Gestern kamen mir wieder allerhand Dinge in den Kopf, über die ich schön schreiben könnte, etwa weitere Einzelheiten zu Penélope Cruz, zum Filmedrehen in Barcelona, zu freilaufenden Hunden oder dem Irrsinn der spanischen Post. Aber natürlich war ich blockiert. Die 0:1-Niederlage von Real Madrid gegen den FC Liverpool lag erst ein paar Minuten zurück, und ich konnte mich auf nichts konzentrieren. Immerhin fügte die Pressekonferenz der beiden Trainer der Enttäuschung nichts hinzu. Beide, Juande Ramos und Rafa Benítez, machten einen überaus stillen, fast meditativen Eindruck, und wenn man es nicht gewusst hätte, wäre es schwergefallen zu sagen, welcher von beiden die Partie gewonnen hatte, so buddhistisch wirkten sie. Benítez bestand darauf, alles auf spanisch und englisch zu sagen, der Dolmetscher hatte bei ihm nichts zu tun. So ist das, wenn ein Spanier eine Sprache gelernt hat, er möchte es auch zeigen.
Was mich doch noch einmal auf Penélope Cruz und den Film Vicky, Cristina, Barcelona bringt. Zu den komischsten Einfällen von Woody Allen gehört, dass Javier Bardem zu Penélope Cruz mitten im Streit dauernd sagt: „Talk English!“ Dabei hat auch er einen kräftigen acento latino, und natürlich will er vor seiner neuen amerikanischen Freundin ein bisschen mit seinem kosmopolitischen Wesen angeben, er will, dass Scarlett Johansson „einbezogen“ wird, wie man das beziehungsdiskurstheoretisch nennt. Gerade das „Talk English“ funktioniert aber dann überhaupt nicht, die beiden (Pe und Javier) können sich nur auf spanisch fetzen (wie jeder verstehen wird, der sich schon mal in einer fremden Sprache gestritten hat), es geht nicht nur um ihre Sprache, sondern um sie selbst und ihre Geschichte, und am Ende (das wusste ich damals allerdings noch nicht) geht es natürlich auch um den Oscar, denn den hätte Pe nie bekommen, wenn sie getan hätte, was Javier Bardem von ihr forderte, nämlich englisch zu sprechen.
Dieser spanisch-englische Mix (ein cross-cultural overlapping, um es mal fein auszudrücken) war gestern im Bernabéu-Stadion auch zu spüren. Der FC Liverpool zum Beispiel hatte mehr Spanier in seinen Reihen als Real Madrid, wer hätte das vor fünf Jahren vorherzusagen gewagt? Einen spanischen Trainer haben sie ja beide. Drüben in der Nordkurve standen Liverpools Fans, die sehr schön sangen, aber wer Rabatz machte, war die riesige Übermacht der Spanier, dicht vor mir fingen sich ein paar an zu prügeln, vielleicht aus Ärger, denn gerade war das 0:1 gefallen. Ich war drauf und dran zu rufen: He, macht es nicht noch schlimmer! Dann kamen ein paar kräftige Männer in Uniform, und das Balgen hatte ein Ende.
Eine Erinnerung an andere herbe Niederlagen von Real Madrid: Die schlimmste war das 2:4 vor genau neun Jahren gegen Bayern München, hier in Madrid, ich stand zu allem Unglück auch noch hinter dem Tor, aus dem Casillas in der ersten Halbzeit drei Bälle herausholen musste, das war nicht schön. Damals verlor Real Madrid gegen Bayern innerhalb weniger Wochen dreimal und gewann nur eine einzige Partie, doch es war die entscheidende, das 2:0 in Madrid wog mehr als das 1:2 in München, und Bayern schied aus. Das tat gut. Ich höre noch die Klagen der Bayern-Spieler: Da schlagen wir sie dreimal und fliegen trotzdem raus, wo bleibt denn da die Gerechtigkeit?
Ja, wo?
