Sanchos Esel

Sanchos Esel

Spät essen, laut reden, wenig schlafen, kein Fahrrad haben, die Mülltrennung vergessen, dem berühmtesten Fußballverein der Welt zugucken, bei Rot

Hier tritt nicht einmal Gott zurück

Es gibt in Spanien ein Sprichwort, das vor allem auf Politiker zutrifft, dann aber auch auf alle, die beruflich oder aus anderen Gründen (Trotz, Hartnäckigkeit, Uneinsichtigkeit, Sturheit, Eitelkeit, Blödheit, Angst vor dem Abstieg) an ihrem Sessel kleben. Es heißt: „Hier tritt nicht einmal Gott zurück.“

Es gibt in Spanien ein Sprichwort, das vor allem auf Politiker zutrifft, dann aber auch auf alle, die beruflich oder aus anderen Gründen (Trotz, Hartnäckigkeit, Uneinsichtigkeit, Sturheit, Eitelkeit, Blödheit, Angst vor dem Abstieg) an ihrem Sessel kleben. Es heißt: „Hier tritt nicht einmal Gott zurück.“ Ich mag das Sprichwort ungefähr so gern wie jenes andere, das da lautet: „Den kennt nicht einmal seine Mutter.“ Man müsste Sprichwörter in andere Länder exportieren. Literarische Übersetzer, die es mit der riesigen Sprichwörtersammlung von Sancho Panza zu tun bekommen, können davon ein Lied singen. Aber davon ein andermal.

Obwohl in diesem Land also nicht einmal Gott zurücktritt, hat es ein anderer jetzt wirklich getan: Ramón Calderón ist nicht mehr Präsident von Real Madrid. Heute abend, als ich mit dem Hund ging, klang es wie ein großer, anschwellender kollektiver Erleichterungsseufzer, den der Wind fern von der Autobahn bis zu unseren Bäumen herübertrug. Drüben über dem Bernabéu-Stadion schien ein geradezu sphärischer Glanz zu liegen. Er ist weg!

Ich gestehe, dass ich die tägliche spanische Sportpresse, ob gedruckt oder im Internet, aus durchaus niederen Instinkten verfolge. Das simple Schema von Oben und Unten, um das es im Sport immer geht, von Sieg oder Niederlage, Triumph oder Blamage reicht mir an manchen Tagen als Welterklärungsmuster völlig aus. Zweifellos gibt es beim Fußball auch komplexe, vielfältig deutbare Ereignisse (von Zidanes Kopfstoß zum Beispiel wussten nicht alle, dass er als große dramatische Geste mit Callas-Dimensionen in die Weltgeschichte eingehen würde, es war eben history in the making), doch meistens ist der Sonntagabend für mich gerettet, wenn Real Madrid drei Punkte holt – das Wie ist dann schon zweitrangig.

Gerade für diesen Verein ist es besonders peinlich, einen eitlen, unfähigen Präsidenten zu haben. Leider bringt das Amt soviel Macht mit sich und lädt so flagrant zu Kungeleien, Begünstigungen und allerhand Dummheiten ein, dass schwächere Menschen sich von den Möglichkeiten der institutionellen Macht verführen lassen. Und so einer war Calderón. Keine Ahnung vom Fußball, aber den großen Zampano markieren. Jetzt ging er, wie man in Großaufnahme sah, mit Tränen in den Augen. Dankte seinen Kindern. Dankte seiner Frau. Ob sein Nachfolger besser wird? Man wagt es kaum zu hoffen. Immerhin hat der abtretende Präsident uns noch einen Standardsatz aus dem Repertoire der Gescheiterten und Gefeuerten hinterlassen, man denke sich nicht nur Tränen, sondern auch Tremolo dazu: „Ich gehe erhobenen Hauptes und reinen Gewissens.“

            Tusch! Und Vorhang.