Während sich die Wirtschafts- und Finanzminister der EU am Freitag in Bratislava treffen, wird Dana Reizniece-Ozola am Schachbrett sitzen. Die lettische Wirtschaftsministerin hat sich freigenommen, um ihr Land wie alle zwei Jahre im Damenwettbewerb der Schacholympiade zu vertreten. Das macht sie ziemlich effizient. Gerade hat sie in der aserbaidschanischen Hauptstadt Weltmeisterin Hou Yifan geschlagen. Dabei hat die Chinesin weder einen groben Fehler begangen noch zu viel riskiert. Sie wurde Schritt für Schritt überspielt und mit präzisen taktischen Schlägen fertiggemacht. Sehen Sie, wie Reizniece-Ozola mit Weiß zu entscheidendem Vorteil kam?
Am gleichen Tag hatte es im Wettbewerb der Männer auch Weltmeister Magnus Carlsen mit einem Amateur zu tun. Sein Gegner, der Australier David Smerdon, hat gerade seine Promotion in experimenteller Verhaltensökonomie am Amsterdamer Tinbergen-Institut abgeschlossen und ist derzeit auf der Suche nach einer spannenden Stelle in der Politikberatung oder Forschung.
Mutig manövrierte er Carlsen in eine Lage, in der der Weltmeister trotz eines Mehrbauern froh war, mit einem halben Punkt davonzukommen. Sehen Sie, wie Smerdon als Weißer am Zug ein Remis erzwang?
Fünf von elf Runden sind in Baku gespielt, und die Profis werden bald wie gewöhnlich alle Aufmerksamkeit für sich haben. Aber setzt Geld auch matt? Am besten unterwegs sind nicht die Großmeister des millionenschweren Russischen Schachverbands mit dem Milliardär Andrei Filatow als Präsident und Mannschaftskapitän. Nicht die Amerikaner, hinter denen der ähnlich vermögende Rex Sinquefield steckt. Und auch nicht Gastgeber Aserbaidschan, das voriges Jahr den deutschen Spitzenspieler Arkadi Naiditsch abgeworben hat.
Den besten Start hatte das Team des verarmten ukrainischen Schachverbands. Dabei spielt ihre langjährige Nummer eins Wassili Iwantschuk sogar gerade lieber im polnischen Karpacz Dame auf 10×10 Feldern als Schach in Baku. Am Montag gewannen die Ukrainer mit etwas Glück das brisante Duell gegen gegen die wie immer an Nummer eins gesetzten Russen. Am Dienstag wiederholten sie das Resultat, allerdings unangefochten, gegen Titelverteidiger China. Am Donnerstag wartet das zweitgesetzte Team der Vereinigten Staaten, das bisher nur beim 2:2 gegen Tschechien einen Mannschaftspunkt abgegeben hat.
Gut läuft es auch für Indien, obwohl wie bei fast allen Schacholympiaden Vishy Anand fehlt. In der fünften Runde versetzten die Inder den Medaillenhoffnungen des nominell höher eingestuften Gastgeberlands einen 3:1-Dämpfer. Auf die schiefe Bahn geriet Aserbaidschan durch Naiditsch, der mit Weiß früh ins Hintertreffen geriet und von dem in Europa wenig bekannten Vidit Gujrati besiegt wurde. Alle fünf Matche bisher gewonnen hat neben der Ukraine und Indien auch die Niederlande, allerdings gegen etwas leichtere Gegnerschaft.
Im deutschen Team war durch Naiditschs Weggang ein Platz frei. Eingenommen hat ihn Matthias Blübaum. Mit 17 hat er sein Abitur abgelegt, dann ein Jahr lang Schach gespielt und vorigen Oktober ein Mathematikstudium in Bielefeld aufgenommen. In Baku empfiehlt sich der 19jährige bisher mit vier Siegen und einem Remis. Gegen die Ukraine hat Deutschland verloren, die anderen vier Kämpfe gewonnen: Macht Platz 12 im Zwischenclassement. Nach dem spielfreien Mittwoch heißt der Gegner am Donnerstag Russland. Besser jetzt als, wie 2012, in der letzten Runde. Damals kostete das 1:3 eine verdiente Top-Ten-Platzierung.
Smerdon gegen Carlsen
1. Txg5 hxg5 2. Lh7+ Kh8
Für Reizniece-Ozola gegen Hou Yifan bin ich unsicher. Vielleicht 1. Lxf5+ exf5 2. Txe7 Txe7 3. Txe7 Dg3+ 4. Sg2 aber ich sehe die Fortsetzung nicht.
Oder vielleicht 1. Dg6+ Kg8 (1… Kh8 2. Dxe8+ Txe8 3. Sg6+ und 4. Sxf4) und wieder sehe ich die Fortsetzung nicht weil 2. Sxf5 Sxf5 3. Lxf5 mir nicht gefällt. Wenn 2. Txe6 dann 2… Dxh4.
Wenn direkt 1. Txe6 dann 1… Dg3+ 2. Sg2 Txe6 3. Lxf5+ Kh8 4. Lxe6