Sanchos Esel

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Spät essen, laut reden, wenig schlafen, kein Fahrrad haben, die Mülltrennung vergessen, dem berühmtesten Fußballverein der Welt zugucken, bei Rot

Die sonderbare Geschichte vom eitlen Einbrecher

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Gestern morgen hörte ich im Radio eine Geschichte, deren Ende ich zu gern erfahren hätte. Ein dreiundzwanzigjähriger Mann, der wegen Einbruchs gesucht wurde, war nicht zufrieden mit dem Foto, das die Zeitungen von ihm druckten. Er fand, er sei darauf nicht gut getroffen. Also schickte er der Zeitung ein besseres, aktuelles mit der Bitte, künftig nur noch dieses zu verwenden.

Gestern morgen hörte ich im Radio eine Geschichte, deren Ende ich zu gern erfahren hätte. Ein dreiundzwanzigjähriger Mann, der wegen Einbruchs gesucht wurde, war nicht zufrieden mit dem Foto, das die Zeitungen von ihm druckten. Er fand, er sei darauf nicht gut getroffen. Also schickte er der Zeitung ein besseres, aktuelles mit der Bitte, künftig nur noch dieses zu verwenden. Die Moderatorin bei Radio Nacional lachte, als sie davon erzählte. Ich musste auch lachen. Aber dann wurde ich sofort wieder ernst. Meine Gedanken gingen in zwei verschiedene Richtungen. In der einen Richtung sah ich Szenen von Fahndern, Polizeiwagen und Gesichtskontrollen, in der anderen sah ich den Einbrecher allein, mit sorgenumwölkter Stirn und so von Eitelkeit zerfressen, dass er sich lieber der Polizei ausliefert, als einen Tag länger das schlechte Foto hinzunehmen, das von ihm im Umlauf ist. Hoffentlich sagt mir jemand, wie die Geschichte weitergeht. 

Vorhin habe ich draußen im Pardo wieder einen dieser Madrider Abendhimmel gesehen, die es im Herbst fast täglich gibt. Selbst wenn fette tiefgraue Wolken über der Stadt hängen wie heute, erwischt die untergehende Sonne fast immer die Bauchseite dieser Wolken und färbt alles rotorange. Einen wirklich bedeckten Himmel bekommen wir fast nie zu sehen. Normalerweise spielt sich über unseren Köpfen zur Abendstunde ein kleines Drama ab, das so schön ist, dass man Eintritt dafür nehmen könnte. Ich sage das nicht, um irgendjemandes Neid zu wecken. Ich stand selbst noch vor einigen Tagen in Frankfurt und habe am Römer ein Würstchen gegessen. Es war drei Uhr nachmittags, und im Café brannten schon dicke weiße Kerzen, alle außer mir trugen warme Winterkleidung, manchmal Wollmützen, und jeden Augenblick erwartete ich, dass sich ein paar Leute im Café in den Arm nehmen, sich aneinanderkuscheln und gegenseitig wärmen. Ich dachte an deutsche Weihnachtsmärkte, die mir ein wenig fehlen, und die vielen Tassen Glühwein, die ich nicht getrunken habe. Genug davon. Wir werden sicherlich noch über Weihnachten sprechen. Weihnachten hatten wir hier im Blog noch nie. 

Neulich hatte ich das Vergnügen, einen Vortrag vor einer gemischten deutsch-spanischen Gesellschaft zu halten. Was immer gut ankommt, um die kulturrelle Differenz zu illustrieren, ist mein Orangensaft-Beispiel. „In Deutschland“, sage ich, „könnnen Sie im Café einen Orangensaft bestellen, und Sie bekommen ein Glas Orangensaft. Ein Glas. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist eine reelle Sache. Sie bestellen etwas und bekommen es. Können Sie mir soweit folgen?“
Im allgemeinen wird an dieser Stelle genickt.
„In Spanien dagegen“, sage ich und mache eine weitere Pause, um die Spannung zu steigern, „in Spanien bekommen Sie, wenn Sie einen Orangensaft bestellen, nicht eine Sache, sondern fünf. Fünf! Stellen Sie sich das einmal vor. Und auch wenn ich keine dieser zusätzlichen Sachen benötige, liebe ich sie alle. In einer spanischen Bar kommt der Orangensaft meistens in einem langstieligen Glas (1), welches auf einem Papierlätzchen steht (2), das seinerseits auf einem Unterteller ruht (3). Auf dem Unterteller liegen ferner ein Tütchen Zucker (4) und ein Löffel (5). Wie gesagt“, wiederhole ich, „keine dieser Sachen benötige ich, denn ich trinke meinen Orangensaft ohne Zucker, und auch das Papierlätzchen müsste nicht unbedingt sein, womit ich sagen will: Dafür sollte kein Baum sterben. Aber…“
Hier mache ich wieder eine kleine Pause.
„Aber all diese nutzlosen Gegenstände, von 1 bis 5, definieren für mich die kulturelle Leistung der Spanier. Die Eleganz, den Stil, die Formen. Das wollte ich unbedingt einmal sagen.“ 

Trinken Sie viel Orangensaft. Es könnte ein langer Herbst werden.


