Sanchos Esel

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Spät essen, laut reden, wenig schlafen, kein Fahrrad haben, die Mülltrennung vergessen, dem berühmtesten Fußballverein der Welt zugucken, bei Rot

The Playboy of the Western World

| 97 Lesermeinungen

Letzte Gelegenheit, noch etwas über unseren neuen Trainer zu sagen, bevor in Südafrika die Bälle rollen. Denn plötzlich wurde mir bewusst, dass ich mich auf die neue Saison von Real Madrid mit José Mourinho freue. Ich weiß, dass jetzt kein Mensch daran denkt. Ende August, wie weit ist das noch hin! Aber ich schaue über die WM hinaus.

Letzte Gelegenheit, noch etwas über unseren neuen Trainer zu sagen, bevor in Südafrika die Bälle rollen. Denn plötzlich wurde mir bewusst, dass ich mich auf die neue Saison von Real Madrid mit José Mourinho freue. Ich weiß, dass jetzt kein Mensch daran denkt. Ende August, wie weit ist das noch hin! Aber ich schaue über die WM hinaus.

Was den fußballerischen Stil unseres Klubs betrifft – Stil mag ein bisschen hochgegriffen sein für das, was wir da manchmal zu sehen bekommen haben -, bin ich einfach nur gespannt. Bereit, enttäuscht zu werden. Bereit, mich überraschen zu lassen. Doch alles andere – der mögliche Ruf, den dieser Allesgewinner sich in Madrid erwerben wird, das Gerede, der Klatsch, die Schlagzeilen, die Kampagnen der Sportpresse und seine Reaktion darauf -: All das macht mich so kribbelig, wie ich es vor Beginn einer Saison schon lange nicht mehr war. Was nämlich nicht überall zu lesen stand, sich aus dem Vertrag Mourinhos jedoch zwingend ergibt, ist ein ebenso brutaler wie erfrischender Umstand: Dieser Trainer, um es in der Sprache des Westerns auszudrücken, ist Florentinos letzte Patrone.  

Bild zu: The Playboy of the Western World

Warum? Nun, erstens kommt die Verpflichtung Mourinhos einer Kapitulation gleich. Jahrelang wurden hier Glanz und Offensivfußball und die großen alten Zeiten beschworen, und wir haben gesehen, dass keiner der bisher sechs Trainer, die Florentino Pérez verpflichtet hat, sie zurückbringen konnte. Nicht den Glanz; in respektablen Ansätzen den Offensivfußball; doch ganz sicher nicht die großen alten Zeiten. Vor acht Jahren, dabei bleibt es, hat Real Madrid zum letztenmal die Champions League gewonnen – mit einem Trainer, der nicht von Florentino Pérez verpflichtet, wohl aber von ihm gefeuert wurde. Soviel zur Bilanz.

Und jetzt zweitens. Mourinho hat bei Real Madrid einen Dreijahresvertrag mit Option auf ein viertes Jahr unterschrieben. Jährliches Nettogehalt: zehn Millionen Euro. Diesen Mann wieder loszuwerden, wenn er dem Präsidenten nach einer Saison nicht mehr passt, wird in jedem Fall teuer. Manuel Pellegrini, wenn ich mich richtig erinnere, ging mit 2,5 Millionen Euro Abfindung. Bei Mourinho wäre es das Fünf- bis Achtfache. Wenn so einer gehen muss, reißt er sicherlich noch ein paar Stühle um. Wahrscheinlich auch den des Präsidenten, was mich in diesem Fall aufrichtig freuen würde. Deshalb ist es gut, dass José Mourinho kommt. Es ist die Stunde der Wahrheit, und sie sollte von starken Charakteren um zwölf Uhr mittags ausgefochten werden. Erstmals hat sich Florentino Pérez in die Hand eines Trainers, nicht eines Spielers begeben.

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Drittens. Unabhängig von Mourinhos glänzendem Ruf als Psychologe, Kämpfer und Siegertyp: Mir gefällt, dass er klar sagen wird, was er für richtig hält. Bei Marca bekommen sie schon kalte Füße bei dem Gedanken, wie Mourinhos Sprüche und Provokationen in den oficinas blancas aufgenommen werden könnten, aber gerade das macht mir daran Spaß: Diese muffigen, von gutgekleideten und vermutlich weitgehend tatenlosen Angehörigen der besseren Madrider Gesellschaft besetzten oficinas blancas gehören einmal kräftig durchgelüftet, am besten durch einen, der sich nur auf seinen Fußball konzentriert und dem völlig egal ist, was man von ihm sagt oder schreibt.

