Sanchos Esel

Sanchos Esel

Spät essen, laut reden, wenig schlafen, kein Fahrrad haben, die Mülltrennung vergessen, dem berühmtesten Fußballverein der Welt zugucken, bei Rot

Einer von uns

| 78 Lesermeinungen

Einer von uns feierte seinen fünfzigsten Geburtstag und hatte nach Lanzarote auf eine große Finca eingeladen. Die meisten hatten ihre Frauen dabei und die Kinder zu Hause gelassen, nur zwei von uns kamen allein.

Einer von uns feierte seinen fünfzigsten Geburtstag und hatte nach Lanzarote auf eine große Finca eingeladen. Die meisten hatten ihre Frauen dabei und die Kinder zu Hause gelassen, nur zwei von uns kamen allein. Die Gruppe stammt mehrheitlich vom Niederrhein, das ist die Heimatbasis für Wanderungen, die einmal im Jahr stattfinden und die ehemaligen Schulfreunde schon nach Frankreich und Belgien (vielleicht war es auch Luxemburg, aber ich weiß nicht, wie gut man dort wandern kann) geführt hat. Diesmal also sollte es Lanzarote sein.

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Bekanntlich hat jeder sein eigenes Verhältnis zum fünfzigsten Geburtstag. Nicht immer ist es lustig. Persönliche Befindlichkeit, Gesundheit, Beziehungsglück, Lust oder Lustlosigkeit, berufliche Situation, finanzielle Mittel, philosophischer Über- oder Unterbau, all das will in ein vernünftiges Verhältnis gebracht und sorgfältig austariert werden. War es das jetzt? Steht man dort, wo man einmal ankommen wollte? Kennt man den Weg, den man noch zu laufen hat? Manche Menschen sind nicht für Rückschauen, sondern nur für Vorausblicke gemacht.

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Der Letzte von uns, der seinen fünfzigsten Geburtstag feierte, hatte alles von langer Hand geplant, und das Wetter war ihm und uns gewogen. Von der Finca aus schauten wir auf leeres Land hinunter, weiter hinten glitzerte das Meer, nachts zeigte sich der dicke Mond, wie unser Freund ihn für diese Tage zusammen mit dem Neunsitzer bestellt hatte.

Nicht das Geburtstagskind, sondern andere sprachen vom Alter, als träfe einen die volle Wucht der Zahl fünfzig erst mit ein paar Monaten Verspätung. Einer von uns sagte, er baue keine Muskeln mehr auf, das sei vorbei, und entblößte zu Demonstrationszwecken seinen Oberarm. „Hier“, sagte er. „Schlaff.“ Ich habe nicht so genau hingeschaut, aber wirklich schlimm kann es nicht gewesen sein. Ein bisschen labberig vielleicht. Na und? Zu wenig Sport getrieben. (Zum Glück nicht geraucht.) Was aber Fünfzigjährige sind, die können die Witze nicht lassen und trinken mehrere Abende lang nicht nur auf Gesundheit und Übliches oder Unübliches, sondern eben auch auf den Muskelschwund.

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Am Samstagmorgen setzten wir von Lanzarote nach Isla Graciosa über, denn dort sollte die eigentliche Wanderung stattfinden, eine jener Unternehmungen, die für die niederrheinische Gruppe den selbstverliehenen Namen „Gipfelstürmer“ begründet. Mit Gipfeln hatten wir es dann aber nicht so, denn kaum hatten wir die letzten Häuser von Caleta del Sebo hinter uns gelassen, fing es an zu regnen. Sanchos Esel war der einzige, der keine regenfeste Jacke mitführte. Sanchos Esel hatte im Internet etwas von 24 Grad gelesen und vertrat die Meinung, die Isla Graciosa habe sich daran zu halten. Die erste Stunde war also eher unwirtlich. Einer von uns, Mr. Muskelschwund, sagte warnend, das mit dem Umlaufen der Insel könnten wir bei diesem Wetter vergessen. Wir anderen murrten wie die Mulis. Dann kamen wir nach Pedro Barba. Dort beschlossen wir, uns die Erschlaffungstheorien des einen nicht zu eigen zu machen: Wir liefen weiter.

