Bevor ich zu tieferen Gedanken vordringe und mich dann auch schon wieder auf die Sommerferien vorbereite (noch ein einzigesmal tiefere Gedanken denken, dann ab in die Ferien und vierzehn Tage Gedankenfreiheit!), möchte ich schnell eine Absurdität des täglichen Lebens mit ihnen teilen. „Mit Ihnen teilen“ – to share with you -, diesen Spruch habe ich drauf, weil ich auf meinen kürzlichen Autofahrten zwischen Chicago und Bloomington, Indiana, einige Stunden religiöses Erweckungsradio gehört habe. Alle, die diese Erfahrung schon einmal gemacht haben, wissen, wovon ich rede. Gestern zum Beispiel habe ich die Geschichte eines Mannes gehört, dessen kleiner Sohn sehr krank wurde und der selbst in den Wochen der Anfechtung immer auf den Herrn vertraut hat.
Nach der Werbepause („We’ll be back shortly with more insights from the life of Biff Haines“) war dann auch noch von seinen Eheproblemen die Rede, über die der Herr ihm ebenfalls hinweggeholfen hat. Das fand ich schön.
„Einunddreißig Jahre verheiratet“, sagte der Moderator, „das ist eine sehr lange Zeit.“
„Ja“, sagte Buck Haines. „Da sagen Sie ein wahres Wort.“
„Einunddreißig Jahre durch dick und dünn.“
„Ganz schön viel Zeit“, sagte Bob Haines.
Was mich an diesem Radio unter anderem anzieht, ist die Flüssigkeit der Rede, begleitet von einer gewissen Cremigkeit der Worte. Me explico. Nicht nur der Moderator, auch Leute wie Bill Haines reden wahnsinnig schnell und gewandt. Natürlich tun sie das öfter, so dass es einen nicht mehr wundern dürfte, aber da glänzt so viel Schmiermittel in ihrer Rhetorik, dass ich allein um dieser cleveren Redewendungen und öligen Versatzstücke willen dabeibleibe und nicht den Sender wechsele: Ich höre religiöses Erweckungsradio statt alter amerikanischer Rockmusik.
Mit dem Cremigen wiederum meine ich, wie lässig und selbstverständlich Jesus, der Herr und der Teufel persönlich in diesen Sätzen auftauchen. „Der Teufel“, so erfuhr ich gestern durch den Moderator, habe die Bibel gelesen und kenne das Wort Gottes genau. Deswegen könne er es so geschickt verfälschen. Ich dürfe mir den Teufel aber nicht mit Hufen und verräterischem Schwanz vorstellen, sagte der Moderator (während ich froh war, dass er definitv nicht Sanchos Esel ähnelt!), sondern eher wie einen geschickten PR-Agenten, der mit dem Köfferchen durchs Land zieht und Menschen fängt. Und was soll ich sagen? Es hat mich fasziniert, mir vorzustellen, wie da ein fein gekleideter Mann unerkannt durchs Land zieht und sich, wenn keiner hinguckt, als Teufel zu erkennen gibt. Nur: wem? Ich habe mich zum Beispiel auch gefragt, ob er sich rasieren muss, der Teufel. Ob er jemals einschläft. Woran er denkt, wenn er in einem kleinen Motel ($ 36.99, free cable TV) in den Spiegel schaut. Solche Sachen.
Gegen diese Geschichten aus den Weiten zwischen Chicago, Illinois, und Bloomington, Indiana, ist das, was ich ursprünglich „mit Ihnen teilen“ wollte, ziemlich profan, das sehe ich jetzt selber. Und doch ist darin der Teufel am Werk, eben der unsere, kleinere, nennen wir es die Kraft des Dummen, Trägen und Inkonsequenten. Me explico. Vor drei oder vier Jahren, die genaue Zahl tut nichts zur Sache, schickte mir die Telefongesellschaft, die sich damals Telefónica nannte und heute movistar heißt, zuusammen mit der Telefonrechnung eine Mitteilung, in welcher dem „sehr geehrten Kunden“ folgende Mitteilung gemacht wurde: Von nun an werde er, der Kunde, alle Rechnungen in einem einzigen Umschlag erhalten, auch wenn er mehrere Telefonnummern habe. Dies, so glaube die Firma, erleichtere „die bessere Organisation des Empfangs der Rechnungen“. Ich gestehe, dass ich über diese Formulierung schon mal lachen musste. Ich sah Millionen Kunden vor mir, die allesamt mit der Organisation des Empfangs der Rechnungen beschäftigt und bisweilen damit überfordert sind. Dann sah ich eine Firma vor mir, die ihren Kunden bei der Organisation des Empfangs der Rechnungen auf selbstlose Weise hilft, und dann verschwamm das Bild zu einem rosa Wölkchen, während ein zartes Glöckchen erklang, und alles wurde gut.
