Sanchos Esel

Sanchos Esel

Spät essen, laut reden, wenig schlafen, kein Fahrrad haben, die Mülltrennung vergessen, dem berühmtesten Fußballverein der Welt zugucken, bei Rot

Verlogen sind wir nicht – aber vielleicht dumm und vergesslich (2)

| 139 Lesermeinungen

Vor einigen Jahren schrieb Mario Vargas Llosa in seiner regelmäßigen Kolumne für El País eine glühende Verteidigung des Stierkampfs. Ob Picasso, García Lorca, Miró und andere allesamt kulturlose Gesellen gewesen seien, fragte der Schriftsteller, dass sie sich von Ritual der Tauromachie hätten anziehen lassen? Ob es ihre Kunst ohne Stiere überhaupt gäbe?

Vor einigen Jahren schrieb Mario Vargas Llosa in seiner regelmäßigen Kolumne für El País eine glühende Verteidigung des Stierkampfs. Ob Picasso, García Lorca, Miró und andere allesamt kulturlose Gesellen gewesen seien, fragte der Schriftsteller, dass sie sich von Ritual der Tauromachie hätten anziehen lassen? Ob es ihre Kunst ohne Stiere überhaupt gäbe? Und was denn mit angeblichen Tierschützern sei, die für die Abschaffung der corrida plädierten, aber nichts gegen Massenschlachtungen, Legebatterien und die Qualen der Gans sagten, die Schreckliches leiden müsse, um die leckere Leber zu produzieren? Vargas Llosa, der Peruaner mit spanischer Staatsangehörigkeit, demonstrierte mit seinem Beitrag abermals das Kulturgefälle zwischen der „lateinischen“ Welt und dem rationaleren Norden. Es gehöre eine gewisse Sensibilität dazu, den Stierkampf als das zu würdigen, was er sei, ein Kult der Empfindsamkeit.

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Als in Madrid kürzlich Günter Schwaigers Film Arena uraufgeführt wurde, lernte ich beim Wein danach die Amerikanerin Muriel Feiner kennen, die Autorin von mittlerweile sechs Büchern über das Universum der Stiere. Eines von diesen Büchern habe ich vor Jahren mit Gewinn gelesen. Auch ihren Mann lernte ich kennen, einen ehemaligen Stierkämpfer, der jetzt junge Aspiranten trainiert. Es schien mir das passende Publikum für Günter Schwaigers beeindruckenden Film, der in einem Figurenreigen verschiedene Formen der Stierkampfleidenschaft zeigt – bei einem neunjährigen Jungen, einem kaum achtzehnjährigen Jugendlichen, einem Mittzwanziger, der mit dem Tuch über die Dörfer zieht und von seinem Traum nicht lassen kann, und schließlich bei berühmten Toreros wie Sebastián Castella und José Tomás.

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Neben allem Für und Wider, das wir weder heute noch morgen schlichten werden, stach aus Schwaigers Film ein Gedanke besonders hervor, und er führt zum Kern der Debatte, um die es gehen sollte, aber leider nicht geht: dass die corrida de toros die einzige Gelegenheit in der modernen Welt ist, bei der der Tod nach festgesetzten Regeln öffentlich zur Aufführung gebracht wird. „Der“ Tod, sage ich; es genügt nicht zu sagen: der Tod des Stiers. Denn der Tod des Matadors, auch wenn er kaum noch vorkommt, ist nicht nur eine reale und stets präsente Möglichkeit, er wird von den Stierkämpfern als potentieller Teil ihrer Berufung empfunden – nicht als Berufsrisiko, so wie Springreiter vom Pferd fallen können, sondern als Pfand, das jeder einsetzen muss, der sich vor die Hörner des Stiers begibt und das Recht beansprucht, ihn zu töten. Auch deshalb genießt José Tomás unter heutigen Anhängern kultische Verehrung. Er setzt bei der corrida wirklich sein Leben ein, das Publikum spürt und respektiert es, und niemand käme auf die Idee, ihn für verrückt zu halten.

