Jetzt hat sie es also geschafft, den Oscar für die beste weibliche Nebenrolle zu holen, und es gibt sicherlich viele, die ihr den gönnen. So sehr, dass in dem überschwenglichen Lob, das auf Penélope Cruz nach ihrem Triumph niederprasselte, hier und da ein gönnerhafter Ton zu vernehmen war, als hätten ihr alle in die Startlöcher geholfen. Aber das ist wohl nicht überraschend, wenn jemand aus dem Ausland kommt und sich erst einmal mit der englischen Sprache und einem Haufen Rollenklischees herumschlagen muss, bevor an ernsthafte Arbeit überhaupt zu denken ist.
Etwas anderes dagegen hat sich bestätigt: Pe wird nie die romantische leading lady werden, die Hollywood in mehreren eher missglückten Produktionen aus ihr machen wollte. Dass sie jetzt ihren größten Erfolg als Schauspielerin mit einigen kurzen, aber genau dosierten Tobsuchtsanfällen in einem Woody-Allen-Film erzielte, dem Anti-Hollywood-Produkt schlechthin, sagt eigentlich alles. Eine ähnlich witzige, ähnlich übertriebene Rolle spielte sie 1998 in Fernando Truebas Komödie La niña de tus ojos, einem in Europa weitgehend untergegangenen, in Spanien dagegen sehr erfolgreichen Film, der vor ziemlich genau zehn Jahren sieben „Goyas“ gewann.
Soll man es glauben? Pe heißt dort Macarena Granada und spielt eine junge spanische Theaterschauspielerin, in die sich bei einer Berlin-Tournee der Truppe – es ist das Jahr 1938 – ausgerechnet Joseph Goebbels verliebt. Der hinkende Möchtegern-Liebhaber sorgt natürlich für viel spanischen Klamauk. Die subtilere Komik liefert dann Hanna Schygulla als leidgeprüfte Goebbels-Frau. Ich weiß noch, wie merkwürdig es sich anfühlte, in einem Madrider Kino zu sitzen und zu hören, wie sich das spanische Publikum über die Szenen mit den tolpatschigen Nazis totlachte, die Spaßbereitschaft machte wirklich vor gar nichts Halt. Damals war Penélope Cruz 24 Jahre alt und gerade erst ihrem Dorf Alcobendas bei Madrid entwachsen, das sie in ihren Dankesworten für den Oscar erwähnte. Ein bisschen schade, dass der Film La niña de tus ojos so vergessen ist. In meiner Erinnerung bildet er ein frivoles Gegenstück zu den schwerblütigen Superproduktionen, zu denen die DEUTSCHE GESCHICHTE neuerdings so gern verarbeitet wird.
Auf dem englischsprachigen Markt wurde aus dem Originaltitel übrigens das banale „The Girl of Your Dreams“, und auch die filmhistorischen Anspielungen des Filmplakats (Ufa, Ernst Lubitsch, Cabaret) fielen ersatzlos weg.
Wer will, kann in dieser Deformation des Produktionsdesigns (sagt man das so? Gilt das auch fürs Filmplakat? Klingt jedenfalls schick) Hollywoods kulturelle Gleichmachungsmaschinerie am Werk sehen. Vielleicht ist es doch kein Zufall, dass Pe den Oscar gerade jetzt bekommen hat. Woody Allen spielt in Vicky, Cristina, Barcelona nicht nur mit ihrer Schönheit, ihrem Temperament, den hastig gerauchten Zigaretten, sondern mit allen Spanien-Klischees, die in neunzig Minuten passen. Bei ihm darf sie noch einmal das wilde Mädchen mit gerolltem -R geben, das ihr die meisten Regisseure auszutreiben versuchen.
Anmerkung: Da oben habe ich...
Anmerkung: Da oben habe ich schon dreimal geschrieben: „wie sich das spanische Publikum über die Szenen mit den tolpatschigen N A Z I S totlachte“, allerdings in normalen Lettern, und das System löscht das hässliche Wort auf geradezu wundersame Weise wieder weg. Als ob es nicht glauben wollte, dass N a z *s tolpatschig sein können. Oder als müsste es das böse Wort ächten. Rätsel der Technik.
Danke für den schönen...
Danke für den schönen Artikel und den Film-Tipp!
