Sanchos Esel

Sanchos Esel

Spät essen, laut reden, wenig schlafen, kein Fahrrad haben, die Mülltrennung vergessen, dem berühmtesten Fußballverein der Welt zugucken, bei Rot

"Best wishes, Agrippina"

| 43 Lesermeinungen

Zu früherer Gelegenheit habe ich einmal geschrieben, Buchhändler seien die besten Menschen der Welt, und obwohl ich weiß, dass solche Pauschalurteile nicht zutreffen können, dass es sicherlich einige schauerliche Gegenbeispiele gibt und in diesem Zusammenhang viel zu wenig über Sportlehrerinnen, Änderungsschneiderinnen oder Obstverkäufer gesprochen wird, von Zeitungsjournalisten ganz zu schweigen, wiederhole ich hier und jetzt: Buchhändlerinnen sind die besten Menschen der Welt.

Zu früherer Gelegenheit habe ich einmal geschrieben, Buchhändler seien die besten Menschen der Welt, und obwohl ich weiß, dass solche Pauschalurteile nicht zutreffen können, dass es sicherlich einige schauerliche Gegenbeispiele gibt und in diesem Zusammenhang viel zu wenig über Sportlehrerinnen, Änderungsschneiderinnen oder Obstverkäufer gesprochen wird, von Zeitungsjournalisten ganz zu schweigen, wiederhole ich hier und jetzt: Buchhändlerinnen sind die besten Menschen der Welt. Besonders jene, die in Antiquariaten arbeiten. Hören Sie von meiner kleinen Begegnung mit … Nennen wir sie Agrippina. 

Im Urlaub habe ich mich aus Gründen, die ich selbst nicht ganz durchschaue, mit den Kreuzzügen beschäftigt. Nach der Lektüre des ersten Bandes von Steven Runcimans legendärem Werk wollte ich etwas mehr über den Historiker selbst erfahren (er starb 2000 im Alter von siebenundneunzig Jahren) und bestellte bei einem englischen Antiquariat sein Buch A Traveller’s Alphabet: Partial Memoirs. Die Beschreibung des 1991 erschienenen Bandes im Internet lautete: „First edition, unclipped dust jacket lightly creased and worn along top and bottom edges, front cover bottom corner worn, original price label on back cover. Book and pages as new. Book dispatched within two working days by first class post.“ 

Das alles traf zu. Das praktisch neuwertige Buch traf kurz darauf in Madrid ein, ich blätterte es durch, las mich fest, riss mich los und blätterte weiter … Da sah ich es. Ich traute meinen Augen nicht, blätterte zurück und wieder nach vorn. Aber es stimmte. Die Seiten 65 bis 80 waren zweimal gedruckt worden. Sie folgten unmittelbar aufeinander. Dafür fehlten die Seiten 81 bis 96. So etwas kommt vor. Nicht oft, aber manchmal. Ich habe in meiner Bibliothek einen weiteren Fall. Wie viele Bücher einer Auflage von so einem Fehldruck jeweils betroffen sind, weiß ich nicht. Jedenfalls schrieb ich dem Buchhändler eine E-Mail. Ich schilderte den Makel und fragte, ob es das Buch in seinen Beständen vielleicht noch einmal gebe, damit man es umtauschen könne? Die Antwort von „Agrippina“ ließ nicht lange auf sich warten.

„Thank you very much for your email. This is the first time that such an issue has ever happened and we are so sincerely sorry. Albeit we do check each book, clearly we missed that production fault, which has rendered the book nearly useless. How frustrating and disappointing for you.

I have already refunded your entire order including postage. This refund should already be showing on your Amazon account. Please keep the book – it may be of some use to you. Sadly we do not have another copy, however I have checked the book listing on Amazon and there are other very good copies at competitive prices so hopefully you will be able to obtain another, perfect copy. It is unlikely that this same production fault is repeated in other copies in the same batch, however to avoid further disappointment and wasted effort on your part, it may be wise to get the chosen seller to check their edition to make sure all is in order!