Was die Narben von gestern betrifft… Um meinen Gleichmut wiederzufinden, versenke ich mich gern in ältere Literatur oder Reisebeschreibungen. In Land und Leute in Spanien aus dem Jahr 1912 schlug ich gestern den Eintrag „Fußball“ (von wegen fútbol, damals hieß das noch pelota con los pies) nach und fand folgende erhellende Zeilen: „Der Fußballsport hat auch in Spanien Anhänger und Freunde gefunden. Der Madrider Klub [das sind jetzt wohl wir], der Klub Vizcaya, der H.-F.-C. von Salamanca, der Huelva Recreation Club, der Vigoklub besitzen sehr gut geschulte Mannschaften (equipos). Die Wettkämpfe der Parteien finden stets ein großes Publikum, das die einzelnen Vorgänge des Spieles lebthaft verfolgt.“
Also, wenn das keine Beschreibung des gestrigen Abends im Bernabéu-Stadion, ja meiner Seelenlage ist. „Die Wettkämpfe der Parteien“, das gefällt mir, es hat etwas Nobles, gleichsam Antikes. Nur eben, dass Real Madrid leider keine sehr gut geschulte Mannschaft war.
Danke für diese wundervolle...
Danke für diese wundervolle Definition! Ich hoffe, Sie haben die entsprechende Passage mit Trillos Füllfederhalter kopiert. Und flinke junge Männer machen natürlich auch mir Freude! Erst, wenn kein einziger attraktiver Mann mehr auf den Spielfeldern dieser Welt steht, werde ich pelota con los pies nicht mehr anhängen (aber danach sieht es Gott sei dank nicht aus — was allerdings, Herr haadee, wirklich NICHT an Herrn Podolski liegt). Selbst dann gäbe es aber noch andere Sportarten, beispielsweise Tennis, da spielen ja heutzutage… Nun gut. Meine Gebete wurden (teilweise) erhört und wir haben in Lyon ein Tor geschafft. Mein Herz so blaugrano, es machte einen großen Hüpfer, auch wenn es nicht Messi war, sondern ein anderes Parteimitglied, das diesen rettenden Treffer erzielte.
Gern geschehen, Dulcinea....
Gern geschehen, Dulcinea. Herrn haadee fand ich auch etwas… wie soll ich sagen? Deplaziert mit seinem Podolski-Foto. Aber ich verstehe von diesen seltsamen deutschen Nationalspielern nicht so viel. Da hatte das Tor von Borussia Oedt, das haadee als youtube-Link zugänglich gemacht hat, schon mehr Charme. Ich weiß jetzt sogar, wo Oedt liegt!
Messi übrigens hat mich gegen Lyon ein wenig enttäuscht, wenn ich das anmerken darf, Dulcinea, auf hohem Niveau natürlich, aber nun. Insgesamt wird sich Barcelona wohl keine Sorgen machen müssen. Nur wir, los corazones tan blancos. Aber gibt es dafür nicht Fußball? Damit man sich um so etwas Nichtsnutziges Sorgen macht?
Sie dürfen anmerken, Herr...
Sie dürfen anmerken, Herr Paul, natürlich. Ich verschließe meine Augen nicht vor Wahrheiten. Im übrigen, das wissen Sie, Barcelona muß sich immer Sorgen machen. Wir werden (wie immer) viel leiden.
Wollen Sie denn nicht...
Wollen Sie denn nicht demnächst auf Ihrem Blog etwas ausführlicher über das Pökeln schreiben? Ich weiß darüber gar nichts. Dass Schweine die Grundlage für das Pökeln sind, sehe ich natürlich ein. Insofern haben Sie mit den Schweinen schon einen guten Anfang gemacht, namentlich mit Aurora.
Sie können mir ruhig glauben,...
Sie können mir ruhig glauben, Herr Paul, daß ich immer viele gute Vorsätze habe. Leider kommen mir diese im Laufe meiner langen, tristen und einförmigen Tage oftmals abhanden. Aber ich werde es tun, natürlich! Dann gebe ich Ihnen Bescheid.