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Der öffentlich aufgeführte Tod ist keine leichte Vorstellung. Aber es ist wohl nicht genug, sich vor ihm indigniert abzuwenden. Beim Stierkampf existiert er noch, ist eingebettet in ein Regelwerk, kennt bestimmte Formen der Teilnahme, der Kritik und Zustimmung. Der französische Philosoph Francis Wolff, der 2007 das Buch La philosophie de la corrida veröffentlichte, sieht in der ritualisierten Vorführung in der Arena eine wertvollere Lebenslehre für Kinder und Jugendliche als in unserem Hang zum aseptischen Funktionsdenken und der zwanghaften Vertreibung des Todes aus dem öffentlichen Raum, um die sich unsere Pietätsgebote bemühen. Ja, uns  schaudert vor dem Gesicht des Toten, denn es erinnert uns an die eigene Sterblichkeit. Wenn getrauert wird, sprechen wir leise und legen den Finger auf die Lippen. Kinder gruselt es vor dem Leichnam, denn instinktiv begreifen sie, dass Sex und Tod die größten Geheimnisse sind, die die Älteren vor den Jüngern hüten. Ein Blick auf die Erwachsenen macht es ihnen ja begreiflich: Sie tragen Schwarz, bemühen sich um das richtige Gesicht und wollen auf Zehenspitzen anwesend sein, ohne aufzufallen. Sie würden es nicht wagen, dem Toten noch einmal unter das Augenlid zu schauen, seine gelben Hände näher zu untersuchen oder neben dem aufgebahrten toten Körper einen Witz zu machen, all das, was Kindern durchaus in den Sinn kommen könnte. Da ist es kein Zufall, sondern logische Folge, dass in vielen Autobiographien die erste Begegnung mit dem Tod von Familienangehörigen als groteske Enthüllung geschildert wird, in der ein Vorhang weggerissen und erstmals die nackte Wahrheit über das Leben gezeigt wird. Jenes Leben, zu dem der Tod unabänderlich gehört.

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Wesentlich beim Stierkampf ist, dass ihn nur erleben sollte, wer es möchte. Dasselbe gilt für aber auch für Jazzmusik und abstrakte Kunst. Ermüdend bei der gegenwärtigen spanischen Debatte um Pro und Contra der corrida ist weniger, dass die beiden Seiten nicht zusammenfinden, sondern dass sie nicht über dasselbe sprechen. Die Gegner wenden sich gegen Tierquälerei, übersehen aber, dass sie diese causa möglicherweise nur deshalb aufnehmen, weil das Töten des Stiers in der Arena die einzige ritualisierte Form des öffentlichen Todes ist, die es in zivilisierten Gesellschaften noch gibt. Warum es sie seit Jahrhunderten gibt, fragt sich kaum jemand von ihnen; was es damit auf sich haben könnte und was andere darin möglicherweise sehen, auch nicht. Das kommt mir wie eine Form kultureller Vergesslichkeit vor. Es ist wohl leichter, nach Verboten zu rufen, als sich dem Verstehen des Unbekannten auszusetzen.

[Die Fotos von Cristina G. Alía entstanden bei den Dreharbeiten zu Günter Schwaigers Film Arena.]


139 Lesermeinungen

  1. hempel54321 sagt:

    Es ist verwunderlich, dass...
    Es ist verwunderlich, dass eine Tradition wie der Stierkampf offenbar auch im aufgeklärten Norden (ich setze einfach mal voraus, dass die meisten Kommentaristen im Blog von sich sagen würden, sie gehörten dem mitteleuropäischen Kulturkreis an) zumindest auf Verständnis stösst. Mehr oder weniger nüchtern betrachtet – d.h. ohne die Beschreibung des Treibens oder Geschehens metaphysisch aufzuladen – treffen in einer Art Arena ein männliches, paarzehiges Huftier der Familie der Horntiere auf mehrere, zweibeinige Säugetiere der Gattung Homo, die Ersteres reizen und über einen bestimmten Zeitraum das Huftier mithilfe von Werkzeugen und Hilfsmitteln verletzen, um durch den Bluverlust eine gewisse Schwächung des Huftiers zu erreichen. Die Schwächung darf aber nicht zu stark sein, da ein Huftier, das ob der Schwächung einfach darnieder fällt, den weiteren Fortgang des Treibens hinderlich ist. Jedenfalls betritt im Verlauf ein eigenartig, weil beinahe clownesque gekleidetes Exemplar der zweibeinigen Säugetiere in die Arena, das zu guter Letzt den Tod des Huftieres durch einen Stoss mit einer Stichwaffe verursacht. In Einzelfällen verendet auch das zweibeinige Säugetier. Ist das Huftier getötet, applaudieren die Zuschauer und lassen das zweibeinige Säugetier ob dieser Heldentat hochleben und manchmal ist die Verzückung derart, dass gar die Ohren des Horntieres abgeschnitten werden, welche dann vom Exemplar, das den Tod verursacht hat mitgenommen werden dürfen. In diesen Fällen wird auch mitunter das genannte Exemplar auf den Schultern anderer Exemplare aus der Arena getragen. Stirbt das zweibeinige Säugetier wird das Huftier indessen nicht auf den Schultern durch die Gegend getragen. Auch bleiben dann die Ohren des zweibeinigen Säugetieres unangetastet. Manchmal reagiert das Publikum aber auch anders und winkt mit weissen Taschentüchern, was gemeinhin als Ausdruck von Ärger oder Missbilligung angesehen wird. Die Gründe für die eine oder andere Reaktion sind offenbar kompliziert und hängen mit einem Regelwerk und einem Jargon zusammen, die ermöglichen über das Geschehen in gewisser Weise in der Öfentlichkeit zu sprechen, was der Sache Bedeutung verleiht. So wird aus dem Töten eines Huftieres ein Kulturgut.
    Beim rituellen Schächten wird zar auch ein Huftier zu Tode gebracht.

