Jeden Tag liest man Nachrichten über die Auswirkungen der Krise, und das einzige, was noch fehlt, ist die nähere Erläuterung, ob es sich um weitere Effekte der amerikanischen Kreditkrise oder der europäischen Schuldenkrise oder der spanischen Immobilienkrise oder der internationalen Haushaltskrise oder der allgemeinen Aktien- und Geldmarktkrise oder überhaupt der universalen Sinnkrise handelt, denn man neigt allzu leicht dazu, die letzte zu vergessen. Jetzt haben sich auch die spanischen Fußballer angeschlossen, genauer gesagt, die Spielergewerkschaft des spanischen Profifußballs. Sie protestieren gegen die Zahlungsunfähigkeit zahlreicher Vereine, die ihren Angestellten schon seit Monaten keine Gehälter mehr zahlen – die Rede ist von insgesamt 42 Millionen Euro – und sich teils ins Konkursrecht flüchten, um die finanziellen Ansprüche der Spieler auf die Hälfte zu reduzieren.
Also droht Streik: Möglicherweise wird der erste Spieltag der Primera División nicht wie geplant am 21. August stattfinden, sondern erst am … sagen wir, an Heiligabend, das ist der Ausweichtermin, der allen Ernstes genannt wurde. Und theoretisch könnte auch der zweite Spieltag am 28. August kippen, obwohl ich das für unwahrscheinlich halte, und dafür wäre als Nachholtermin der 28. Dezember vorgesehen. Zum Glück essen die Spanier keine Weihnachtsgans. Können Sie sich vorstellen, wie die Spieler nach den Feiertagen statt des Balls über den Platz rollen würden? Das nenne ich eine Wettbewerbskrise.
Ein anderes Beispiel: Letzten Donnerstag hatten in Kastilien-La Mancha siebenhundert (und damit mehr als die Hälfte aller) Apotheken geschlossen, weil die Autonomiebehörden ihnen seit Mitte Mai 125 Millionen Euro schulden. Die Apotheker fühlten sich alleingelassen und wussten einfach nicht weiter, sie sagen: Wir können uns nicht noch weiter verschulden, um so viel Geld vorzustrecken. Die Antwort der Behörden war, wegen der Schließung mit Geldstrafen zwischen 3 000 und 15 000 Euro zu drohen. Weitere Regionen schweben in ähnlicher Gefahr, auch in Murcia oder auf den Balearen könnte es zu Protestschließungen von Apotheken kommen. Jeder wälzt die Folgen der Krise auf den anderen ab. Und der andere sind naturgemäß wir, die Allgemeinheit. Ich habe schon Kommentare gelesen, die den solidarischen Fußballern das Streikrecht verwehrten, weil sie, die Millionäre, bitte einzusehen hätten, dass fünf Millionen Spanier arbeitslos seien und man ihnen nicht auch noch den Wochenendfußball wegnehmen dürfe!
Ja, aber es geht eben nicht nur um die Millionäre, die den Weltmeistertitel geholt haben. Es geht auch um das unbekannte Fußvolk (nunca mejor dicho) des Ligabetriebs der zweiten Kategorie, jene Akteure, deren Gehälter in den letzten Jahren geschrumpft sind und die nicht wissen, wie lange sie ihren Sport überhaupt noch betreiben können. Zu schweigen von den Klubs, von denen wir nicht wissen, wie lange es sie noch gibt. Zu schweigen von dem ganzen hypertrophierten System, das gerade vor unseren Augen zu Boden kracht und vorläufig nur die beiden großen Mannschaften verschont, deren Supercopa-Hinspiel ich gerade im Bernabéu-Stadion gesehen habe. Aber das ist ein anderes Thema, über diesen Pepe verliere ich heute kein Wort. Zumindest nicht hier.
Ein anderes Thema, das ist mein Stichwort. Eigentlich will ich nämlich immer etwas anderes erzählen, als ich gerade erzähle. Gerade auch wieder. In Wirklichkeit wollte ich vom Urlaub erzählen und dem Toastbrot, das wir gleich am ersten Tag gekauft haben. Unseren Antikrisentoast. Sie sehen ihn hier im Bild.
Zuerst sagten wir uns: Den dürfen wir nicht antasten. Der Antikrisentoast muss aufbewahrt werden, gleichsam als Dokument, als Willenserklärung. Dann setzte sich die Auffassung durch, dass man die Krise nicht sinnvoll bekämpfen kann, wenn man Brot verderben lässt und obendrein hungrig ist, also brachen wir die Packung mit schlechtem Gewissen an, um davon zu essen, sorgten aber dafür, dass sie vorher porträtiert wurde. Wir nahmen uns auch Zeit, die aussagekräftigen Einzelheiten auf der Toastpackung zu studieren: etwa den Appellcharakter, der in der Wahl der roten Farbe liegt. Das Dringliche, Aufmunternde, ja Propagandistische, was dem ganzen Produkt anhaftet. Dann fiel unser Blick auf dieses Detail:
Da wussten wir, dass kein Zweifel mehr möglich war. Wir hatten eine subtile Botschaft aufgefangen. Die Worte „larga duración“ beziehen sich auf die Krise selbst. Die Krise, in der wir alle stecken, sie wird von langer Dauer sein! Sie wird bleiben, sich einnisten, uns begleiten über viele Jahre. Sie wird nicht mehr weggehen, so sehr wir es uns auch wünschen würden. Wir sollten unsere Ansprüche herunterschrauben, lautet die Botschaft. Wir sollten Antikrisentoast essen, gründlich kauen und bedächtig schlucken. Wer weiß, wann es wieder etwas gibt?
[ Fotos: Thomas Krupke ]