Mal sehen, ob die größte und gut-sortierte Videothek meiner Uni-Stadt den Film zu bieten hat. In der „Almodovar-Ecke“ steht er jedenfalls nicht.
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Diese elektronische Zensur ist wirklich eigenartig.
Hallo Paul,
Deine Erfahrung...
Hallo Paul,
Deine Erfahrung mit dem Unwort führt mich über Umwege zu einer ganz anderen Frage: Gestern wurde in Deutschland von Cem Özdemir eine Studie zur Verbreitung von Antisemitismus unter „Jugendlichen mit Migrationshintergrund“ (ein wunderbares PC-Wort, das kann mein Computer schreiben) vorgestellt. Wie steht es damit eigentlich in Spanien. Ist das Thema Antisemitismus dort ein Thema? War das Franko-Regime antisemitisch? Ein weites Feld – ich weiß! Vielleicht nicht gerade Blog-geeignet (Dein Blog ist ja eher an leichten Themen orientiert) – aber vielleicht ist das mal ein Stück in der FAZ wert.
Und jetzt versuche ich mal „Nazis“ zu schreiben! Scheint zu klappen. Du hast wohl einen politisch ganz korrekten PC von Deiner Zeitung gestellt bekommen, der Euch bestimmte Redaktionsarbeiten abnimmt.
Martin Spencker
Ha, Martin, auch Du kannst das...
Ha, Martin, auch Du kannst das böse Wort nicht schreiben! Und ich schwöre, ich habe nichts daran gefummelt. Man muss wohl die Buchstaben auseinanderziehen oder Versalien benutzen. Ich werde aber mal fragen, was die Hygienemaßnahme soll.
Das Thema Antisemitismus in Spanien ist ein interessantes Thema, der Berliner Historiker Bernd Rother hat darüber Aufsätze und ein sehr gutes Buch geschrieben – dazu mehr privat.
Es freut mich, WenigMehr, wenn...
Es freut mich, WenigMehr, wenn Ihnen die Anregung nützt. Der Film ist bei den Anbietern allerdings sehr teuer, und ich weiß nicht einmal, in welchen Sprachen es eine Synchronisation gibt. ¡Suerte!
.. und zu den "leichten...
.. und zu den „leichten Themen“ — da ist was dran, und dann auch wieder nicht. Der Blogeintrag als solcher stellt ja interessante Genrefragen. Die Frauenmorde lasse ich jetzt mal weg. Sonst kann man aber, finde ich, oft an winzigkleinen Banalitäten die ganze Absurdität der (spanischen) Politik, Wirtschaft und so fort erkennen. Der Herr Paul ist nun mal ein Geschichtenerzähler, das muss ich Ihnen nicht erklären. Und Fußball… wenn das kein ernstes Thema ist! Champions-League! Lyon, wir kommen! Und morgen auf die 9 aufpassen!
Ich hab den Film, er war mal...
Ich hab den Film, er war mal als Beilage bei El Pais dabei, aber ich muss gestehen, dass ich über die ersten 10 Minuten nicht hinausgekommen bin, irgendwas hat mich damals genervt. Aber nach diesem positiven Artikel bekommt er unbedingt eine zweite Chance!
PS. Ich versuch erst gar nicht, ein „Unwort“ zu schreiben 🙂
Mit "wir"meint Dulcinea...
Mit „wir“meint Dulcinea natürlich den FC Barcelona, sie ist ein großer Fan von Leo Messi, und die Nummer 9 ist Benzema von Olympique Lyon, während wir in Madrid dabei eher an Eto’o denken, auf den muss man im allgemeinen ja auch aufpassen. Aber ganz wichtig, Dulcinea: Barcelona spielt HEUTE, nicht morgen. Hat Ihnen das Ihre Valentina nicht gesagt?
Lieber Herr Paul, ich weiß,...
Lieber Herr Paul, ich weiß, das Barcelona heute spielt, danke, und habe nichts Gegenteiliges behauptet. Mit der 9 morgen dachte ich eher an Sie und meine natürlich (man muss es jetzt singen) „Torres, Torres, you’ll never walk alone it said…“ usw.
Dulcinea, Ihre Fürsorge wird...
Dulcinea, Ihre Fürsorge wird unvergessen bleiben.