. Dylan aber wohnt in Florida, wo zu Beginn dieses Jahres Anwohner Anstoß an einer stinkenden Chemie-Toilette nahmen, die der grummelige Greis für seine Bodyguards auf seinem Grundstück aufzustellen die Güte hatte. Bei mir auf der Straße wohnt lediglich der Moderator der letzten DSDS-Staffel, und ich kann halbwegs stolz behaupten, noch nicht einmal zu wissen, wie genau der aussieht. Wahrscheinlich habe ich ihm schon etliche Male einen Parkplatz weggenommen, eine Vorstellung, die mir, während ich dies hier schreibe, eine gewisse kindische Freude bereitet. Immerhin stellt er keine stinkenden Chemietoiletten für seine Bodyguards auf.
Anrufer auf Leitung1: „Haaaaaalo!“
Anrufer auf Leitung 2: „Also, echt. Ich mein aber auch. Noch nicht mal eine Kommentar-Funktion im Blog einrichten und dann auch noch die Anrufer am Telefon versauern lassen!“
Ich: „Tut mir leid. Aber jetzt ist der Text auch schon wieder zu lang.“
Anrufer auf Leitung 2: „Darf ich noch eine Sache sagen?“
Ich: „Klar“.
Anrufer auf Leitung 2: „Wenn man in der Überschrift dieses Blog-Eintrags den vollständigen Künstlernamen von einem der genannten Musiker durch seinen echten Nachnamen ersetzt, reimt sich der zweite Teil der Überschrift.“
Ich: „Wirklich? Toll. Danke“.
Anrufer auf Leitung 1: „Geil“.