I sincerely hope that refunding your costs in some way compensates you for your disappointment and subsequent efforts, meets with your approval and expectations and hope this does not put you off buying from us again in the future. Best wishes, Agrippina.“

Sie werden ahnen, was mir durch den Kopf ging, als ich diese Zeilen gelesen hatte. Ich musste sie gleich noch einmal lesen. Ich dachte an Telefónica, an meine französische Klimaanlagenfirma, an alle Dachdecker dieser Welt und den Sinn des Lebens. Als ich wieder zu mir kam, schrieb ich Agrippina, immer noch leicht benommen, einige Dankeszeilen und versicherte ihr, gern ihr treuer Kunde bleiben zu wollen. Darauf schrieb sie das Folgende:

„Thank you for such a charming and kind email and your great feedback – very appreciated. Sincerely hope you get a replacement book soon. Looking forward to hearing from you again in the future – we’ll check the pages next time! Very best wishes, Agrippina.“

Haben Sie das gelesen? Agrippina will die Seiten aller eingehenden Bücher prüfen! Sie will untersuchen, ob irgendwelche Seiten doppelt gedruckt wurden! Ich fasse es nicht. Es geht nicht darum, dass sie das am Ende kaum schaffen wird, weil so eine Kontrolle, bei Licht betrachtet, die Möglichkeiten jedes Antiquars überstiege. Es geht darum, dass sie schreibt, es tun zu wollen. Damit sagt Agrippina soviel wie: Ich werde mich um Ihr Problem kümmern. Ich werde alles unterrnehmen, um Schaden von Ihnen und anderen Buchkäufern abzuwenden. Nicht die reale Möglichkeit ist das Thema, sondern die Geste des Kundendienstes.

Ich schrieb noch einmal zurück, ob sie etwas dagegen habe, wenn ich in meinem Blog von unserem Fall berichtete, er komme mir bemerkenswert vor. Doch Agrippina meldete sich nicht mehr. So, denke ich, muss es sein. Denn würde Agrippina sich bei mir melden, könnte sie nicht mehr ihrer buchhändlerischen Arbeit nachgehen – das Prüfen der Seiten neu eingegangener Titel nicht zu vergessen! -, und außerdem bin ich mir fast sicher, dass andere, frisch hinzugekommene Buchkäufer ihres Trostes jetzt dringender bedürfen als ich. Wir Leser, wir Kunden sind ja sehr viele; doch es gibt nur eine Agrippina.


43 Lesermeinungen

  1. Dulcinea sagt:

    Vielleicht ist es nun aber so,...
    Vielleicht ist es nun aber so, daß dafür eine anderere glückliche Leserin doppelte Sexualfreuden in ihrem Buch hatte? Irgendwo müssen die vertauschten Bögen ja sein. Sie wäre dann auf jeden Fall besser dran als der zermürbte Klassenfeind.

  2. stefanmadrid sagt:

    Diese ganzheitliche...
    Diese ganzheitliche Betrachtung Dulcineas finde ich absolut sympathisch, obwohl Redundanz nicht doppelte Freude bedeutet. Eher im Gegenteil.

  3. Madrid sagt:

    Dulcineas Betrachtungen sind...
    Dulcineas Betrachtungen sind immer sympathisch.
    *
    Ich möchte anfügen, dass Don Alphonso letztes Jahr aus Siena etwas über E-Reader und die Ewigkeitserwartungen an dieselben schrieb. Sie können sich denken, was. Aber vielleicht bin ich ja der Einzige, der dergleichen einmal zu ganz spezifischen Zwecken ausprobieren will. Ein großer Teil alter historischer Literatur in englischer Sprache ist nämlich kostenlos auf diese Geräte zu laden. In einem Jahr werde ich darüber einen ausführlichen Bericht vorlegen.

  4. pardel sagt:

    Gratuliere, Don Paul! Ihnen...
    Gratuliere, Don Paul! Ihnen passieren immer wieder schöne Sachen, eine sehr hübsche Geschichte. Vermutlich haben Sie die richtige Einstellung, um solche Reaktionen bei Ihren Mitmenschen hervorzurufen. Sie haben es ja auch geschafft, dass ich selbst höflich wurde. Und das ganz ohne Druck auszuüben, einfach indem Sie mit gutem Beispiel vorangegangen sind! Das ist wohl das Geheimnis. Dulcinea kann es auch. Ich über weiter.
    Ich werde mir dieses Jahr noch endlich einen Reader kaufen. Nicht, um meine Bibliothek zu ersetzen, sondern als Ergänzung. Einen Grund haben Sie schon erwähnt, es gibt noch ein Paar andere. Ich überlege nur noch, welches Gerät es sein soll. Reine reader mit e-Ink sind sehr gut zu lesen und die Batterien halten ewig. Preiswert sind sie obendrein. Dafür können die nur das eine: Texte (und SW-Zeichnungen) zeigen. Tabletts hingegen können mehr, und in Farbe, dafür ermüden sie die Augen und die Batterien machen nach einem Tag schlapp. Und unter 500 € gibt’s nichts vernünftiges. Aber zum Herbst sind einige Modelle angekündigt, die sehr interessant klingen. Obendrein kann man darauf zeichnen. Что делать? Ich würde ebenfalls sehr gerne von anderen WGlern erfahren, was sie für Erfahrungen mit eBooks gemacht haben. Spätestens zu Weihnachten werde ich eine eigene Meinung haben.
    Sie machen Urlaub in Madrid, Don Paul? Ohne Verkerschaos ist es eine richtig schöne Stadt, nicht wahr?