Als mein Lachen verstummt war, damals, las ich den nächsten Satz des Schreibens. Er lautete, „zugleich“ (also zusammen mit der Erleichterung bei der Organisation des Empfangs der Rechnungen) stelle diese Maßnahme „dank der Verringerung des Papiers“ – ich zitiere abermals wörtlich – „eine größere Achtung vor der Umwelt dar“. Damit Sie mir glauben, folgt hier das ganze aufgeblasene Satzmonster des Bürokratenspanisch im Original: „Al mismo tiempo, gracias a la disminución de papel que representa este servicio, supone un mayor respeto con el medio ambiente.“
Und damit ist meine Geschichte schon fast zu Ende. Denn seit mehreren Jahren schickt die Telefonfirma mir einmal im Monat eine Rechnung, der ein eigenes Blatt beigelegt ist, auf welchem steht, wie toll sie Papier spart und wie respektvoll sie mit der Umwelt umgeht. Man könnte glauben, irgendwann hätten wir dummen Kunden es vielleicht mal kapiert. Aber nein. Man muss es uns einmal im Monat sagen, jahraus, jahrein, und dabei ganze Wälder zum Teufel gehen lassen. Und das – ich kann nicht anders – nenne ich den leibhaftigen Teufel.
Was für eine Geschichte!...
Was für eine Geschichte!
¡Fantástico!
"Telefónica -...
¡Fantástico!
„Telefónica – bashing“, da muss man als ständig leidender Kunde ja mitmachen! Wahrscheinlich ist die Rechnungserstellung dieser Telefonmafia die einzige verlässliche Dienstleistung. Die vertraglich zugesicherte Datenübertragungsrate kann es ja nicht sein! Die maroden Überlandleitungen in Madrid sind die reinste Frechheit. Und das Servicepersonal ist in Tochterfirmen ausgegliedert, aus Rumänien stammend und muss im Privatwagen kommen.
Aber der Teufel trägt ja wie man weiß bekanntlich Prada. Und so tritt diese Mafiaorganisation dann auf, in Deutschland unter dem Namen O2 oder ganz offen als Telefónica hier in Mexico und ganz Lateinamerika. „Somos líder mundial“. Na klar!
¡Muchas gracias de nuevo y saludos desde Ciudad de México!
¡Felizes vacaciones!
Entschuldigen sie bitte meine...
Entschuldigen sie bitte meine Unkenntnis was religiose Sphären anbelangt, aber sind Hölle und Teufel nicht von BXVI abgeschafft worden? Ist diese „new“ noch nicht in USA angekommen? In Spanien gibt es auch diese „sectas evangélicas“, die vor allem bei gitanos und latinos mit ihrem „culto“ sehr gut ankommen. Aber ich bin Europäer, und halte mich an die „Santa Madre Iglesia“ – soweit es mich interessiert -. Und Teufel und Hölle abzuschaffen ist doch eine gute Initiative, die ich voll unterstütze. Herr Ingendaay, bekennen sie sich bitte zur ihrem europäischen „etnocentrismo“, also Glauben ohne Hölle und Teufel. Sie sind in grosser Gefahr! Suchen sie bitte die nächste Bar auf, und lassen sie sich vom Kellner/in eines Besseren belehren. Kellner/innen, Nachtmenschen allgemein, haben m.E. mehr Lebenserfahrung und sind toleranter. Ich hoffe mein Rat kommt noch rechtzeitig. Sie sollten ihre Reisen, bitte schön,vorher mit der WG besprechen. Damit würden wir uns diese Schrecken ersparen. Ich glaube,ich muss sie adoptieren, um sie zu schútzen. Soviel Naivität in ihrem Alter, also wirklich!
