Sanchos Esel

Sanchos Esel

Spät essen, laut reden, wenig schlafen, kein Fahrrad haben, die Mülltrennung vergessen, dem berühmtesten Fußballverein der Welt zugucken, bei Rot

Unser 0:2 sollte uns zu denken geben

| 66 Lesermeinungen

Inzwischen habe ich mir das Videomaterial des dritten "clásico" rauf und runter angesehen, habe mich etwas beruhigt sowie zur Kenntnis genommen, dass im Netz allerhand Foto- und Filmmontagen kursieren. Unter den jeweils vereinsnahen Medien ist eine ziemlich hässliche Schlacht um die Deutungshoheit im Gange.

Inzwischen habe ich mir das Videomaterial des dritten clásico rauf und runter angesehen, habe mich etwas beruhigt sowie zur Kenntnis genommen, dass im Netz allerhand Foto- und Filmmontagen kursieren. Unter den jeweils vereinsnahen Medien ist eine ziemlich hässliche Schlacht um die Deutungshoheit im Gange. Die beiden beherrschenden Madrider Sportblätter zum Beispiel machten sich am Tag nach der Partie zum Echo der Frage von José Mourinho: Por qué? Die katalanischen Zeitungen dagegen feierten Barcelonas 2:0-Sieg im Bernabéu-Stadion als Triumph des weltbesten Spielers und zeigten den jubelnden Messi. Auch drei Tage später halten die Debatten an.

Fußball lädt nicht gerade zur Überparteilichkeit ein und kann mit Dialektik im allgemeinen wenig anfangen, schon gar nicht auf den Rängen, wenn unten der Ball rollt und die Fetzen fliegen. Aber mit Abstand, upon reflection und nach dem Studium der Fernsehbilder, kann man sich kühlere Urteile erlauben, und das Wichtigste an ihnen scheint mir, dass sie das Ergebnis nebeneinander existierender, sich nicht gegenseitig ausschließender Sachverhalte sein können. 

Die erste Erkenntnis ist, dass Real Madrid in den Spielen gegen den FC Barcelona eine Strategie verfolgt, die der Mannschaft und der Vereinsgeschichte unwürdig ist. Sie ist obendrein falsch, denn sie weicht vom üblicherweise gespielten Stil ab: un Madrid desnaturalizado. Die ganze Saison hindurch spielt Real Madrid seine besondere Form des steilen Angriffsfußballs, mit rascher Überbrückung der Räume und ohne tiqui taca , aber unzweifelhaft offensiv. Man gewinnt in der Champions League nicht 4:0 gegen Ajax Amsterdam, 4:0 gegen Auxerre und 4:0 gegen Tottenham Hotspurs, wenn man keine Tore schießen will. Oder 6:3 beim FC Valencia. Oder 8:0 in der Copa gegen Levante.

Die Mannschaft mag nicht so eingespielt sein wie Barça, der Trainer ist ja noch in seinem ersten Jahr; aber sie liegt in der Torstatistik nur wenig dahinter. Doch in den Spielen gegen den Rivalen verkriecht sich Real Madrid, verzichtet komplett auf den Ball und gibt die Fähigkeiten der eigenen Leute – man könnte auch sagen: des teuersten Kaders des Erdballs – dem Gespött preis. Der Sieg in der Copa war das Ergebnis starker Defensivarbeit und eines genialen Spielzugs; wenn man den nicht unternimmt, weil man nicht nach vorn spielt, fallen keine Tore. Insofern war Mourinhos Taktik im Halbfinalhinspiel hasenherzig, spekulierend, ja wesensfremd: Real Madrid war nie Inter Mailand und will es hoffentlich nicht werden. Und wenn es stimmt, was mein Kollege Diego Torres heute in El País schreibt, dann regt sich unter den Spielern allmählich Widerstand gegen Mourinhos Betondefensive.

Die zweite Erkenntnis ist, dass die Spieler des FC Barcelona im dritten clásico eine Strategie verfolgt haben, die der Philosophie dieses Vereins unwürdig ist. Dani Alves hat sich theatralisch und mit schmerzverzerrtem Gesicht auf dem Rasen gewälzt, obwohl Pepe ihn bei seinem Angriff mit gestrecktem Bein möglicherweise nicht einmal berührt hat. Busquets und Pedro simulierten Schläge ins Gesicht, die es nie gegeben hat. Bei jedem angeblichen Foul des Gegners stürzte eine blaurote Spielertraube klagend und gestikulierend auf den Schiedsrichter zu wie Fliegen auf den Dunghaufen. Der FC Barcelona war an diesem Abend ohne jeden Zweifel die bessere Mannschaft; doch die einstudierte Opferrolle rückwärts war eine peinliche Darbietung, die hoffentlich nicht zur Regel wird. Ich denke auch an das mögliche Champions-League-Finale gegen Manchester United.

