Berührt, geführt

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Das Schachblog von FAZ.NET

Wozu Frauenschach?

| 17 Lesermeinungen

Warum gibt es im Schach eigentlich eigene Wettbewerbe für Frauen? Diese Frage stellten einige unserer Leser nachdem wir berichtete hatten, dass Ausnahmespielerin Elisabeth Pähtz die diesjährige Deutsche Frauenmeisterschaft im Blitzschach gewann. Sind Frauen nicht gerade im Schach als einer der ganz wenigen Sportarten nicht körperlich benachteiligt gegenüber Männern? Weil es eben um Denkkraft und Konzentrationsfähigkeit geht?

Zunächst ein kleiner Rückblick: Das erste nennenswerte Turnier ausschließlich für Frauen war die Frauenweltmeisterschaft. Bereits drei Jahre nach seiner Gründung etablierte der Weltschachbund Fide diesen Wettbewerb im Jahr 1927. Vera Menchik war allen Zeitgenossinnen am Brett überlegen und gewann sämtliche acht Austragungen, wiederholt mit 100-Prozent-Ergebnissen – bevor sie während eines Luftangriffs auf London im Jahr 1944 starb.

Moskaus Einfluss

Nach dem Zweiten Weltkrieg führten dann immer mehr Länder nationale Frauenmeisterschaften ein, und die Fide erfand eigene Rangtitel: Woman Grandmaster (Großmeisterin) zu werden ist leichter als Großmeister oder Internationaler Meister. Starke Spielerinnen erwerben oft auch die beiden Geschlechtern offen stehenden Titel, was zwar mitunter für Verwirrung sorgt, aber auf jeden Fall für doppelte Gebühreneinnahmen für den Weltschachverband.

Vor dreißig Jahren hieß es, dass Frauen stärker spielten und überhaupt das Niveau in Frauenturnieren höher sei, als sich in ihren Weltranglistenzahlen spiegelte. Die Fide beförderte damals alle international gelisteten Frauen auf einen Schlag um 100 Spielstärkenpunkten (Elo) nach oben. Den drei talentierten Polgar-Schwestern wurde dieses Geschenk verwehrt mit der Begründung, dass sie fast ausschließlich gegen männliche Konkurrenz antraten. In Wahrheit ging es wohl darum, dass die Sowjetunion ihre Weltmeisterin Maja Tschiburdanidse vor die damals aufstrebenden Ungarinnen bugsieren wollte.

Weil Judit Polgar, die spätestens seit dem Jahr 1990 und bis zu ihrem Rücktritt 2014 die unbestritten stärkste Spielerin der Welt war, nie Anstalten machte, Frauenweltmeisterin zu werden, verlor der Titel seine Aussagekraft. Diese Situation könnte sich nun wiederholen: Die dominierende Chinesin Hou Yifan will den Titel nicht mehr verteidigen, falls die Fide nicht die Regeln ändert.

Es geht auch um Sportförderung

An der alle zwei Jahre und 2017 wieder im K.o.-Modus ausgerichteten WM mag sie ohnehin nicht teilnehmen. Einmal mehr die Grandprix-Serie gegen sportlich für sie wenig fordernde Konkurrenz zu gewinnen, um sich für ein Match gegen die K.o.-Weltmeisterin zu qualifizieren, das sie locker gewinnen wird, reizt die 22 Jahre alte Spielerin nicht mehr. Denn sie weiß, dass sie sich nur gegen stärkere (in diesem Fall männliche) Konkurrenz verbessern kann. Aber so wie die Frauen-WM jetzt konstruiert ist, ergeben sich mehr Verdienstchancen für andere Berufsspielerinnen. Diese in einigen Verbänden gut vernetzte Klientel wird die Fide-Führung kaum gegen sich aufbringen.

Der Weltverband ist nicht nur der Motor der Geschlechtertrennung im Schach sondern auch ihr Profiteur. Separate Titel, separate Meisterschaften, jedes zusätzlich ausgewertete Turnier – all das generiert Geldströme. Beauftragte für Frauenschach sorgen für noch mehr Wettbewerbe. Viele Verbände brauchen diese und die dabei leichter erreichbaren Erfolge, um national und regional Sportförderungen zu erhalten.