121 Lesermeinungen

  1. abfeldmann sagt:

    'eitelkeit'.... - das ist nun...
    ‚eitelkeit’…. – das ist nun endlich wieder ein thema fuer mich. – doch ach und weh… – der anstand gebietet mir zu schweigen.

  2. Chus sagt:

    <p>Olé, don...
    Olé, don Paul!
    Genau an dem Tag, wo mein kleiner Bruder, na gut, ich habe ja auch keinen anderen, von seinem deutschen Besuch nach Madrid zurückkommt, bekomme ich so etwas Schönes über Spanien und überhaupt zu lesen… Danke. Übrigens bekommen Sie bestimmt noch eine sechste Sache dazu, IMMER in Spanien und NIE in Deutschland: Servietten. Und DIE sind wirklich notwendig. Geschweige denn, wenn man mit Kindern unterwegs ist…

  3. Chus sagt:

    <p>abfeldmann, bitte, bitte,...
    abfeldmann, bitte, bitte, sperren Sie den Anstand in die Ikea Truhe, neben der kaputten Spülmaschine (don Paul, unsere Hände sind müde…) und erzählen Sie weiter…

  4. Madrid sagt:

    Chus, denken Sie daran, dass...
    Chus, denken Sie daran, dass man Spülmaschinen auch ausräumen muss.

  5. mugabarru sagt:

    Die merengues sollten sich...
    Die merengues sollten sich langsam zur Republik bekennen, das „Real“ fallen lassen und die Copa del Rey entweder umtaufen oder einfach vergessen. So kann das doch nicht weiter gehen!

  6. Giselakemper sagt:

    Es gibt auch noch eine...
    Es gibt auch noch eine siebente Sache zum Orangensaft: Mindestens drei Eiswürfel!

  7. Madrid sagt:

    Über Nummer 6 (Serviette) und...
    Über Nummer 6 (Serviette) und Nummer 7 (Eiswürfel) habe ich nachgedacht. Servietten gibt es in spanischen Bars ja selten; sie stecken doch meistens im Spender, man muss sie sich also herausziehen. Eiswürfel wiederum bekomme ich in der Mehrzahl der Fälle nicht angeboten; damit will ich nicht sagen, es gebe sie nicht. Nur eben, dass sie nach meiner Erfahrung die Ausnahme sind.

  8. Dulcinea sagt:

    Don Paul. Ich muß gestehen,...
    Don Paul. Ich muß gestehen, daß ich die visuellen, illustrativen Elemente dieses Blogs doch sehr liebgewonnen habe in letzter Zeit! In Ihrem neuen Eintrag fehlen diese Elemente. Vollkommen! Sehen Sie das? Es fehlt ein Foto von der lachenden Moderatorin bei Radio Nacional. Es fehlt ein Foto des Madrider Abendhimmels. Ein Foto des Frankfurter Würstchens. Oder der Wollmützen. Ein Foto eines Glases Orangensaft in einer spanischen Bar. Kurz gesagt — Herbstfotos, die das Rotorange der Madrider Wolkenbäuche mit dem Orange in bauchigen Gläsern in Beziehung setzen. Das draußen mit dem drinnen. Die Natur mit der Kultur. Und so fort! Nur eine kleine Anmerkung. Nur ein kleiner Wunsch für das nächste Mal.

  9. Madrid sagt:

    Dulcinea. Ich habe diesen...
    Dulcinea. Ich habe diesen Eintrag unterwegs geschrieben. Und gesendet. Man kann das. Ich hatte allerdings weder eine Kamera noch ein Übertragungskabel für Bilder vom Telefon dabei. Abgesehen davon, dass der Akku schlappmachte. Das mag erklären, warum es diesmal keine Fotos gibt.
    Ich freue mich natürlich, dass Sie meine schlechten Bilder liebgewonnen haben. Wirklich. Ich gebe mir ja auch die größte Mühe, Ihnen die schlechtesten zu liefern, die man im Internet findet. Auf Frankfurter Würstchen möchte ich mich jetzt nicht festlegen, Dulcinea, aber den Abendhimmel werde ich Ihnen demnächst nachliefern. Versprochen. Ein eigener Eintrag für den Madrider Abendhimmel. Vielleicht wird es ja auch einen eigenen Eintrag für Orangensaftgläser in Madrider Bars geben. Das wäre eine schöne Serie. Ich werde anfangen zu sammeln. Dulcinea, Sie haben meinem Leben wieder eine Richtung gegeben.

  10. mugabarru sagt:

    Zum Madrider Himmel, dem...
    Zum Madrider Himmel, dem kastilianischen Himmel, gehören natürlich auch Velázquez mit seinem „azul noche“ und Antonio López. Eigentlich mag ich seinen Stil nicht unbedingt, doch muss ich zugeben dass er die Farben des Madrider Himmels am abend aber auch am morgen, sehr gut wiedergegeben hat. Ganz ausserordentlich finde ich das Bild dass er jahrelang von Avenida de América – María de Molina gemalt hat. Dieses zarte rosa und gold, dass ja leicht kitschig sein kann, das gibt es wirklich in Madrid und in Kastillien. Solche Farben gibt es an den Küsten nicht.
    P.S.: Dulcinea, kein Kommentar zur heutigen Blamage der Gegner ihrer Jungs? Zugegeben, ihre Jungs waren auch nicht so perfekt in den letzten Tagen, doch im Vergleich…….

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