Wenn ich jetzt anfangen...
Wenn ich jetzt anfangen müsste, mugabarru, mich zu irgendetwas zu bekennen! Das wäre schwierig. Aber Sie wissen vielleicht, dass im Mittleren Westen die Religion eine große Rolle spielt, und dieselbe Kumpelhaftigkeit, mit der Amerikaner über Mozart sprechen, haben sie auch für den Teufel reserviert. Ich spaße nicht.
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Schön, von Ihnen zu hören, Sophie! Und Thorsten Wenzel in México D.F.! Ja, Telefónica-bashing ist ein eigenes Genre, wenngleich meine französische Klimaanlagenfirma schon fast herankommt. Was wir da durchmachen müssen, und zwar alle, hieß früher einmal „Prüfungen“.
Also, ich weiß nicht, wie es...
Also, ich weiß nicht, wie es den anderen geht, aber ich muß nichts durchmachen!
Bitte? Das kann nicht sein,...
Bitte? Das kann nicht sein, Dulcinea! Das glaube ich nicht.
<p>Me explico. Ich bin mit...
Me explico. Ich bin mit Telefónica äußerst zufrieden, das Internet hat in den vier Jahren fast niemals versagt. Eigentlich nie. Im Gegensatz zum Internet anderer Anbieter. Ich bin immer online. Das muß ich nicht betonen. Ich habe eine Klimaanlage, die ich noch nicht einmal eingeschaltet habe diesen Sommer, meine Freunde werden alle nicht fünfzig und ich gehe jeden Tag baden. Die Sonne scheint. Oder meinten Sie eher … innere Prüfungen? Ich höre auch kein Radio. Aber ich werde darüber nachdenken!
<p>Dulce Dulcinea, es erfreut...
Dulce Dulcinea, es erfreut mich zu lesen dass sie nichts durchmachen. Das ist eine gute Nachricht, auch wenn unser Gastgeber daran zweifelt. Er ist halt +50, und mit Feiern überwältigt. Gönnen wir ihm die Freude.
Eben weil ich die Bedeutung der Religion in Ameria (Nord, Mittel und- Süd) kenne, bin ich ja so besorgt. Ihre Furcht sich nicht zu BXVIs Abschaffung von Hölle und Teufel zu bekennen, sorgt mich noch mehr. Denken sie etwa an Buñuel? So nah sind sie doch nicht am eigenen Tod. Gewinnen sie, bitte, Abstand, und bekennen sie sich zu irgend etwas. die WG wird es respektieren. Glauben sie an uns. Zutiefst gesorgt, ihr mugabarru.
<p>Erst einmal ein...
Erst einmal ein Glückwunsch an Dulcinea für ihre segensreiche Erfahrung mit Telefónica. Das ist ein Grund zum Feiern. Und dann eine Beruhigung für mugabarru. Reicht es Ihnen, wenn ich sage, dass mein Interesse am Teufel auch literarischer Natur ist?
Nein, Herr ingenday, das...
Nein, Herr ingenday, das reicht mir nicht. In Madrid,wo sie ja seit langer Zeit leben, gibt es ja die berühmte Statue des gefallenen Engels im Retiro-Park. Also müssten sie etwas abgebrühter sein, als Wahl-Madrilene. Wir schicken sie nicht so weit weg, damit sie in Ur-Aberglauben verfallen. Das können sie ja auch in Zugarramurdi oder anderen Teilen Spaniens haben. Die Amis glauben doch wirklich! Das ist doch das schlimme an ihnen. Meine Tante, die jahrelang in USA geforscht hat, hat immer wieder schockiert erzählt, dass Forscher, also Wissenschaftler, zugaben, täglich die Bibel zu lesen. Ich schliesse mich ihrem „no comment“ schweigend zweifelnd an. Explíquese, por favor.