Sanchos Esel

Vor dem Spiel ist nach dem Spiel: Der clásico

Vor dem Spiel:

Xavi Hernández hat in einem Interview in El País erzählt, wie er sich vor einem clásico im Bernabéu-Stadion fühlt: großartig. Ehrfurchtsvoll. Voller Lust auf grandioses Spektakel. Wenn ich die Aufregung um mich herum wahrnehme – auch am Freitagabend, als mehr als eine große Handvoll Sportjournalisten aus Spanien, Deutschland, Argentinien, Chile, Italien am selben Tresen einer Madrider Bar versammelt waren -, dann muss ich gestehen, dass ich mir den Xavi-Zustand kaum ausmalen kann. Allein die Masse des Publikums, die von den Rändern der riesigen Schüssel auf die Spieler niederschaut! Dann der Lärm, die Pfiffe, die Transparente! Als ich mich bei der Bernabéu-Tour einmal neben Pellegrinis Trainerbank stellte, um von dort aus den Blick zu genießen, bekam ich einen Schrecken. Das sieht der Mann bei jedem Heimspiel? So exponiert ist er dort? Der Arme! Vielen Dank. Das ist ein Beruf für Herzinfarktkandidaten. Deswegen glaube ich auch, dass Pep Guardiola uns – den Liebhabern des Fußballs im allgemeinen, den culés im besonderen – nicht ewig erhalten bleiben wird; ich fürchte, der Mann wird vom Fußballfeuer verzehrt und muss irgendwann abspringen. Aber das ist ein anderes Thema, und ich hoffe, es wird uns in den nächsten Jahren nicht beschäftigen. 

Noch ein paar andere Gedanken, bevor ich ins Stadion ziehe. Ich freue mich darauf, Xavi, Iniesta, Messi spielen zu sehen. Der Genussmensch in mir wird sogar würdigen können, wenn sie Tore gegen Real Madrid schießen. Dennoch täte es weh, was sonst? Natürlich hätte ich gern, sie stünden auf unserer Seite. Aber das wird in diesem Leben nicht mehr funktionieren. Schade. 

Schön sind aber auch die Tore von Pipita Higuaín. Sein Antritt. Sein Instinkt. Seine definición. Das alles ist schon außergewöhnlich. Und Xabi Alonso ist ebenfalls großartig. Und Sergio Ramos kann einen tollen Tag erwischen. Oder Marcelo, van der Vaart, Arbeloa. Was ihn betrifft, den Superstar, CR9, ich mag seinen tränenfeuchten Blick zum Himmel nach vergebenen Torchancen immer noch nicht und werde ihn nie mögen. Das ist nun einmal so. Unwiderruflich. Aber er spielt auf unserer Seite. Also soll er Tore für uns schießen, Tore vorbereiten, was auch immer, ob mit Pedalen oder ohne. Eine Befürchtung sucht mich allerdings immer wieder heim, seit Beginn der Saison. Sein Egoismus könnte unser Scheitern werden. Und wir müssen sehr, sehr gut sein, um Barcelonas Mannschaftsspiel zu übertreffen. 

Später hören wir uns. Jetzt sollten wir uns lockern und regelmäßig atmen. Ein, aus. Ein, aus. Sehen Sie? Es geht doch.

Nach dem Spiel:

Man darf über Fußballspiele nicht im Konjunktiv reden, wer das tut, hat das Spiel nicht begriffen. Ist Ihnen aufgefallen, dass sich kein Tenniskommentator Spekulationen darüber hingibt, was geschehen wäre, wenn dieser oder jener Ball nicht an der oberen Netzkante hängengeblieben wäre? Es sind natürlich auch viel zu viele Punkte, als dass die konkunktivische Sprache irgendeinen Sinn hätte. Also sage ich jetzt, nach dem clásico, nur, dass es schön wäre, wenn unser Pipita Higuaín endlich auch mal in den ganz wichtigen Spielen, den grandes citas, das Tor treffen würde. Das tut er nämlich nicht. Gegen Lyon nicht. Und gegen Barcelona nicht.

Ansonsten muss man wohl festhalten, dass die Partie nicht annähernd so gut war wie frühere clásicos. Dass Cristiano wieder zu egoistisch war und entsprechend viele Tränen in den Augen hatte. Himmel! Und dass – letztens – Xavi abermals der Held des Spiels war, und zwar konkurrenzlos. Beide Tore gingen auf seine Pässe zurück, und auch die beiden enormen Torchancen von Messi in der zweiten Halbzeit (Iker war glänzend bei der Fußabwehr) hat Xavi vorbereitet. Also ein Denkmal für ihn. Und gegen dieses Denkmal gelehnt, sitzend, trinke ich meinen Ardbeg.

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