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Und es wurde eine wunderbare Wanderung. Bald zeigte sich wieder die Sonne. Die Landschaft ist ja einerseits variabel – Küste oder Landinneres -, andererseits sieht man kaum einen Menschen und fühlt sich fast wie ein Pionier. Manche von uns wollten schwimmen gehen, aber wir verpassten den Sandstrand, also hockten wir uns an die Felsen, sahen den Wellen beim Brechen zu und aßen jeder ein Ei. Dann Sandwich, Wasser, Gummibärchen, was man so zum Durchhalten braucht. Ein- oder zweimal sahen wir Fahrradfahrer. Man kann in Caleta de Sebo, direkt an der Fähre, Fahrräder mieten, aber so gern ich das mal täte, die wahren Gipfelstürmer gehen zu Fuß. Während wir gingen, machten wir weitere Witze über das Alter.

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Nach genau fünf Stunden kamen wir ins Dorf zurück. Vier von uns brauchten jetzt dringend ein Bier, sechs wollten schwimmen. Das Wasser war wärmer als im Pool der Finca. Mr. Muskelschwund war es sich schuldig, mit zum Schwimmen zu kommen, und im Sonnenlicht sah er für seine fünfzig Jahre prima aus, wenn man nicht auf die Idee kam, an der Haut am Oberarm zu zupfen. Wir sahen leerstehende Appartements, die gerade fertiggestellt schienen und schon alt aussahen. Wir dagegen, schon länger dabei, fühlten uns ziemlich gut. Auch die Natur hat Falten und überlebt damit. 

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Nahe der Finca, bei Abfahrt und Ankunft, sahen wir ein paar Esel, und das war der Augenblick, als ich beschloss, von unseren Tagen auf Lanzarote und Isla Graciosa zu berichten. Nachts sahen wir die Langohren daliegen, und ich rief: „Foto! Foto!“, aber weil ich ganz hinten saß und kein wirklicher Gipfelstürmer bin, fuhr der Steuermann unbeirrt weiter. Am nächsten Morgen, als wir wieder ausfuhren, rief ich abermals: „Foto! Foto!“ Doch auch diesmal wurde ich überstimmt.

Erst am letzten Tag stieg einer von uns aus und machte von den Eseln einige Porträts. Im Hintergrund spannte sich ein Regenbogen, der Esel sah halb glücklich, halb nachdenklich aus, und erst, als wir schon in der Flughafenhalle standen (nur noch Mr. Muskelschwund und ich waren übrig), fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, den Esel etwas Wichtiges zu fragen: Wie alt bist du?

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                                                  [ Fotos : Haadee ]


78 Lesermeinungen

  1. turpia sagt:

    Resulta agradable que una...
    Resulta agradable que una opinión es contestada y es enriquecedor leer la opinión de otros lectores.
    Sin entrar en varios puntos de los comentarios anteriores, por el simple hecho de que me gusta siempre ser breve en mis textos, considero y es mi opinión personal, sin ningún tipo de actitud defensiva, que un espacio de opinión en un diario de la categoría de FAZ debería enfocar sus temas a mostrar aspectos de España que enriquezcan el conocimiento de los lectores.
    El FAZ es un diario alemán, y un artículo, lo mismo que un texto educativo adoctrina, enseña y muestra.
    Por lo tanto es mi deseo que en futuros artículos se aumente la seriedad sobre temas ibéricos que no me cabe duda, Paul Ingendaay tiene y conoce.
    Atentamente

  2. Dulcinea sagt:

    Aber eben, je wichtiger ein...
    Aber eben, je wichtiger ein Gegenstand ist, desto lustiger muß man ihn behandeln; sagt der Dichter.

  3. Madrid sagt:

    Ich verspreche auch, nicht...
    Ich verspreche auch, nicht ständig von Wanderungen mit Freunden zu erzählen. So viele sind es ja auch nicht. Vielleicht wieder zum Sechzigsten.
    *
    Eine Anmerkung zur Form möchte ich noch machen. Den Ernst, wie er zur Zeitung gehört, wird man eher in meinen Artikeln finden als im (persönlicheren) Rahmen dieses Blogs. Hier darf es gelegentlich auch unernst zugehen.

