Der UK Chess Challenge ist das teilnehmerstärkste Schachturnier der Welt. 45.000 Schüler und Schülerinnen waren dieses Jahr dabei. Im Spitzenjahr waren es sogar 74.000. Los geht es mit Ausscheidungsspielen an der Schule, gefolgt von regionalen „Terafinals“, je einem nördlichen und südlichen „Gigafinale“ und schließlich einem landesweiten „Megafinale“, ergänzt durch sogenannte Last-Chance-Saloons und Relax-with-Chess-Events.
Der jüngste Eintrag auf der Website verheißt „Ein märchenhaftes Finale“. Dabei müsste, damit die Geschichte gut ausgeht, ein Retter auftauchen. Denn der im Jahr 1996 von Michael Basman ins Leben gerufene Wettbewerb steht vor dem Aus. Wie der Daily Telegraph berichtet, hat Basman vorige Woche in London Insolvenz angemeldet, weil er eine Steuernachforderung in Höhe von 300.000 Pfund (etwa 360.000 Euro) nicht erfüllen kann.
In Britannien gilt Schach nicht als Sport
Sowohl das britische Finanzamt als auch der Englische Schachverband hatten Basman immer wieder gewarnt, dass er auf das eingenommene Startgeld Mehrwertsteuer ausweisen und abführen müsse. Doch der hemdsärmlige Schachlehrer aus Wey Vale in der Grafschaft Surrey wollte den UK Chess Challenge im Alleingang durchziehen, wie er es immer gemacht hatte: Ohne Steuerberater und doppelte Buchführung. Verwaltungskosten sollten das symbolische Startgeld, ein britisches Pfund pro Schüler, nicht antasten.
Weil das Startgeld so niedrig ist, wird es von den Schulen bezahlt, und die Schulen können sich eine ausgewiesene Mehrwertsteuer ohnehin zurückholen, argumentiert Basman. Deswegen seien dem Finanzamt keine Einnahmen entgangen. Dank einem Sponsor, der Immobilienfirma Delancey, gab es im UK Chess Challenge zahllose Wimpel, Maskottchen, Pokale und sogar Geldpreise bis zu 2000 Pfund zu gewinnen. Selbst habe er in den zwanzig Jahren kaum etwas verdient, beteuert Basman. Überhaupt würde er mit seinem Wettbewerb in anderen Ländern von der öffentlichen Hand nicht geschröpft sondern gefördert.
Der Grund: In Großbritannien gilt Schach nicht als Sport. Es gibt weder steuerliche Begünstigungen noch Förderungen, die seit Anfang 2015 für gemeinnützige Sportorganisationen gelten. Gegen die Benachteiligung von Denksport hat der finanziell gut aufgestellte Bridge-Verband geklagt. Der Englische Schachverband unterstützte das Verfahren durch Gutachten, die sportliche Aspekte wie physische Beanspruchung und Training belegten, und dass Schach in den meisten EU-Ländern und auch vom IOC als Sport anerkannt ist. Doch die Klage ist abgewiesen worden. Und einer der Verlierer ist Basman.
Wieder Schachlehrer
Bekannt wurde er als Propagandist skurriler Eröffnungen wie 1. g2-g4 oder 1. e2-e4 a7-a6. Auch seine Erfindung „Audio-Chess“, auf Kassetten gesprochene Eröffnungsvarianten, fand nur wenige Anhänger. Mit Preisgeldern konnte sich der Internationale Meister nicht über Wasser halten. Erst mit der UK Chess Challenge bog er auf die Erfolgsspur.
Basmans Veranstaltung hat trotz der aktuelle Situation gut Chancen zu überleben, bieten sich doch zwei Organisationen als Retter an: Neben der Londoner Charity Chess in Schools and Communities (CSC), die Schachunterricht an Hunderten Schulen in England und Wales anbietet, kommt der renommierte Turnierveranstalter Four Nations Chess League (4NCL) in Frage. Basman selbst wird trotz seiner siebzig Jahre nun wohl wieder als Schachlehrer sein Auskommen finden müssen.