Sanchos Esel

Sanchos Esel

Spät essen, laut reden, wenig schlafen, kein Fahrrad haben, die Mülltrennung vergessen, dem berühmtesten Fußballverein der Welt zugucken, bei Rot

Botschaft aus Pastrana: Der Kurier des Zaren

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Gelegentlich ziehe ich mich ein paar Tage ins Convento del Carmen in Pastrana (Provinz Guadalajara) zurück, ein ehemaliges Kloster, das von der Heiligen Teresa gegründet wurde und trotz eines kleinen Hotelbetriebs die Aura des sechzehnten Jahrhunderts bewahrt. Wenn ich von meiner Mönchszelle aus ins Tal voller grüngrauer Winterfarben schaue, sehe ich eine schmale Straße, auf der schon Sancho Panza geritten sein könnte.

 Gelegentlich ziehe ich mich ein paar Tage ins Convento del Carmen in Pastrana (Provinz Guadalajara) zurück, ein ehemaliges Kloster, das von der Heiligen Teresa gegründet wurde und trotz eines kleinen Hotelbetriebs die Aura des sechzehnten Jahrhunderts bewahrt. Wenn ich von meiner Mönchszelle aus ins Tal voller grüngrauer Winterfarben schaue, sehe ich eine schmale Straße, auf der schon Sancho Panza geritten sein könnte. Natürlich weiß die Cervantes-Forschung es besser; sie würde mir vorhalten, Sanchos Reiseroute sei ganz anders verlaufen. Ich wiederum könnte der Cervantes-Forschung entgegnen, Sanchos Route gebe es gar nicht, denn der kleine dicke Mann sei eine Erfindung des Cervantes. Aber lassen wir das.

In diesen Tagen bin ich im Convento del Carmen der einzige Gast. Ein Heizofen wärmt die Zelle gegen den scharfen Bergwind, der um das langgestreckte Klostergebäude weht. Drei Katzen miauen unter dem Fenster um Einlass. Miguel, der Kellner, der zum Mobiliar gehört und wie dieses mit stummer Würde altert, erzählte mir vorhin bei der Zucchini-Suppe, manchmal komme der ehemalige spanische Verteidigungsminister Federico Trillo hierher. Ich musste Miguel gestehen, Trillo ein wenig aus den Augen verloren zu haben, seit er 2004 mit der Aznar-Regierung aus dem Amt schied. Sein eindrucksvolles Bild steht mir allerdings lebhaft vor Augen. Federico Trillo ist das, was man einen schönen, stattlichen Mann nennt, mit dunklem Haar trotz vorgerückter Jahre, einem kompakten, gewissermaßen sprungbereiten Körper und einem angriffslustigen Blick, der wie geschaffen dafür scheint, Panzer und Jagdbomber zu befehligen.

Miguel rief mir eine andere Facette des Mannes in Erinnerung. Trillo nämlich hat vor Jahren eine gelehrte Studie über Shakespeare veröffentlicht, und wenn sie nicht von Panzern handelt, dann allein deswegen, weil die Shakespeare-Zeit noch keine hatte. Jedenfalls geht es in seinem Buch um politische und militärische Macht, was sonst, man ist sich als Verteidigungsminister doch etwas schuldig und liest vermutlich keine Literatur unterhalb von Königsdramen. Nicht wie bei unserem Scharping, dessen Autorität wohl auch deswegen so rasch zerfiel, weil er den Dienst im Verteidgungsministerium als missionierender Fahrradfahrer versah.

Wenn Trillo sich nach Pastrana zum Schreiben zurückzieht, sagt Miguel, dann bringt er seine beiden Leibwächter mit und schlägt im Kloster sein Gelehrtenlager auf. Der Ex-Minister schreibt auch nicht auf dem Computer, sondern mit dem Füller wie ein richtiger Mann, und seine Leibwächter tragen Pistolen. Wenn Trillo dann beim Mittagessen seine Notizen durchsieht und Nachschlagewerke konsultiert, die vor ihm auf einem alten Buchhalter ruhen, kann es geschehen, dass man ihn anruft, so dass er am Telefon mit kasernenerprobter Stimme die dringendsten Geschäfte erledigt. (Er ist Anwalt, er ist Bürgermeister, er steht mitten im Leben.) Dann aber, erzählt Miguel, wendet Trillo sich gleich wieder seinen Studien zu. Manchmal sei es sogar vorgekommen, dass der ehemalige spanische Verteidigungsminister einen seiner Leibwächter zurück nach Madrid geschickt habe, um dort ein entlegenes Buch auftreiben oder eine wichtige Quelle prüfen zu lassen. Der Leibwächter durfte seine Pistole nicht mitnehmen, Miguel musste sie für ihn verwahren. Ich aber stelle mir vor, der brave Mann habe, um den Wölfen und Wegelagerern zu entgehen, die hundert Kilometer nach Madrid in gestrecktem Galopp zurückgelegt, von einem Leibwächter Federico Trillos erwartet man nichts Geringeres.


1 Lesermeinung

  1. t.nause sagt:

    Petersilie
    Selbst wenn Sanchos...

    Petersilie
    Selbst wenn Sanchos Reiseroute ganz anders verlaufen — oder, schlimmer noch — der kleine dicke Mann eine Erfindung des Cervantes ist: der Geist von Don Quijote muss doch irgendwie über Pastrana schweben. Denn wie kommt man als Verteidigungsminister wohl sonst auf den Gedanken, einem Dutzend marokkanischen Polizisten, die auf dem unbewohnten Perejil-Felsen vor der Küste Marokkos angeblich nach Einwanderern Ausschau halten wollen (2002), mit mehr als doppelt so vielen spanischen Elitesoldaten, mehreren Kriegsfregatten, Kampfjets, U-Booten und Hubschraubern entgegenzutreten? Und wie kommt man auf den Gedanken, diese Aktion im spanischen Parlament mit den Worten „Al alba y con tiempo duro de Levante … con viento fuerte, con viento de más de 35 nudos, salieron cinco helicópteros…“ zu beschreiben, als handele es sich hier um eine Episode bei Cervantes und nicht um den massiven Einsatz spanischen Militärs? Oder sollte das ironisch gemeint sein? Da kann man eigentlich nur sagen: Viel Lärm um nichts! Denn seit dem Abzug der Spanier gehört das Eiland wieder den Ziegen und Vögeln. Und diese Ruhe wünscht man auch nach Pastrana.

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