Zu den Äußerungen von José Mourinho in seiner unseligen Pressekonferenz ist alles gesagt; der Mann ist unbelehrbar und ein kompromissloser Demagoge. Warten wir das Nachspiel in den Gremien der Uefa ab. Doch das Foul von Pepe verdient, jenseits der schauspielerischen Einlage von Alves, einen Kommentar. Es ist bei den konkurrierenden, teils frisierten Bildern schwer zu entscheiden, ob Pepe seinen Gegenspieler wirklich getroffen hat; dass sein Angriff unter anderem auf den Ball ging, ist nicht zu bestreiten. Doch er galt eben auch den Knochen von Alves und nahm gravierende Folgen „billigend in Kauf“, wie die entsprechende Formulierung lautet. Mein Eindruck ist, dass der Verteidiger von Barça sich durch blitzschnelles Zurückziehen des rechten Schienbeins vor einer schweren Verletzung bewahrt hat. Das heißt, die Form der Attacke, unabhängig vom Ergebnis, ist ahndungswürdig. Hier hatte der deutsche Schiedsrichter Wolfgang Stark laut Uefa-Reglement die Wahl zwischen Gelb und Rot. Er hat Rot gewählt. Eine harte, aber vertretbare Entscheidung. Ende der Debatte und sämtlicher Madrider Opfertheorien. Es wird eine Weile dauern, bis sich die Gemüter beruhigt haben. Erst müssen die Beteiligten ja den kommenden Dienstag überstehen. Und dann haben wir alle eine Pause verdient.


66 Lesermeinungen

  1. rouleur sagt:

    Jetzt fällt der Groschen....
    Jetzt fällt der Groschen. Köln hat gewonnen. Da simmer dabei, dat is prihima, VIIVAA COLONIAA!!

  2. pardel sagt:

    Wenn Verletzungen als...
    Wenn Verletzungen als billigend in Kauf genommen empfunden werden, ist Schauspielerei zunächst eine legitime Verteidigung. Was sonst? Zurückschlagen ist rot und zieht womöglich mehrere Spiele Sperre auf sich. Lammfromm alles schweigsam und demütig zu erdulden ist nicht in der Natur eines Spielers, und ist ohnehin nicht zielführend. Warum die Fouls von vielen Zuschauern und allen Barça-Spielern so empfunden werden, ist, glaube ich, nachvollziehbar. Natürlich bin ich nicht unparteiisch, aber dialektisch bin ich allemal. Besonders im nachhinein. Das war in den letzten zwei Wochen auf dem Spielfeld ein crescendo. Die Schauspielrei hielt Schritt. Das läßt böses Blut für das letzte Spiel befürchten. Ich weiss nicht, ob ich mich darauf noch freue. Gegen ManU, wenn es hoffentlich so weit kommt, sollte diese Art nicht mehr nötig sein.
    Wenn Medien gefälschtes Material wissentlich verbreiten, oder sogar in den eigenen Studios manipulieren, ist es für mich ein ungeheurer Skandal. Wie kann das sein? Wer ist dafür verantwortlich? Das ist doch auf dieser Ebene und in diesem Ausmaß neu, oder?
    Ach, Don Paul! Sie sagen, die Strategie Madrids sei falsch. Ich fürchte, da ist mehr als bloß Respekt, da ist Angst oder Wut im Spiel. Das Spiel vom 29. November ist nicht verarbeitet. Obendrein scheint mir bei Madrids zwei Hauptakteuren Groll und ansia (so sollen sie im Kader CR7 nennen, el ansias) den Verstand zu trüben. Mou ärgert sich schwarz, also haben wir recht. Aber wissen Sie was? Madrid könnte es immer noch ins Finale schaffen. Bei Ihrem Kollegen Torres oder bei einem nahen link habe ich etwas gelesen, was mir einleuchtete: Aus für gewöhnlich den Spielern nahe stehenden Kreisen wird verlautbart, dass man im Kader das Gefühl hat, Mourinhos Strategie laufe darauf hinaus, sich die Meriten zuzuschreiben, wenn es Erfolge gibt, und den Spielern die Schuld zuzuschieben, wenn sie verlieren. Das wäre niederträchtig. Aber wenn man nicht weiss, ob die Medien etwas erfinden oder ob es stimmt, was sie schreiben, weiss man nicht, was man davon halten soll.
    Übrigens: Barça hat es heute ebenfalls geschafft, zu verlieren. Eins ist sicher: Das war kein Zeichen gegen den eigenen Trainer. Nachlässig war’s. Aber die Nachbarprovinz freut sich sicher, nicht wahr, mugabarru? Vielleicht können sie den Abstieg noch vermeiden. Madrid ist es wohl egal. Die Liga haben sie wohl abgeschrieben. Bin gespannt, ob Mourinho heute es wieder nötig hat, einen Eklat zu provozieren.
    Gratuliere den Dortmund-Fans!

  3. rouleur sagt:

    turpia, la lenguaje de guerra....
    turpia, la lenguaje de guerra. Tan grave?

  4. turpia sagt:

    Y el Barcelona ha perdido,...
    Y el Barcelona ha perdido, menuda novela criminal „Krimi“ tenemos servida. :o)
    Un saludo a todo el WG desde Hamburgo.