Dabei ist die sportliche Bilanz der vor allem auf separaten Wettbewerben basierenden Frauenförderung im Schach alles andere als überzeugend. Einige Berufsspielerinnen gestehen auf Nachfrage ein, dass sie dank der Frauenturniere sportlich nicht das Maximum aus sich herausholen. Sie beziehen einen deutlich höheren Anteil ihres Einkommens aus Verbandsmitteln als ihre männlichen Kollegen und profitieren von der Sichtbarkeit eigener Wettbewerbe und von leicht(er) erreichbaren Titeln. Von vielen Spielerinnen ist bekannt, dass sie allein kaum an ihrem Spiel arbeiten. Sie trainieren fast nur unter Anleitung im Regelfall männlicher Profis, die von ihren Verbänden honoriert werden.

In Vitoria widmeten sich eine Ausstellung und Konferenz dem Frauenschach.© expochess.comIn Vitoria widmeten sich eine Ausstellung und Konferenz dem Frauenschach.

Trotz jahrzehntelanger Förderung beträgt der Anteil der Frauen unter erwachsenen Turnierspielern in westlichen Ländern immer noch weniger als fünf Prozent. Unter Kindern und Jugendlichen ist der Anteil höher, was zu einem Durchschnittswert von etwa sieben Prozent führt – dieses statistische Faktum ist übrigens ein Grund, warum so wenige Frauen in der Schachweltspitze vertreten sind; statistisch erfüllte Judit Polgar lange eben genau dieses Quote ziemlich gut. Zugleich wenden nationale Verbände einen weit, teilweise vielfach höheren Anteil ihres Budgets fürs Frauen- und Mädchenschach auf. Dem Ziel, mehr Mädchen und Frauen zum Schach zu bringen, kam man bislang allerdings kaum näher.

Während der „ersten Konferenz zur Gleichstellung der Frauen im Schach“, die Mitte Juli im Rahmen einer Schachausstellung in der baskischen Stadt Vitoria stattfand, mogelte man sich um eine klare Bilanz des Frauenschachs zwar herum (vielleicht um die gewagte Schlagzeile „Frauen bei der Eroberung des Schachs“ nicht opfern zu müssen?), fand aber einige originelle Erklärungen und Rezepte: Dass noch nicht mehr Frauen Turnierschach spielen, wurde nach einem Bericht der spanischen Zeitung „El Paìs“ auf das männliche Image des Spiels, auf die unterschiedliche Erziehung von Mädchen und Jungen und auf den in Schachvereinen und während Turnieren angeblich verbreiteten Chauvinismus zurückgeführt. Es brauche mehr Vereine, die von Frauen geführt werden, und während Schachveranstaltungen mehr soziale Elemente wie Diskussionen, Workshops oder Vorträge.

Separate Frauenmeisterschaften jeglicher Art wie in Deutschland sucht man in Spanien übrigens vergeblich. Frauen spielen bei den Männern, Mädchen bei den Jungen mit. So ist fordernde Konkurrenz gewährleistet. Und die Bestplatzierte gewinnt den Titel.


17 Lesermeinungen

  1. KlausBering sagt:

    Eine Frage beantwortet der Artikel nicht.
    Warum spielen nicht die besten Schachspielerinnen gegen die besten Schachspieler trotz getrennter Turniere auf einem extra Turnier? Ich denke da z.B. an ein Turnier der Weltmeisterin gegen den Weltmeister? Haben die Männer Angst zu verlieren?

    • jbochow sagt:

      Herr schmeiß Hirn vom Himmel!
      Ich hoffe mal Ihre Frage ist als Scherz gemeint. 🙂

      Falls nicht: Finden Sie mal eine Frau die wirklich glaubt, im Rahmen eines Wettkampfes eine Chance gegen Magnus Carlsen zu haben. Sie werden nicht fündig werden.
      Frauen, die sehr gut Schach spielen, können ihre eigene Stärke ganz gut einschätzen, wie ihre männlichen Kollegen übrigens auch.

      Ich liebe ihn einfach, diesen fröhlich Feminismus, der so vollkommen abgehoben von jeder Realität agiert. Das ist bestimmt das, was Astrid Lindgren sich gewünscht hat, als die ‚Pipi Landsturm‘ schrieb: Ignoranz und Dummheit verpackt in die progressive Etikette unseres Zeitgeistes.

