„Sie sagen, meine Partien sollten ‚interessanter‘ sein. Ich könnte auch ‚interessanter‘ spielen – und verlieren.“ (Tigran Petrosjan)
Das Hamburger Gymnasium Ohlstedt bietet Schach als Schulfach an. Von der achten bis zur zehnten Klasse können Schüler dort Schach als Wahlpflichtkurs wählen. An vielen Grundschulen und weiterführenden Schulen gibt es Schach-AGs, sie treten in Landes- und Bundesmeisterschaften gegeneinander an, und dann sind da noch die vielen Schachvereine mit ihren Jugendabteilungen. Viele Eltern wissen: Schach lernen lohnt sich. Es geht um Konzentration, strukturiertes Nachdenken, Spiel, Wettstreit – Dinge also, die in vielen anderen Fächern ebenfalls helfen, nicht nur in Mathematik. Und Schach hilft nicht nur Schülern. Hier kommen vier Gedanken dazu.
Den besten Zug ziehen: Was will ich nach der Schule werden? Rechtsanwalt oder Schreiner, Selbständiger oder Angestellter, Student oder Auszubildender? Oder – schon im Beruf – welche Karriere möchte ich machen? Experte werden oder Menschen führen oder möglichst viel Geld in möglichst kurzer Zeit verdienen oder alles zugleich? Wer das weiß, muss herausfinden, wie er dorthin kommt, also „Varianten“ durchrechnen. Im Schach bedeutet das konkret: Wenn ich einen Zug ziehe, was kann dann mein Gegner machen, was dann wieder ich, was dann wieder er. Es gibt Stellungen, in denen sind mehrere gute Züge möglich, in manchen bleibt bloß einer, in manchen verliert jeder; ja, auch das kann sein. Erfolgreiche Schachspieler rechnen außerdem alle Varianten nur auf ihr konkretes Ergebnis hin durch – ästhetische oder dogmatische Erwägungen spielen keine Rolle, moralische (es gibt unveränderliche Spielregeln, die jeder kennt und akzeptiert) auch nicht. Ein so nüchterner Ansatz hilft häufig auch im Beruf.
Richtig lavieren: Eine ganz wichtige Technik. Manchmal ist die Stellung zu kompliziert, um wirklich ausrechnen zu können, welcher Zug den größten Erfolg verspricht. Gute Schachspieler beherrschen in dieser Situation ein mächtiges Mittel, das langweilig klingt, aber äußerst effektiv ist: Lavieren. Sie suchen gezielt nach Zügen, die möglichst gerade nichts an ihrer Stellung verändern. Das ist unglaublich schwer. Denn hinter diesem „Nichts“ stecken zwei große Anforderungen: Erstens dürfen sich die eigenen Chancen durch den gewählten Zug nicht verschlechtern, und zweitens sollte der Zug möglichst wenig festlegen („forcieren“ sagen Schachspieler dazu), also viele Optionen offenhalten. Wer gut lavieren kann, meistert auch Phasen mit knapper Bedenkzeit ordentlich, wenn schlicht keine Zeit ist, um alles zu kalkulieren und vernünftig zu entscheiden. Politiker lavieren häufig herum, regelmäßig wird ihnen das sogar vorgeworfen. Dabei ist es schlicht ein nützlicher systematischer Umgang mit Problemen, die zu komplex sind, als dass wir sie final durchschauen (können). Wir setzten dann darauf, dass sich irgendwann eine Gelegenheit ergibt. Und das kommt gar nicht selten vor. Klar ist aber auch: Lavieren funktioniert nicht immer, weder im Beruf noch im Privatleben. Wenn Sie etwa einen Heiratsantrag bekommen, sagen Sie einfach nein, wenn sie nicht wollen – alles andere als ein Ja wird ohnehin als Absage interpretiert.

