Sanchos Esel

Sanchos Esel

Spät essen, laut reden, wenig schlafen, kein Fahrrad haben, die Mülltrennung vergessen, dem berühmtesten Fußballverein der Welt zugucken, bei Rot

Bitte gründlich kauen

| 19 Lesermeinungen

Jeden Tag liest man Nachrichten über die Auswirkungen der Krise, und das einzige, was noch fehlt, ist die nähere Erläuterung, ob es sich um weitere Effekte der amerikanischen Kreditkrise oder der europäischen Schuldenkrise oder der spanischen Immobilienkrise oder der internationalen Haushaltskrise oder der allgemeinen Aktien- und Geldmarktkrise oder überhaupt der universalen Sinnkrise handelt, denn man neigt allzu leicht dazu, die letzte zu vergessen.

Jeden Tag liest man Nachrichten über die Auswirkungen der Krise, und das einzige, was noch fehlt, ist die nähere Erläuterung, ob es sich um weitere Effekte der amerikanischen Kreditkrise oder der europäischen Schuldenkrise oder der spanischen Immobilienkrise oder der internationalen Haushaltskrise oder der allgemeinen Aktien- und Geldmarktkrise oder überhaupt der universalen Sinnkrise handelt, denn man neigt allzu leicht dazu, die letzte zu vergessen. Jetzt haben sich auch die spanischen Fußballer angeschlossen, genauer gesagt, die Spielergewerkschaft des spanischen Profifußballs. Sie protestieren gegen die Zahlungsunfähigkeit zahlreicher Vereine, die ihren Angestellten schon seit Monaten keine Gehälter mehr zahlen – die Rede ist von insgesamt 42 Millionen Euro – und sich teils ins Konkursrecht flüchten, um die finanziellen Ansprüche der Spieler auf die Hälfte zu reduzieren.

Also droht Streik: Möglicherweise wird der erste Spieltag der Primera División nicht wie geplant am 21. August stattfinden, sondern erst am … sagen wir, an Heiligabend, das ist der Ausweichtermin, der allen Ernstes genannt wurde. Und theoretisch könnte auch der zweite Spieltag am 28. August kippen, obwohl ich das für unwahrscheinlich halte, und dafür wäre als Nachholtermin der 28. Dezember vorgesehen. Zum Glück essen die Spanier keine Weihnachtsgans. Können Sie sich vorstellen, wie die Spieler nach den Feiertagen statt des Balls über den Platz rollen würden? Das nenne ich eine Wettbewerbskrise.

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Ein anderes Beispiel: Letzten Donnerstag hatten in Kastilien-La Mancha siebenhundert (und damit mehr als die Hälfte aller) Apotheken geschlossen, weil die Autonomiebehörden ihnen seit Mitte Mai 125 Millionen Euro schulden. Die Apotheker fühlten sich alleingelassen und wussten einfach nicht weiter, sie sagen: Wir können uns nicht noch weiter verschulden, um so viel Geld vorzustrecken. Die Antwort der Behörden war, wegen der Schließung mit Geldstrafen zwischen 3 000 und 15 000 Euro zu drohen. Weitere Regionen schweben in ähnlicher Gefahr, auch in Murcia oder auf den Balearen könnte es zu Protestschließungen von Apotheken kommen. Jeder wälzt die Folgen der Krise auf den anderen ab. Und der andere sind naturgemäß wir, die Allgemeinheit. Ich habe schon Kommentare gelesen, die den solidarischen Fußballern das Streikrecht verwehrten, weil sie, die Millionäre, bitte einzusehen hätten, dass fünf Millionen Spanier arbeitslos seien und man ihnen nicht auch noch den Wochenendfußball wegnehmen dürfe!

Ja, aber es geht eben nicht nur um die Millionäre, die den Weltmeistertitel geholt haben. Es geht auch um das unbekannte Fußvolk (nunca mejor dicho) des Ligabetriebs der zweiten Kategorie, jene Akteure, deren Gehälter in den letzten Jahren geschrumpft sind und die nicht wissen, wie lange sie ihren Sport überhaupt noch betreiben können. Zu schweigen von den Klubs, von denen wir nicht wissen, wie lange es sie noch gibt. Zu schweigen von dem ganzen hypertrophierten System, das gerade vor unseren Augen zu Boden kracht und vorläufig nur die beiden großen Mannschaften verschont, deren Supercopa-Hinspiel ich gerade im Bernabéu-Stadion gesehen habe. Aber das ist ein anderes Thema, über diesen Pepe verliere ich heute kein Wort. Zumindest nicht hier.

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Ein anderes Thema, das ist mein Stichwort. Eigentlich will ich nämlich immer etwas anderes erzählen, als ich gerade erzähle. Gerade auch wieder. In Wirklichkeit wollte ich vom Urlaub erzählen und dem Toastbrot, das wir gleich am ersten Tag gekauft haben. Unseren Antikrisentoast. Sie sehen ihn hier im Bild.