  5. Madrid sagt:

    <p>Über Ihre Höflichkeit...
    Über Ihre Höflichkeit musste sich hier noch niemand beklagen, pardel. Sie kokettieren!
    Was die E-Reader betrifft, können wir ja gegen Weihnachten unsere Erfahrungen austauschen. Ich habe den iPad bei Menschen in nächster Umgebung im Einsatz gesehen. Toll. Wenn man dergleichen will. Aber dann sehe ich mir meinen Tag an. Meine Stunden. Die Struktur meines Lebens. Und dann sage ich mir: Ich brauche Geräte der Versenkung, nicht Geräte der Zerstreuung. Für jeden, dem es mehr auf Textsammlungen gerade in englischer Sprache – neben der Bibliothek, nicht stattdessen – ankommt, ist der E-Reader eine Erweiterung der Möglichkeiten. Besonders dann, wenn man viel reist. Schleppen Sie mal mehr als einen schönen Band der Folio Society herum! Ich habe die meisten Trollopes in dieser wunderbaren Ausgabe. Auch mein Runciman ist von Folio. Aber inzwischen stoße ich an Grenzen, was den Platz betrifft, obwohl im Haus viele Meter Regalfläche vorhanden sind. Also. Das eine oder andere darf körperlos existieren und kann einfach mitgenommen werden. Später mehr davon.
    Die Ferien sind vorbei, ich arbeite also, aber Madrid im August ist ein Traum. Deswegen bin ich ja jetzt hier!

  6. Savall sagt:

    Ich bin ja hoffnungslos...
    Ich bin ja hoffnungslos altmodisch und bekennender Bibliomane. Insofern fällt es mir schwer, objektiv zu urteilen. Ich habe mir testhalber einen Amazon Kindle (ohne 3G) und alternativ den Weltbild-Reader von Trekstor zugelegt. Die Erfahrungen sind sehr durchwachsen. Der Trekstor mit seinem LCD-Bildschirm ist einfach nur Schrott, als Reader vollkommen ungeeignet. 8 h Akkulaufzeit bei 6 h Ladezeit über USB und 4 h Ladezeit über Netzteil ist einfach nicht praxisgerecht. Dabei ist er äußerst träge, man muß Adobe Digital Editions installieren und die Übertragung geht nur über USB. Allerdings stellt er PDFs von Google-Books ganz ordentlich dar. Der Kindle ist ein e-Ink-Gerät. Akkulaufzeit 2-3 Wochen, Ladezeit mit Ladegerät 2-3 h. Die Darstellung von Amazon-e-Books ist ordentlich, allerdings stört mich die fehlende Typographie sehr. Was mir gefällt: es gibt ein breites Spektrum an kostenlosen Klassikern, die blitzschnell heruntergeladen sind, das Gerät ist sehr leicht und mit der Lederhülle liegt es gut in der Hand, das Lesen geht ermüdungsfrei auch über längere Zeit, der Akku hält sehr lange. Was mir nicht gefällt: das Angebot an aktueller deutschsprachiger Literatur ist sehr schmal, epubs mit DRM werden nicht unterstützt, PDFs sind im Prinzip nicht lesbar (keine Skalierung), der Kontrast ist mir zu flau (der Hintergrund ist mir zu dunkel), es fehlt mir die Möglichkeit des schnellen Blätterns, keine echten Seitenzahlen, sondern nur Relativpostionen und Prozentangaben. Zudem sind viele e-Books schlampig gemacht. Ich hatte letztens die gekürzte Ausgabe von Macaulays Englischer Geschichte von Manesse gelesen. Bei Amazon gab es kostenlos die fehlenden Bücher 1 und 2. Wegen des miserablen Inhaltsverzeichnisses war es mir aber nicht klar, ob ich Buch 2 habe. Erst als ich beim Lesen an die entsprechende Stelle kam wußte ich, daß auch Buch 2 da war. Störend ist auch, daß es zu den kostenlosen Büchern keine bibliographischen Informationen außer Titel und Autor gibt. Ich nehme den Kindle jetzt eigentlich nur für unterwegs oder für „Schundliteratur“, die ich zur Unterhaltung lese und die sonst nur die Regale verstopft, wie Neal Stephensons Barock-Trilogie, die jetzt platzsparend auf dem Speicherchip liegt. Die momentanen Reader sind meines Erachtens nur eine Notlösung und nicht für den Massenmarkt tauglich.