Auf den Gegner vorbereiten: Ein wichtiges Geschäftsessen steht an, ein Bewerbungsgespräch, ein entscheidender Vortrag – wer gut vorbereitet ist, hat umso bessere Chancen, solche Schlüsselereignisse in der persönlichen Karriere zu Erfolgen zu machen. Zu guter Vorbereitung gehört, zu wissen, wie die Menschen denken und handeln, mit denen wir zu tun haben. Gute Schachspieler bereiten sich ausführlich auf ihre Wettkämpfe vor. Ein guter Spieler schaut aber nie nur darauf, was der Gegner tut, sondern achtet mehr noch auf die eigenen Stärken. „Sie sagen, meine Partien sollten ‚interessanter‘ sein. Ich könnte auch ‚interessanter‘ spielen – und verlieren“, sagte der frühere Schachweltmeister Tigran Petrosjan (1929-1984) einmal. Auf die Karriere übertragen: Zum erfolgreichen Berufsleben gehört zunächst nicht, dass meine Geschäftspartner, Kollegen oder Zuhörer mich toll finden, sondern dass ich mich selbst wohl fühle (siehe nächster Punkt).
Nicht jeder kann alles: Ich möchte gerne charmant und dauergutgelaunt auf andere Menschen zugehen, in jeder Situation einen tollen Spruch draufhaben und während Diskussionen mit messerscharfen Argumenten brillieren – aber was, wenn ich eigentlich gar nicht der Typ dafür bin? Wenn ich eigentlich eher zurückhaltend und nachdenklich bin, lieber mehr zuhöre als selbst rede und mich dabei wohl fühle? Ein Schachprofi würde sagen: Das macht überhaupt nichts, zumindest hängt der Erfolg nicht ab davon. Es gibt nicht „den“ Spielertyp, der erfolgreich ist. Garri Kasparow zum Beispiel war auch deswegen viele Jahre der alles überragende Spieler, weil er mit den schwarzen Steinen außergewöhnlich erfolgreich abschnitt. Dass lag an den scharfen Eröffnungsvarianten, die er anwendete, „Königsindisch“ zum Beispiel: Schwarz wartet dabei nicht die weiße Attacke ab, sondern bläst selbst sofort zum Sturm auf den gegnerischen Monarchen. Das Risiko, mit wehenden Fahnen in unübersichtlichem Schlagabtausch unterzugehen, ist dabei groß – für beide Seiten. Kasparow, der große Taktiker, behielt aber häufig die Oberhand. Kasparows großer Dauerkonkurrent Anatoli Karpow war hingegen ein versierter Stratege, der seine Gegner häufig so unauffällig überrollte, dass sie selbst nachher erst einmal eine Weile brauchten, um zu verstehen, warum sie verloren hatten. Gemein ist allen Weltmeistern nur, dass sie es schafften, den Gegnern ihren Stil aufzudrücken.
Jedes Spiel ein Gewinn
Ich würde noch etwas hinzufügen. Was man beim Schach auch lernt, ist für den Gegner zu denken. Nur wer sich in Gedanken selbst angreift, entdeckt die Schwachstellen in der eigenen Aufstellung, und kann die Strategie des Gegenübers erkennen. Wer nur nach Angriffsmöglichkeiten gegenüber sucht, der verliert.
Und über das Verlieren: Ja, das kann ganz schön hart sein. Aber auch das will und kann und muss gelernt werden. Bis man versteht, daß auch ein verlorenes Schachspiel Kenntnis über das Spiel selbst bringt.
Man könnte ewig weiterphilosophieren über das Spiel der Könige. Die Bedeutung der Figuren, die Aufstellung, die Züge, die Eröffnungen…
Hier ist jeder ein König. Und zum Glück bedeutet ein verlorenes Schachspiel keinen verlorenen Krieg (auch wenn es sich vielleicht manchmal so anfühlt).
Man beißt sich förmlich die Zähne aus, wenn man partout gewinnen will. Und immer angreifen ist vielleicht doch nicht immer die beste Lösung. Doch nicht alle Figuren könne
Wo sind die Schachrätsel geblieben?
Leider finde ich in Ihrem Schach-Blog weder ein neues Rätsel noch die Lösung der vorherigen. Was mache ich falsch?
Das neue ist nun da – wir stellen es immer freitags im Verlauf des Vormittags in unseren Blog. Die Lösungen für die vorangegangenen Kombinationen können Sie jeweils unter den Stellungen finden am Montag darauf. Vielen Dank und Gruß.