  2. walter.drews sagt:

    Machoverhalten als Abschreckung
    Das männliches Verhalten die Frauen abschreckt mag möglicherweise richtig sein. Aber wenn dem so ist, dann werden ganz sicher auch einige Männer durch Machogehabe abgeschreckt. Eher in sich gekehrte Männer ohne Bodybuilderfigur lassen sich auch von bestimmten Verhaltenweisen abschrecken. Nur die Schlußfolgerung ist meiner Meinung nach falsch. Wenn sich Frauen durch die Kultur in den Führungsetagen der Wirtschaft abschrecken lassen führt meine eine Frauenquote ein. Ist dies bei einem Mann der Fall wird ihm mangelnde Führungsfähigkeit und fehlende Sozialkompetenz attestiert.
    Das Frauen im Schach so selten an der Spitze stehen hat mich auch schon mal beschäftigt. Nach einiger Zeit der Suche hat mich die Statistik überzeugt: Es liegt schlicht vorwiegend an der geringen Anzahl von weiblichen Spielern. Aus einem großen Pool kommen nun mal mit höherer Wahrscheinlichkeit die Spitzenspieler als aus einem kleinen Pool. (https://rspb.royalsocietypublishing.org/content/276/1659/1161.

  3. eduardheindl sagt:

    Die 3. Liga, nach Computer und "Männerschach"
    Seit 1997 ist der Computer der beste Schachspieler der Welt, inzwischen gewinnen auch mäßige Computer gegen den Weltmeister.
    Seitdem hat Schach eigentlich in dieser Hinsicht seinen Reiz verloren und die Trennung zwischen Männern und Frauen erscheint umso mehr anachronistisch da es dafür offensichtlich keinen logischen Grund gibt, wenn es denn stimmt, dass beide Geschlechter in einem solchen komplexen räumlichen Spiel gleiche Leistung bringen, was zu zeigen wäre.

    • testthewest2 sagt:

      Völig falscher Vergleich
      Einen Maschine mit einem Menschen zu vergleich ist in etwas so, als würde man ein selbstfahrendes Auto nen 100 Meterlauf mitmachen lassen. Es ist klar das eine Maschine gewinnt.
      Was die Trennung von Männer und Frauenschach angeht haben sie allerdings völlig Recht: Es ist im Grunde ein Eingeständnis, dass Frauen nicht die gleiche geistige Leistungsfähigkeit besitzen wie Männer.
      Aber wie immer gilt: Ein Mann/Frau versteht das nur sehr schlecht, wenn ihr Einkommen vom nicht-verstehen abhängt. Und das wird ja im Artikel genannt.
      Warum in der harten Welt des Männerschachs nix verdienen, wenn man stattdessen in Frauentunieren mit weniger Aufwand (Geld) gewinnen kann?

  4. Grinsekatz sagt:

    Interessanter Artikel H. Löffler, aber
    er beantwortet die Titelfrage leider nicht. Lang wird über die historische Entwicklung berichtet und das es ja schon so lange Frauenschach gäbe mit eigenen Ranglisten und Titeln etc. Aber warum eigentlich das steht hier leider nirgendwo. Dient es evtl. doch nur der schnöden Gewinnmaximierung wie so oft bei angeblicher Gleichberechtigung ? Sollen hier Frauen explizit eine Sonderrolle einnehmen um sie mit eigenen Titeln, eigenen Listen und eigenen Erfolgen belohnen zu können ? Wenn das der einzige Hintegrund ist dann wird es dringen Zeit für weitere diskriminierte und leidende Opfer eigene Wettkämpfe auszutragen. beispielsweise olympische Sprinrennen nur für Weiße oder Segelregatten nur für Asiaten. Ohne diese „Extras“ haben die beschriebenen Gruppen nämlich leider auch keine Chance in den genannten Sportarten jemals irgendetwas zu gewinnen. Also, gutgemeinter Ansatz aber leider überhaupt keine Erklärung.

  5. TobiasBlaschke sagt:

    Die Varianz der Intelligenz ist bei Maennern hoeher (nicht der Durchschnitt)
    Sehr gehrter Herr Behring,
    die Herren sicherlich keine Angst, gegen Frauen zu verlieren. Wie sollten sie auch, wenn die beste Frau in der Welt momentan nur auf Platz 72 der beidergeschlechtlichen Weltrangliste ist. Reine Frauneturniere sind ein Mittel der Frauenfoerderung, weil es kaum Frauen in der Weltspitze gibt. Woran das liegt? Zum einen sicherlich an der deutlich geringeren Zahl von Schachspielerinnen weltweit, in Deutschland nur ca. 7%. Viel mehr aber an der groesseren Streuung von Intelligenz unter Maennern. Es gibt prozentual unter Maennern mehr Idioten und mehr Genies. Im Durchschnitt sind die Geschlechter fast gleich. Aber nur die absoluten Ausreisser nach oben koennen Schachweltmeister werden.