  7. Madrid sagt:

    Interessant, Savall, Sie sind...
    Interessant, Savall, Sie sind schon weiter. Bei Macaulay fand ich jetzt – vor zehn Jahren fand ich das nicht, aber just heute morgen fand ich es! -, dass die Typographie mir zu klein ist. Ich habe eine alte Everyman-Ausgabe von 1906, die jahrzehntelang so nachgedruckt wurde. Bei Folio gibt’s die schöne fünfbändige zum halben Preis von früher, aber sie ist immer noch nicht billig, und schleppe ich sie durch die Gegend? Ich probiere demnächst, wenn der E-Reader bei mir ist, ein paar dieser Texte aus, vor allem die kostenlosen Klassiker. Dann weiß ich mehr. Gelegentlich darf man Macaulay lesen statt Spiegel online.

  8. pardel sagt:

    Aber nein, ich kokettiere...
    Aber nein, ich kokettiere nicht! Ich wollte nur Dulcinea einen Kompliment machen. Glatte fünf Zeilen habe ich dafür gebraucht. Ihnen wollte ich natürlich auch einen Kompliment machen, das ging schneller und einfacher. Wir lesen übrigens ganz unterschiedliche Bücher und Genres, das finde ich lustig.
    Danke, Savall, eine sehr nützlich Zusammenfassung Ihrer Eindrücke. Das sind also die Fehler, die man vermeiden sollte, wenn man ein eBook verlegt? Sie wünschen gute Typographie, feste Seiten (ja, natürlich! Wie soll man sonst zitieren? Aber Skalierbarkeit ist auch eine feine Sache, ich habe mittlerweile auch eine Lesebrille. Wie geht beides zusammen?), schnelles und präzises Umblättern (einschl. Inhaltsverzeichnis), das hört sich vernünftig an . Ich meine, Anmerkungen am Rande machen zu können wäre auch naheliegend und wünschenswert. Aber es sind ja nicht nur die Fehler zu bedenken, die man als Autor bzw. Verleger begehen kann, es sind auch die Fehler zu berücksichtigen, die dem Gerät inherent sind. Also nochmals: Что делать? Was soll ich kaufen? Wofür soll ich mich entscheiden? Lesbarkeit? eBook. Interaktivität? Tablet. Ausdauer? eBook. Graphik? Tablet. Ich muss zugeben, ich neige zum Tablet. Vermutlich im Oktober. So lange grüble ich noch, und bitte weiterhin alle um Anregungen.

  9. Dulcinea sagt:

    Dieses Kompliment nehme ich...
    Dieses Kompliment nehme ich gerne an, pardel, vielen Dank! Nein, Sie kokettieren nicht, das stimmt. Ich glaube, Sie sind eher nicht der Typ dafür, und ich wollte es auch schon schreiben, aber Sie sind mir zuvorgekommen. Um Ihre Kommentarzeit lag ich allerdings noch offline auf der Wiese neben dem Schwimmbad und dachte an die diesjährige Weihnachtslotterie. Zum Thema! Da ich Kleinkinder im Haus habe, kommt nach allem, was Sie schreiben, für mich nur das eBook bzw. das Lesegerät dafür in Frage. Für langweilige e-Ink dürften sich diese Händchen nämlich nicht interessieren, und dann muß ich mein Gerät nicht mit irgendwelchen Dschungelbuchfanatikern teilen! Aber ich warte vielleicht noch ein wenig, bis alle von Savall angesprochenen Mängel behoben sind.

  10. Savall sagt:

    Um Mißverständnissen...
    Um Mißverständnissen vorzubeugen: die Amazon-eBooks sind im mobi-Format hinterlegt. Das ist plain text mit ein paar Formatierungsanweisungen. Diese eBooks lasen sich natürlich skalieren. Schriftgröße, Zeilenabstand, 3 Schriftarten, Hoch- oder Querformat. Das Problem dabei ist die relative kleine Seitengröße von 9 x 13 cm. Das ist weniger als bei einem Reclam-Heft. Dadurch gibt es natürlich wenig Gestaltungsspielraum. Was nicht zu skalieren ist, sind PDF-Dateien. Da wird einfach die komplette PDF-Seite auf die Bildschirmgröße reduziert. Das heißt, eine Seite A5 in der PDF wird auf 9 x 13 zusammengepreßt und ist einfach nicht mehr lesbar. Die Ausschnittsvergrößerung, die es gibt ist nicht praktikabel. Anmerkungen lassen sich jetzt schon machen und es können auch Lesezeichen gesetzt werden. Bei mir ist es so, daß nach einer begeisterten Spielphase am Anfang doch ziemlich Ernüchterung eingekehrt ist. Der Reader ist nützlich, aber bestenfalls eine Ergänzung.

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