Viertens und letztens. José Mourinho ist kein Opfertyp. Sollte er in Madrid scheitern, wird er uns bestimmt sagen, woran. Und nichts würde uns mehr interessieren! Die berüchtigte Expresskündigung à la Real Madrid, die darin besteht, dass der Präsident dem Übungsleiter mit dem linken Fuß einen Tritt verpasst, während die rechte Hand schon den Scheck für die Transfergeschäfte der kommenden Saison schreibt, wird mit Mourinho nicht laufen. Dieser Mann wird die Fans von Real Madrid wieder dazu bringen, auf den Trainer zu schauen. Er will verantwortlich gemacht werden. Dafür muss er aber auch verantwortlich sein.

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Fast hätte ich es vergessen. Der Titel des heutigen Eintrags ist der eines Theaterstücks des irischen Dramatikers John Millington Synge, das man sich schon allein wegen dieser sechs Wörter im Titel anschauen sollte. Gerade, in London, habe ich übrigens wieder von Mourinho reden hören. (Vielleicht führt ja einer unserer Ex-Trainer, der schon zwei Meisterschaften für Real Madrid gewonnen hat, die Engländer zum Weltmeistertitel?) „Der wird euch helfen, wieder Erfolg zu haben“, sagte mir eine unrasierte, aber freundliche englische Seele mit Bierbauch und geschorenem Haar zum Thema Mourinho. Und er sprach den Namen „José“ aus wie „Joe“, nur mit einem „se“ hintendran. 
„Ja“, sagte ich, „könnte sein. Aber ich höre mindestens sechzig Hufe, und es könnte ungemütlich werden. In jedem Fall wird er den Frauen die Köpfe verdrehen. Sieht er nicht aus wie George Clooney?“
Da drehte eine daneben stehende Frau den Kopf und sagte: „George Clooney? Wer ist denn das?“

Sie ahnen, was auf uns zukommt. Ich blicke in die Abendröte des Westens und sage: In zehn, elf Wochen geht es los!

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                                                                     [ Fotos: AFP, dpa, AP ]


97 Lesermeinungen

  1. Dulcinea sagt:

    Kein Mensch gewinnt alle...
    Kein Mensch gewinnt alle Spiele des Lebens. Lieber das erste verlieren als das letzte!

  2. Madrid sagt:

    Dulcinea, trinken Sie auch...
    Dulcinea, trinken Sie auch zwischen jedem Kommentar einen Ardbeg? Dann wären es jetzt zwei. Den ersten haben Sie aber vielleicht etwas hastig zu sich genommen.

  3. Dulcinea sagt:

    Gekippt, könnte man sagen....
    Gekippt, könnte man sagen.

  4. Madrid sagt:

    Und... hat es geholfen?...
    Und… hat es geholfen?

  5. pardel sagt:

    So, so, Don Paul.... Urugay?...
    So, so, Don Paul…. Urugay? Hmmm… interessant. Das behalte ich im Hinterkopf.
    Jetzt ist es denkbar, dass Spanien die letzten zwei Spiele der Vorrunde gewinnt, und sich dennoch nicht für das 8el-Finale qualifiziert. Na, wenn Fußball nicht spannend ist! Ich kippe auch einen: Auf das Leben, unfair aber ehrlich! Lieber zwei.

  6. Madrid sagt:

    Vor ein paar Tagen nannte ich...
    Vor ein paar Tagen nannte ich Uruguay, weil sie eine der historischen Fußballnationen sind es jetzt genau sechzig bzw. achtzig Jahre her ist, dass sie Weltmeister waren. Und dann natürlich wegen Forlán. Wie man heute abend wieder sehen konnte. Zwar ist das Niveau der Spiele bisher außerordentlich schwach. Aber sämtliche Karten auf dem Tisch sind durcheinandergeraten – die italienischen, die spanischen, die Schweizer Karten… und die deutschen. Was sich demnächst auch wieder ändern kann. Wie schön wäre es, Italien flöge aus dem Turnier, und die Schweiz käme weiter!

  7. pardel sagt:

    Historisch ist auch Ungarn....
    Historisch ist auch Ungarn. Uruguay hat heuer bessere Chancen.

  8. Madrid sagt:

    Nein, pardel, Ungarn ist nur...
    Nein, pardel, Ungarn ist nur mythisch. Große Spieler für den Export – und kein einziger Weltmeistertitel.

  9. pardel sagt:

    Das ist Ihre Sicht als...
    Das ist Ihre Sicht als Deutscher, Ihr gutes Recht. Heute bin und fühle ich als Spanier (ebenfalls kein Weltmeistertitel). Mal zur Abwechslung.

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