  6. RWackermann sagt:

    Und wieder ein Sport durch Geld zerstört
    Leider gibt der Artikel nur sehr bedingt Antworten, obwohl der Titel das irgendwie suggeriert. Stattdessen hinterlässt er bei mir den Eindruck, dass es selbst im Schach nur um Geld geht, vor allem den Verbänden und aller Wahrscheinlichkeit nach deren (i.d.R. völlig unsportlichen) Funktionären.

  7. hag0 sagt:

    Erklaerungsnotstand
    Frauen koennen alles genauso gut wie Maenner, wenn nicht sogar besser. Das ist heute eine Binsenweisheit, die so wenig Widerspruch duldet, wie die Tatsache, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Wer was anderes sagt, ist nicht mehr ganz bei Trost.

    Nun sind die Ergebnisse der Frauen am Schachbrett aber doch sehr bescheiden. Hou Yifan hat 2658 ELO und Carlsen 2857. Ein Wettkampf wuerde einem Massaker gleichkommen.

    Wie passt das bloss zusammen, gibt es da ein Problem? Aber nein, das koennen wir doch erklaeren. Z.B. mit Statistik. Damit hat schon Euwe die Frage beantwortet Ebenfalls denkbar waere ja, dass Frauen einfach zu bloede zum Schachspielen auf hoechstem Niveau sind, aber das ist unmoeglich, s.o.

    Ich favorisiere daher eine andere Erklaerungsmoeglichkeit (geht auch auf Donner zurueck): Schach ist einfach zu belanglos, als dass eine intelligente Frau sich die Beschaeftigung damit als Lebensaufgabe waehlen wuerde. Daher ist das eben so. Es liegt am Spiel, nicht an der Frau

  8. Klarsprecher sagt:

    Notwendigkeiten
    Zum wirklich guten Schachspielen braucht man viele Dinge : Eröffnungs- und Endspielwissen, Konzentration, Ausdauer, Zähigkeit, Zeitgefühl, taktische Raffinesse, tiefe Strategie-Sicht, Mut und Intuition. Wo nun die Geschlechter verschieden sind, muss jeder selbst beurteilen. Die Computer sind mittlerweile fast auf allen Feldern überlegen. Bei der heutigen Jugend fällt mir die mangelnde Denktiefe auf, die jungen Leute surfen ja nur noch auf der Oberfläche der Wirklichkeit. Beides zusammen wird zum Aussterben des Schachspieles führen. Dabei sollte es für jeden Konzern- und Staatenlenker, jeden Politiker und Manager Pflicht sein, dass sie gut Schach spielen können, also ELO über 2200 sollte schon sein.

  9. thorin sagt:

    Warum Frauenschach?
    Es mag ja sein, dass es dafür finanzielle uns sportpolitische Gründe gibt. Was ich nur am Beispiel Schach seltsam finde: Wo immer Leistung objektiv gut messbar ist, wie auch im Schach, gibt es für Frauen eigene Wettbewerbe und eigene Leistungskriterien. Unabhängig davon, ob die reine Muskelkraft dies erfordert, weil es sonst keine Chancengleichheit gäbe. Überall dort, wo Leistung nicht oder nur schlecht messbar ist wird behauptet, dass es zwischen Frauen und Männern keine Leistungsunterschiede gäbe.

  10. VGerber sagt:

    Physis und Schach
    Um eines der bedeutenden Turniere, wie beispielsweise die Tata Steel Masters mit derzeit 13 Runden zu überstehen, bedarf es einer starken körperlichen Verfassung. Wie viele Kalorien werden wohl bei einer Partie über sechs, sieben Stunden im menschlichen Körper verbrannt? Da spielt die Physis ganz sicher eine wichtige Rolle. Wenn man sich die schmächtige Yifan Hou anschaut, wie sie inmitten der männlichen Konkurrenz in Wijk aan Zee und anderswo ihren „Mann“ steht, so verleiht das ihrer Leistung noch einmal besonderen Glanz. Es hat vielleicht etwas mit den natürlichen Anlagen von Mann und Frau zu tun, die Asiaten würden es als Yin und Yang bezeichnen.
    Was die immer wieder angesprochene Spielintelligenz anbelangt, oder noch wichtiger die intuitiven Gaben, braucht sich die sympathische Chinesin vor ihren männlichen Konkurrenten nicht zu verstecken, das hat sie oft genug bewiesen. Yifan ist übrigens nicht vom Frauenschach zurückgetreten, sondern nur vom FIDE Grand Prix.

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