Magnus Carlsen dominiert das Schach der Gegenwart. Manche sagen, einen so perfekten Spieler gab es noch nie. Einen glasklaren Stil wie frühere Meister hat er nicht, sein Markenzeichen ist eigentlich bloß, dass am Ende einer Partie meist er sie irgendwie gewonnen hat, oft nach vielen Stunden; die Gegner wirken wirklich physisch niedergerungen.

Sicherlich ist er der coolste Schachweltmeister seit Jahrzehnten, der erste, der Werbung für Markenjeans gemacht hat. Und einer, der während eines WM-Duells abends schon mal mit den Mitarbeitern Bowlen geht anstatt Eröffnungs-Varianten zu büffeln, der nicht so abgehoben ist wie ein Garri Kasparow, nicht so kühl wie ein Anatoli Karpow, so freundlich wie der Inder Vishy Anand, aber weniger förmlich. Schließlich einer, der zwar Berufs-Schachspieler ist, dabei aber häufig so wirkt, als wäre es eigentlich sein liebstes Hobby und im Grunde ein großer Spaß.
Schon lange kennt Carlsen den amerikanischen Weltklasse-Großmeister Hikaru Nakamura, unzählige Male haben sich die beiden am Brett gegenüber gesessen, in Langzeitpartien spricht die Bilanz deutlich für Carlsen. Nakamura ist 29 Jahre alt, drei Jahre älter als der Weltmeister. Eine vielsagende Anekdote darüber, wie sehr beide das Schachspiel mögen, ist aus dem November 2010 überliefert. Die Blitzschach-Weltmeisterschaft in Moskau war eben zu Ende gegangen, der Weltmeister aus Norwegen „nur“ Dritter geworden und beinahe schon zur Tür hinaus. Da fragte ihn ein amerikanischer Reporter, was er nun machen wolle. Einen festen Plan habe er nicht, erwiderte Carlsen und sagte dann: „Warte, magst du Nakamura fragen, ob er hundert Blitzpartien spielen will?“ Nakamura, der sogar bloß auf dem fünften Platz gelandet war, sagte zu – bis ungefähr um halb fünf Uhr am Morgen zockten sie, hundert Spiele waren es nicht geworden, aber genügend. Dass Carlsen wohl ein paar mehr als Nakamura gewann, war nicht mehr als eine Randnotiz.

Nakamura, der im Alter von zwei Jahren aus Japan in die Vereinigten Staaten emigrierte, ist für seinen kompromisslosen Angriffsstil bekannt und beliebt. In der angelsächsischen Presse hat ihm das den Spitznamen „H Bomb“ eingebracht. Immer wieder gehört er zu denen, die genannt werden, wenn wieder einmal die Frage im Raum steht, wer Carlsen den Weltmeistertitel denn wirklich einmal streitig machen könnte. Im März dieses Jahres, als die nach Carlsen acht besten Spieler der Welt in Moskau gegeneinander antraten, um den Weltmeister-Herausforderer zu ermitteln, war auch Nakamura mit dabei. Durchsetzen konnte er sich in diesem Feld aber nicht. Er landete schlussendlich nur auf dem siebten Platz.
Dass er durchaus eine Gefahr für Carlsen ist, hat er nun allerdings während des Spitzenschachturniers im spanischen Bilbao gezeigt (wer die Partien live anschauen will, hier entlang). In der Auftaktrunde hatte er Schwarz und musste ausgerechnet gleich gegen den Weltmeister ran. In einer turbulenten Partie konnte er nach mehr als vier Stunden im 50. Zug den Weltmeister zur Aufgabe zwingen. Hier kommt die Partie:
Michail Tal
Lasker, Smyslov, Tal, Spassky, Kramnik: Das waren coole Weltmeister.
.
Nur halt nicht so stark.