  4. turpia sagt:

    Estimado Paul Ingendaay, no me...
    Estimado Paul Ingendaay, no me parece mal que hable de sus amigos, ni lo cortes quita lo valiente en relación al comentario de Dulcinea. Por cierto, libro del que proviene que será siempre mi favorito.
    Pienso, creo y me interesa cuando leo sus artículos la imagen que como alemán con su pluma y sus ojos da de esa „España“ en la que reside y conoce.
    Ni tiene que prometer ni disculparse, solo haga uso de su profesionalidad y muestre el bello pais en el que vive. Y no lo digo por ser quien soy ni por venir de donde vengo. Si tuviese que escribir sobre alemania, le aseguro que haría lo posible para mostrar la alemania real y no la alemania que en España se conoce. Sobre todo aquella que se desconoce.

  5. Virtudes sagt:

    Gerade das liebe ich an Ihrem...
    Gerade das liebe ich an Ihrem BLOG, werter Don Paul. Die Leichtigkeit- die natürlich nur so aussieht-, ohne Bierernst und Verbissenheit. Und ich lerne viel fürs Leben: dass ich z.B. versäumt hatte, den Rat einer klugen Amatxu, die Socken betreffend, an meinen Sohn weiterzugeben….. Segenstiftend findet dieser Hinweis jetzt auch im Freundeskreis und auch in meiner näheren Umgebung Beachtung. Undenkbar, ein Artikel dazu im Feuilleton der FAZ.
    Die Photos sind übrigens wieder sehr schön. Sogar der Regenbogen wurde festgehalten. Dank an Haadee. Ist das der Herr mit den Bizepsproblemen?

  6. Madrid sagt:

    Liebe Virtudes, herzlichen...
    Liebe Virtudes, herzlichen Dank für Ihre Worte. Bitte haben Sie Verständnis, wenn ich meine Freunde ein wenig im Anonymen lasse. Das Lob für seine Bilder wird Haadee sicherlich freuen.
    *
    Danke, turpia. Vielleicht finden Sie auch in älteren Beiträgen im Blog das eine oder andere Unbekannte. Neben dem Leichten und Unernsten.

  7. Virtudes sagt:

    <p>Ach ich vergaß, lieber...
    Ach ich vergaß, lieber mugabarru: Anfang März bin ich auch in Madrid…. für ein paar Tage.

  8. Madrid sagt:

    In den nächsten fünf Tagen...
    In den nächsten fünf Tagen wird eher am Abend freigeschaltet. Ich gehe auf eine kleine Reise. Lassen Sie es sich gutgehen.

  9. Dulcinea sagt:

    Gut, daß Sie, werter turpia,...
    Gut, daß Sie, werter turpia, nichts wissen von den Hüften von Shakira (https://faz-community.faz.net/blogs/sancho/archive/2010/11/23/die-hueften-von-shakira.aspx), von den Beinen von Xavi und Messi (https://faz-community.faz.net/blogs/sancho/archive/2009/05/03/ich-wollte-ueber-carla-bruni-schreiben-aber-jetzt-zaehlen-nur-noch-die-beine-von-xavi-und-messi.aspx), von den Beinen von Andrés Iniesta (https://faz-community.faz.net/blogs/sancho/archive/2009/05/07/die-beine-von-andres-iniesta-oder-schoenheit-besiegt-alter-und-zieht-ins-finale-der-champions-league-ein.aspx) und – einsamer Gipfelpunkt! – von den Beinen von Carles Puyol (https://faz-community.faz.net/blogs/sancho/archive/2009/05/28/die-beine-von-carles-puyol-oder-der-schoenste-fussball-der-welt-ist-auch-der-beste.aspx)! Auch haben wir bereits erfahren, daß der Gastgeber lieber bzw. leichter über Nackte schreibt als über Zahlen, weswegen er (logischerweise!) kein Mathematiker geworden ist. Da Sie aber Heine lieben, turpia, habe ich Ihnen schon alles verziehen und bitte bleiben Sie uns treu! Spanien hat keinen besseren Anwalt als Don Paul, wahrscheinlich ist er gerade wieder diesbezüglich unterwegs!

  10. Madrid sagt:

    Danke, Dulcinea. Don Paul ist...
    Danke, Dulcinea. Don Paul ist manchmal aber auch Anwalt seiner selbst. Deswegen ist er zurzeit unterwegs. Man soll im Blog die Wahrheit sagen!

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