  2. Madrid sagt:

    Da fehlt noch etwas, nicht...
    Da fehlt noch etwas, nicht wahr?

  3. hempel54321 sagt:

    Sie haben recht, Herr...
    Sie haben recht, Herr Ingendaay. Ich schreibe auf einem dieser Netbooks (mit einem 10-Zoll-Monitor) und die Tastatur ist verflixt klein und eigentlich war der Kommentar noch „nicht zur Veröffentlichung freigegeben“… Aber jetzt ist das Unglück nunmal passiert. So werd ich mich denn gewissermassen an eine „Zweite, durchgesehene und verbesserte Auflage“ machen. Möglichst ohne Fehler und vollständig.

  4. Madrid sagt:

    Sobald Sie den vollständigen...
    Sobald Sie den vollständigen Text senden, lösche ich den unvollständigen. Oder lösche ihn gleich, wenn Ihnen das lieber ist.

  5. mugabarru sagt:

    hempel54321, ich habe gelacht...
    hempel54321, ich habe gelacht mit ihrer nüchternen Beschreibung. Sie haben vollkommen Recht mit ihrer Ansicht als Aussenstehender. So muss ich z.B. gestehen, dass ich Stierkämpfe nie im Fernsehen sehe. Die Nahaufnahmen des leidenden Stiers stören mich. Doch muss ich auch zugeben, dass ich jede Einladung annehme, und jederzeit bereit bin einzuspringen wenn jemand, der z.B. ein Abo für die feria hat, nicht hin kann.

  6. hempel54321 sagt:

    Es ist verwunderlich, dass...
    Es ist verwunderlich, dass eine Tradition wie der Stierkampf offenbar auch im aufgeklärten Norden (ich setze einfach mal voraus, dass die meisten Kommentaristen im Blog von sich sagen würden, sie gehörten dem mitteleuropäischen Kulturkreis an) zumindest auf Verständnis stößt. Mehr oder weniger nüchtern betrachtet – d.h. ohne die Beschreibung des Treibens oder Geschehens metaphysisch aufzuladen – treffen in einer Art Arena ein männliches, paarzehiges Huftier der Familie der Horntiere auf mehrere, zweibeinige Säugetiere der Gattung Homo aufeinander, wobei Letztere das Erstere reizen und über einen bestimmten Zeitraum hinweg mithilfe von Werkzeugen und Hilfsmitteln verletzen, um durch den Blutverlust eine gewisse Schwächung des Huftiers zu erreichen. Die Schwächung darf aber nicht zu stark sein, da ein Huftier, das ob der Schwächung einfach darnieder fällt, dem weiteren Fortgang des Treibens hinderlich wäre. Jedenfalls betritt im Verlauf des Geschehens ein eigenartig, weil beinahe clownesque gekleidetes Exemplar der zweibeinigen Säugetiere die Arena, das zu guter Letzt den Tod des Huftieres durch einen Stoß mit einer Stichwaffe herbeiführt. In Einzelfällen verendet auch das zweibeinige Säugetier. Ist das Huftier getötet, applaudieren die Zuschauer und lassen das zweibeinige Säugetier ob dieser Heldentat hochleben und mitunter ist die Verzückung derart, dass gar die Ohren (genauer die Ohrmuscheln) des Huftieres abgeschnitten werden, welche dann vom Exemplar, das den Tod verursacht hat mitgenommen werden dürfen. In diesen Fällen wird häufig das genannte heldenhafte Exemplar auf den Schultern anderer Exemplare aus der Arena getragen. Stirbt hingegen das zweibeinige Säugetier wird das Huftier indessen nicht auf den Schultern durch die Gegend getragen. Auch bleiben dann die Ohrmuscheln des zweibeinigen Säugetieres unangetastet. Manchmal reagiert das Publikum aber auch anders und winkt mit weißen Taschentüchern, was gemeinhin als Ausdruck von Ärger oder Missbilligung angesehen wird. Die Gründe für die eine oder andere Reaktion sind offenbar kompliziert und hängen mit einem Regelwerk und einem Jargon zusammen, die gemeinsam ermöglichen über das Geschehen in gewisser Weise in der Öffentlichkeit zu sprechen, was der Sache Bedeutung verleiht. So wird aus dem Töten eines Huftieres ein Kulturgut.
    Beim rituellen Schächten wird zwar auch ein Huftier zu Tode gebracht; da aber die Schächtung nicht als Teil eines ritualisierten Schauspiels gesehen wird, tritt die „inhumane“ Form der Tötung in den Vordergrund, obgleich der Schächtung ein religiös-ritueller Charakter sicher nicht abgesprochen werden kann. In Ermangelung aber jeglichen heldenhaften Ringens des Metzgers mit dem todgeweihten Tiere bleiben die Schaulustigen fern.Die Schächtung hat nun einmal nur den profanen Zweck der Ermöglichung des Fleischverzehrs in ernährungsphysiologischer Hinsicht zum Motiv. Hingegen soll es beim Stierkampf um eine Ausformungen des archaischen Ringens des Menschen mit der Natur gehen, was in unserer „zivilisierten“ Epoche einzigartig sei. Epische Metaphern evozieren die wortgewaltigen Fürsprecher bei ihrer Apologie des Kampfes Stier gegen Mensch (freilich wird der Stier zum Kampf gezwungen…).Um die Kunst als solche gehe es; Kunst sei womöglich ohne das männliche Geschlecht der paarzehigen Huftiere der Familie der Horntiere gar nicht möglich (hört,hört! Jetzt fügt sich eines zum anderen… Einer von Vargas‘ Romanen heißt offenbar nicht zufällig „La Fiesta del Chivo“. Ziegen gehören ja gleichfalls zu den paarzehigen Huftieren der Familie der Horntiere…Und mit Ziegen und Stieren lässt sich trefflich feiern…). Andererseits: wie würden wohl die meisten Menschen einer Person gegenüber, die öffentlich zugäbe, mitunter ins Schlachthaus zu gehen und sich die Arbeit der Metzger anzusehen, reagieren (selbst ohne Applaus, Schultern, Ohren und weiße Tücher)? Wahrscheinlich zumindest mit Unverständnis,eher aber heftiger. Ich bin einfach unfähig zu sehen, worin der entscheidende Unterschied liegt, wenn das gleiche durch einen (zumeist) Mann in zu engen und zu bunten Hosen geschieht, der aufreizend in einer Arena herumspaziert und am Schluss eine Stichwaffe zwischen die Schulterblätter des Stieres treibt.
    Und unabhängig von der bewussten und unnötigen (und bewusst unnötigen!) Zufügung von Schmerz (als ob es nicht schon genug auf der Welt gäbe) geht es letztlich auch mir um die „Kunst“. Vielleicht bin ich ein Banause, dem der Kunstaspekt der corrida vollständig abgeht. Aber einmal ganz bildungsbürgerlich gesprochen: mich dauert, dass aus Sicht und nach dem Willen von Menschen wie Vargas beispielsweise die Werke Bachs, Dürers und so vieler anderer mit dem Stierkampf in einem Atemzug sollen genannt werden können, da es sich ja in jedem Fall um Kunst handele. Da stehen mir die Haare zu Berge.

  7. pardel sagt:

    Ist Stierkampf in einer...
    Ist Stierkampf in einer Gesellschaft, in der immer „friedlicher“ gestorben wird, intubiert, sediert, kontrolliert, noch zeitgemäß? Mariquita, was würde Ihr Vater dazu sagen, er ist doch Arzt, er hat doch einen kafkaesken Herrn K. behandelt? Gleichzeitig zerstören wir die Natur, trotz unserer Atavismen. hempels54321 Beschreibung entspricht ganz und gar meinem Naturell, die Lage stellt sich mir allerdings komplexer dar. Der Ton gefällt mir ausgezeichnet. Meine Sicht des Stierkampfes wurde bei mir entscheidend mitgeprägt von der Zeit, als es nur zwei SW-Kanäle im TV gab, und oft wurde stundenlang eine Corrida und sonst nichts übertragen. Ich fand es Todlangweilig, daran hat sich bis heute nichts geändert. Da ich anderseits mindestens so tolerant wie mugabarru bin, denke ich mir mittlerweile, wer es mag, soll es geniessen. Gerade als mitteleuropäisch Kulturgeprägter weiss ich, dass wir Zweibeiner den Tieren viel schlimmeres angedeihen lassen als eine corrida. Man könnte sogar etwas gutes daraus ziehen. Wo toros de lidia gezüchtet werden, könnte man Reservate für viele andere Tierarten einrichten, so viel Platz brauchen die Stiere. Ist zum Teil der Fall, dem iberischen Luchs wird es nicht mehr nutzen. Das Wort alimaña ist schlimmer als die corrida, es zeigt den hässlichen Spanier, seine Tierfeindliche Gessinung. Wie das Wort schon klingt! Sagen Sie es laut, Sie werden sehen, das Gesicht kriegt automatisch einen bösen, hasserfüllten Ausdruck. Wenn die corrida wenigstens ein Ventil dafür wäre, und die aficionados sonst mit Tieren anständig und respektvoll umgingen! Diese Rolle hat die corrida aber nicht. Leider. Da wäre sie mir gleich sympathischer.

  8. Dulcinea sagt:

    Es ist verwunderlich, daß...
    Es ist verwunderlich, daß eine Tradition wie das Oktoberfest offenbar auch im aufgeklärten Süden (ich setze voraus, daß die meisten Kommentatoren hier im Blog von sich sagen würden, sie haben vom südeuropäischen Kulturkreis zumindest schon einmal gehört) auf Verständnis stößt. Mehr oder weniger nüchtern betrachtet – d.h. ohne die Beschreibung des Treibens oder Geschehens metaphysisch aufzuladen – treffen auf dem Oktoberfest litergroße Biervolumina der Familie „Maß“ auf viele zweibeinige Säugetiere der Gattung Homo, die ersteres reizt und die sich über einen bestimmten Zeitraum mithilfe dieser Maßen, nun, betrinken, um durch Hirnverlust eine gewisse Schwächung zu erreichen. Die Schwächung darf aber nicht zu stark sein, da ein Homo, der ob der Schwächung einfach darniederfällt, dem weiteren Fortgang des Treibens eher hinderlich ist. Jedenfalls betreten im Verlauf des Festes viele eigenartige, beinahe clownesk gekleidete Exemplare der zweibeinigen Säugetiere die Bierzelte, die schon recht beizeiten wegen Überfüllung geschlossen werden (die Zelte). In Einzelfällen verendet das zweibeinige Säugetier. Sind die Maßen getrunken und ist die Blasmusik verhallt, applaudieren die Zuschauer und lassen sich selbst ob ihrer Heldentaten hochleben. Manchmal ist die Verzückung derart, dass gar die Biergläser gestohlen werden, welche dann von dem Exemplar, welches den Diebstahl angezettelt hat, mitgenommen werden darf. In diesen Fällen wird mitunter das genannte Exemplar auf den Schultern anderer Exemplare aus dem Bierzelt getragen. Stirbt das zweibeinige Säugetier, wird der Wiesnwirt indessen nicht auf den Schultern durch die Gegend getragen. Manchmal reagiert das Publikum aber auch anders, die männlichen stürzen sich wild und grob auf die weiblichen Anwesenden, urinieren an unschönen Orten und telefonieren dafür auf dem stillen Örtchen mit ihrem Handy. Die Gründe für die eine oder andere Reaktion sind offenbar kompliziert und hängen mit einem Regelwerk und einem Jargon zusammen, die ermöglichen, über das Geschehen in gewisser Weise in der Öffentlichkeit zu sprechen, was der Sache Bedeutung verleiht. So wird das öffentliche Sichbetrinken ein Kulturgut.

  9. Dulcinea sagt:

    Entschuldigen Sie,...
    Entschuldigen Sie, hempel54321, es mußte einfach sein. Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht krumm. Nicht alles ist nur schlecht, nur, weil wir es nicht verstehen.

  10. Madrid sagt:

    <p>Natürlich gibt es sehr...
    Natürlich gibt es sehr viele legitime Meinungen über den Stierkampf, und ich möchte nicht den Eindruck erwecken, es gehe mir darum, jemanden von etwas zu überzeugen. Allerdings frage ich mich, ob die Idee, die corrida zu verbieten, mit der Unerträglichkeit der von mir beschriebenen „Aufführung“ zu tun hat. Andersherum gefragt: Akzeptieren die meisten von uns nicht deshalb die schlimmen Missbräuche in der Vieh- und Schlachtwirtschaft, weil wir nicht gezwungen sind, sie zu sehen?

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