  5. rouleur sagt:

    turpia, si, el lenguaje....
    turpia, si, el lenguaje.

  6. Gatamad sagt:

    Herr Ingendaay, ich bin...
    Herr Ingendaay, ich bin schockiert! Haben Sie etwa den deutschen Konsul ermordert? Warum fragt turpia sonst ausgerechnet Sie danach? Oder, Moment, wenn die Medien nicht berichtet haben, turpia es aber doch weiss, dann ist vielleicht er der Mörder. Schade dass P. Highsmith nicht mehr lebt, um ein Buch darüber zu schreiben.
    Eigentlich wollte ich nur anfragen, ob Sie demnächst einen Artikel zu Ernesto Sabatos Tod schreiben werden. Ich hoffe es, und freue mich darauf.
    Mugabarru, Ihr aufgebahrtes Plüschtier hat mich an Sabatos Tunnel erinnert. Sie haben zwar nur flüchtig den Pathos Ihrer pubertären Liebe angedeutet, und da Sie die mögliche Rückgabe des Plüschtieres erwähnten, nehme ich an, dass das Ethos siegte. Auch wenn „El túnel“ heute vielleicht als politisch unkorrekt abgehakt wird, ist es ein grossartiges Buch. Liebe und Hass, so wie die dunklen Seiten der Seele sind auch Bestandteile des Lebens.

  7. Madrid sagt:

    <p>Schön, Sie wieder zu...
    Schön, Sie wieder zu hören, Gatamad. Es gibt Sie also noch! Ja, ich habe über Sábatos Tod geschrieben. Bevor ich meinen Neffen durch ein halbes Dutzend Kneipen geführt habe. Müsste am Montag in der Zeitung stehen. Und mit der Ermordung des Konsuls habe ich nichts zu tun. Aber das ahnen Sie wohl. Auch turpia. En fin, turpia, no sé nada de nada. Lo juro.

  8. turpia sagt:

    @rouleur No modifico ni una...
    @rouleur No modifico ni una coma, cuatro partidos donde existen muchos intereses.
    Ademas todos sabemos que Madrid representa la filosofía nacionalista castellano-española con nostalgia del pasado.
    Y Barcelona todo lo contrario, una lengua-dialecto propio, intereses independentistas y otro clima que también tiene su importancia.
    Estos cuatro partidos son algo más que fútbol, uno se juega parte de el final de la liga, la copa de su majestad el Rey ya ha sido zanjada y ahora que la Champions.
    Dos entrenadores tan dispares y tan geniales, uno catalán puro, el otro con más pinta de mercenario que todavía no entiende el espíritu de Madrid.
    Guerra,……….. Barcelona y Madrid nunca ha estado en Paz.

  9. mugabarru sagt:

    Zuerst möchte ich, in Namen...
    Zuerst möchte ich, in Namen des El Corte Inglés aber auch in meinem eigenen, allen Müttern im Blog gratulieren. Dann möchte ich noch dem 1. Mai gedenken, in der Hoffnung, dass unsere Arbeitsbedingungen sich nicht noch mehr verschlechtern, und dass die Arbeitslosen nicht jede Hoffnung verlieren. So damit wäre der edle Teil des Tages erledigt.
    Pardel, wie könnt ihr euch denn von den txuri urdin besiegen lassen. Die haben wir doch letzte Woche erst besiegt, und es war gar nicht so schwer. Von mir aus dürfen die ruhig wieder absteigen, und alle zwei, drei Jahre für eine Runde wieder in die 1ª División. Wegen des Derby. Und jetzt eine etwas schwierige Frage: ¿de parte de quién estás? Ich warne dich, die Nachbarprovinz ist nicht immer nett. Du schriebst: „…aber dialektisch bin ich allemal. Besonders im nachhinein“. Klar, „después de la batalla todos somos generales“. Du hast auch vergessen zu erwähnen, dass in Barcelona immer schon grossartiges Theater gemacht wurde, und dass viele der besten spanischen Theatergruppen.- und schauspieler eben aus Barcelona kommen.
    Für den Rest können wir ja HenryCharms verantwortlich machen, er hat ja den link mit dem „italienischen Training“ hereingestellt. Dazu wird er nun stehen müssen.

  10. mugabarru sagt:

    Gatamad, ich bin schockiert!...
    Gatamad, ich bin schockiert! Haben sie etwa den deutschen Konsul ermordet? Woher wissen sie sonst, dass es Mord war und nicht etwa Selbstmord oder einfach ein Unfall im Umgang mit Waffen? Turpia erwähnte nur einen Schuss, und sie wussten gleich, dass es ein Mord war. Wenn dies stimmt, dann scheint der Mörder unter uns zu sein, im Blog. Mich gruselts.
    Ansonsten haben sie recht, ich habe in meiner Pubertät besonders viel Pathos abgesondert. Hat sich mit den Jahren von allein geregelt. Danke für ihr Verständnis.

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