Zuerst sagten wir uns: Den dürfen wir nicht antasten. Der Antikrisentoast muss aufbewahrt werden, gleichsam als Dokument, als Willenserklärung. Dann setzte sich die Auffassung durch, dass man die Krise nicht sinnvoll bekämpfen kann, wenn man Brot verderben lässt und obendrein hungrig ist, also brachen wir die Packung mit schlechtem Gewissen an, um davon zu essen, sorgten aber dafür, dass sie vorher porträtiert wurde. Wir nahmen uns auch Zeit, die aussagekräftigen Einzelheiten auf der Toastpackung zu studieren: etwa den Appellcharakter, der in der Wahl der roten Farbe liegt. Das Dringliche, Aufmunternde, ja Propagandistische, was dem ganzen Produkt anhaftet. Dann fiel unser Blick auf dieses Detail:

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Da wussten wir, dass kein Zweifel mehr möglich war. Wir hatten eine subtile Botschaft aufgefangen. Die Worte „larga duración“ beziehen sich auf die Krise selbst. Die Krise, in der wir alle stecken, sie wird von langer Dauer sein! Sie wird bleiben, sich einnisten, uns begleiten über viele Jahre. Sie wird nicht mehr weggehen, so sehr wir es uns auch wünschen würden. Wir sollten unsere Ansprüche herunterschrauben, lautet die Botschaft. Wir sollten Antikrisentoast essen, gründlich kauen und bedächtig schlucken. Wer weiß, wann es wieder etwas gibt?

                                                                      [ Fotos: Thomas Krupke ]


19 Lesermeinungen

  1. Savall sagt:

    Das Krisenbrot und das...
    Das Krisenbrot und das Alkmene-„Ach!“ in der heutigen Printausgabe haben mich jedenfalls sehr erheitert. Das bedeutet es also, die Krise als Chance zu betrachten. Und wenn es nur die Chance eines Peelings ist.

  2. Madrid sagt:

    Ja, die Chancen warten...
    Ja, die Chancen warten überall. Bisher war noch keine dieser Schönheitsofferten an Männer gerichtet, aber ich warte darauf, dass mir mal jemand einen vernünftigen Vorschlag macht, was ich für mich tun könnte. Viele Männer, so heißt es, sind schon aktiv dabei, an sich selbst Renovierungsarbeiten vornehmen zu lassen.

  3. mugabarru sagt:

    Gatamad, wenn sie die...
    Gatamad, wenn sie die genaueren Details, die kleingedruckten, zur grosszügigen, willkürlichen, päpstlichen Vergebung der Frauen die abgetrieben haben und es bereuen, finden sollten, bitte lassen sie es mich wissen. Um nichts auf der Welt möchte ich auf die Kommentare mehrer Frauen in meiner Umgebung verzichten wenn ich ihnen die Kunde von dieser Versöhnungsgeste der höchsten katholischen Instanz verkünde. Eigentlich hätte amatxu ihnen politisches Asyl in Zarautz anbieten müssen. Doch in unserer Ecke sind wir jeden 31.7., davor und danach, den verschiedensten Ehrungen von San Ignacio de Loyola ausgesetzt. Auch furchtbar internation. Sie wissen ja, Jesuiten. Nun, dulce Dulcinea, nicht immer ist „ein paar Dörfer weiter das Leben heiter“.
    Bekanntlich bin ich ja fast nicht nachtragend, und fast ohne Vorurteile. Aaaaaaber, dass ich nicht Papst werden kann nur weil ich unehelich geboren wurde, das gefällt mir nicht. Das ist altestamentarisch. Wenn schon testamentarisch, dann bitte berri (neu auf baskisch). Schliesslich hätte dies gefälligst meine eigene Entscheidung sein müssen.
    Und HenryCharms, ich bin einverstanden mit ihne: das Kosten-Argument ist total verlogen, und einseitig. Es gilt nur dann, wenn es dem eigenen politisches Interesse nützlich ist. Die vielen Polizisten, deren Ueberstunden, Transport, Unterkunft und Verpflegung, zahlen sie und ich, und andere, von unseren Steuern. Ich ganz unfreiwillig, muss ich gestehen. Und das Argument, dass die Million Pilgerer den Umsatz des Gaststättegewerbe steigern, wird z.B. nich akzeptiert wenn die Gay-Pride Parade in Madrid abläuft, die aber vom spanischen Ratshaus boykottiert wird. Dabei wissen sie ja nur zu gut, dass ich ein begeisterter Sponsor dieses Gewerbes bin. Ich kann denen nur, aus ganz egoistischen Gründen, das Weiterbestehen wünschen und viel Erfolg wünschen. Und da es ganz ehrlich keine Frage von Kosten/Umsatz ist, sondern eine einfach ideologische Entscheidung, will ich lieber nicht auf den Umsatz/Person von den Pilgerern und den Besuchern der Gay-Pride-Parade eingehen. Letzere übernachten nicht kostenlos in Schulen und Polideportivos. Vergessen wir einfach die verlogene Kosten-Nutzen-Analyse. Die institutionelle katholische Kirche hat in Spanien immer noch eine Sonerposition, die einfach nicht zu rechtfertigen ist.

