Ob 36 oder 37 Tage, soll jetzt egal sein. Die Zahl bezeichnet einen Rekord – die längste Zeitspanne in acht Jahren, in der in Spanien keine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet wurde. Nachdem wieder eine fünfundzwanzigjährige Ecuadorianerin in Madrid erstochen worden ist – am 4. Februar, genau an dem Tag, als die Zeitung El Mundo den Rekord verkündete -, können die Statistiker mit dem Zählen von vorn beginnen.
Doch selbst diese gut fünf Wochen täuschen, der Januar war nicht gewaltfrei, denn einen Mord und mehrere Mordversuche an Frauen gab es durchaus. Ein Dossier zum Thema „Häusliche Gewalt“ in der Online-Ausgabe von El País verrät, dass am 27. Januar in Katalonien ein fünfzigjähriger Mann verhaftet wurde, der seine Schwester erstochen hatte. Da sie nicht seine Partnerin war, fällt die Ermordete aus der Statistik zur häuslichen Gewalt (violencia de género) heraus. Einen Tag darauf nahm die Polizei im andalusischen Jaén einen jungen Mann fest, der seine Freundin mit dem Messer schwer verletzt hatte.
Viele dieser Fälle gehorchen dem Klischee, das wir kennen, es ist also nicht nur wahr, sondern reproduziert sich mit besinnungsloser Regelmäßigkeit: Eifersucht, Jähzorn, Alkohol. Vorgestern erstach ein Mann in Sevilla seine Frau und sprang vom vierten Stock aus auf die Straße. Nicht immer kommt es so weit, aber der Weg dorthin, mit allen Abstufungen wie Prügel, Demütigungen, gebrochene Knochen, gehört schon wieder zum allergewöhnlichsten Privatleben, in das man sich im allgemeinen nicht einmischt. Die spanische Regisseurin Icíar Bollaín hat diese Gewaltneigung in ihrem Film Öffne meine Augen (Te doy mis ojos) in erschütternde Bilder übersetzt, die praktisch keine körperliche Gewalt zeigen. Doch Blicke, Worte und Gesten lassen die Leinwand explodieren.
Wehrt euch! heißt die Losung der letzten Jahre. Schweigt nicht, erstattet Anzeige! So steht es auch auf entsprechenden Plakaten an Bahnhöfen und Flughäfen. Ich frage mich, wie viele das wirklich können: sich wehren. Womit ich meine, ohne totgeschlagen zu werden. Bisher haben die Aufklärungskampagnen der Zapatero-Regierung das Problem nur sichtbarer gemacht, nicht kleiner. Möglich, dass die ständige Konfrontation mit den Opfergeschichten uns erschreckt, weil die Dimension der Gewalttaten – ihre Häufigkeit, ihre Gewöhnlichkeit, die Normalität, die sie umgibt – erstmals ins Bewusstsein dringt.
Glaubt man der Statistik der Hotline für Gewaltopfer, sieht die Sache düster aus. Mehr als zweihundert Telefonanrufe am Tag sind im Jahr 2008 bei der (nicht nur kostenlosen, sondern auch „unsichtbaren“) Nummer 016 eingegangen, teilt das spanische Gleichstellungsministerium mit. Die meisten Anrufe wurden in Madrid, Andalusien und Katalonien registriert. Heißt das, dort wird mehr geschlagen, erstochen, gemordet? Oder heißt es, dort fangen Frauen an, sich zu wehren?
Ich lebe in Granada und...
Ich lebe in Granada und verfolge in den lokalen Nachrichten wie es in den Provinzen und Doerfern rings um Granada Stadt zu haeuslichen Gewalttaten kommt. Ich glaube das Zentrum der haeuslichen Gewalt liegt in den Provinzen Spaniens (auch wenn die grossen Staedte die Statistiken anfuehren). Es liegen Welten zwischen Staedten wie Sevilla, Málaga und Granada und deren peripheren Provinzen. Die politische Kampagne Zapateros ist weit unterrepraesentiert in diesen Regionen, weibliche Opfer koennen von Glueck reden wenn sie in ihrem Dorf ein „Frauenhaus“ finden.