  4. pardel sagt:

    Ich weiss nicht, ob das hier...
    Ich weiss nicht, ob das hier paßt, oder ob Sie, Don Paul, den Journalisten Joaquín Soler Serrano kennen, (nebenbei: „A fondo“ – zusammen mit „La Clave“ – war in meiner Kindheit/frühe Jugend prägend, YouTube hat merkwürdige Überraschungen parat) aber ich kam heute durch Zufall, als das Interview mit Cortázar sah, auf dieses Interview mit Serrat, und ich dachte mir, Sie würden es mögen. Gatamad und mugabarrus amtxu vielleicht auch. Es ist etwas lang und vielteilig, aber dennoch oder gerade desswegen, ich hoffe es gefällt Ihnen:
    https://www.youtube.com/watch?v=EV6pZGLgLvw&feature=related
    https://www.youtube.com/watch?v=0IBLtn31GGE&NR=1
    https://www.youtube.com/watch?v=M-267PsU94c&NR=1
    https://www.youtube.com/watch?v=DpadNMhY55U&NR=1
    https://www.youtube.com/watch?v=FZuNI7WNXY0&feature=related Basora, César, Kubala y Manchón (sin Serrat) 😉 Kann Serrat gelogen haben? Er, bei einem pardido de veteranos? So gut ist YouTube auch wieder nicht – ich weiss es nicht. Wäre großartig!
    https://www.youtube.com/watch?v=-A1jmCrH3GU&feature=related
    https://www.youtube.com/watch?v=xQ0nUfTMCVs&feature=related
    https://www.youtube.com/watch?v=EvNjNfwNq4I&feature=related

  5. mugabarru sagt:

    Das mysthische Ambiente des...
    Das mysthische Ambiente des Blogs hat mich eiinfach ergriffe. Da ich in den letzten Woche keinen Sport betreiben konnte, habe ich ein Gürtelloch zugenommen. Amatxu rät zu Diät, ich dachte eher an mehr Training. Doch ich bin erleuchtet worden, hier im Blog: Ich versuche es mit beten. Demnächst mein Erfahrungsbericht……..

  6. mugabarru sagt:

    Bei allem Respekt, es gibt...
    Bei allem Respekt, es gibt Dinge die wirklich hardcore und mittelalterlich, für mich nicht nachvollziehbar, klingen: https://www.abc.es/20110816/sociedad/abci-reliquia-juan-pablo-201108162028.html
    Ich musste sofort an die copla „El relicario“ denken: Pisa moren
    pisa con garbo, que un relicario
    que un relicario me voy hacer
    con el trocito de mi capote
    que haya pisado
    que haya pisado tan lindo pie.“
    Der torero dieser copla starb in der Arena, wie es sich für einen torero „de más tronio y el más castizo de to Madrid“ auch gehört. Von Nachahmungen wird abgeraten.
    Eiin bisschen Auflärung wäre bestimmt nicht schädlich.

  7. mugabarru sagt:

    Dulce Dulcinea, danke für ohr...
    Dulce Dulcinea, danke für ohr Angebot men Tafelsilber zu reinigen. Das kann ich nocht annehmen. Bleichen sie mir bitte weiter, wike bisher meine weissen Hemden. Dafür bn ich ihnen schon dankbar genug.
    Sind sie sicher, dass ich den Kauf der Weihanchtslotterie übernehmen soll? In Bilbao fallen weniger Preise als in Madrid, und das ist kein nationalistisches Ressentiment, sondern Statistik. Aber ich bin gerne bereit die Aufgabe zu übernehmen, soweit die WG auch dazustimmt. Ich kann das Los natürlich auch in Madrid kaufen, das wäre kein Problem. Wir müssen uns nur über die zu spielende Nr einig werden,
    So jetzt gehe ich ins Bett und lese Boris Vian.

  8. Madrid sagt:

    Ich gehe auch ins Bett, lese...
    Ich gehe auch ins Bett, lese aber keinen Lichtenberg mehr.

  9. Dulcinea sagt:

    Ich gehe nicht ins Bett, ich...
    Ich gehe nicht ins Bett, ich brauche keinen Schlaf. Aber ich wache gern!
    .
    Mein lieber mugabarru, ganz im Gegensatz zu Reliquien, Jungfrauen und Päpsten kenne ich mich ganz prima mit dem Putzen von Tafelsilber, dem Putzen von allem anderen, dem Bleichen, dem Brotbacken und dem Zerteilen von Suppenhühnern aus. Der Suppenhuhnhimmel wäre nicht derselbe ohne mich. Gut. Und ich sage: natürlich sollen Sie es machen! Aber nicht in Madrid, hier handeln wir. HenryCharms, stefanmadrid, Don Paul und die anderen Figuren. Sie müssen im Baskenland handeln, mugabarru, swiftly and with style!

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