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Amerikas goldenes, Deutschlands glanzloses Trio – Die Schacholympiade ist entschieden

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Gold: Vereinigte Staaten, Silber: Ukraine, Bronze: Russland. Eine starke Teamleistung zeigten bei der Schacholympiade in Baku eigentlich alle drei. Ein einziger schwacher Tag machte am Ende den Unterschied. Die Russen hatten ihn beim 1,5:2,5 gegen die Ukraine, als Jewgeni Tomaschewski in besserer Stellung gegen Ruslan Ponomarjow einen wichtigen Bauern einstellte.

https://www.chessbomb.com/arena/2016-world-chess-olympiad-men/04-Tomashevsky_Evgeny-Ponomariov_Ruslan

Die Ukrainer erwischte es beim 1,5:2,5 gegen die Vereinigten Staaten, weil niemand Fabiano Caruanas fein herausgespielten Sieg gegen Pawel Eljanow ausgleichen konnte.  

https://www.chessbomb.com/arena/2016-world-chess-olympiad-men/06-Caruana_Fabiano-Eljanov_Pavel

Nur die Vereinigten Staaten blieben ganz ohne schwarzen Tag. So hat der russische Teamkapitän Andrei Filatow recht behalten, als er das US-Team, weil es als einziges drei absolute Weltklassespieler aufbieten konnte, vor Beginn des wichtigsten Mannschaftswettbewerbs zum Favoriten erklärt hatte. Amerikas Trio spielte groß auf: Caruana glänzte am ersten Brett, Wesley So am dritten. Hikaru Nakamura agierte an Brett Zwei erratischer, war wiederholt in Schwierigkeiten und verlor am vorletzten Tag, doch seine Teamkollegen machten es wett, und auch Nakamuras Gesamtresultat kann sich sehen lassen. Bester Ukrainer war Andrei Wolokitin, der achtmal gewann und nur ein Remis abgab. Vielleicht war es ein Fehler, ihn ausgerechnet gegen die Vereinigten Staaten pausieren zu lassen. Bei den Russen gewann Wladimir Kramnik Einzel-Gold für das beste Resultat am zweiten Brett und Ian Nepomnjaschtschi Einzel-Gold am vierten Brett.

Für Russland ist es bereits die siebte Schacholympiade in Folge ohne Gold bei den Männern. Die 2004 und 2010 siegreichen Ukrainer werden es eher als Erfolg sehen, waren sie in Baku doch nur an Nummer fünf gesetzt. Für die Vereinigten Staaten ist es das erste Gold seit 1976, als allerdings der Ostblock die im israelischen Haifa ausgerichtete Schacholympiade boykottierte.

Der letzte Sieger China schied durch Niederlagen gegen England und Ungarn in Runde sieben und acht vorzeitig aus dem Rennen um die Medaillenplätze aus. Unter den Erwartungen blieb auch die Auswahl von Gastgeber Aserbaidschan. Der voriges Jahr aus Deutschland abgeworbene Arkadi Naiditsch verlor vier Partien in Folge. Deutschland, an Platz 13 gesetzt, war vor der letzten Runde sogar auf Rang 52 abgerutscht. Dass es auch wieder besser laufen kann, zeigt der gelungene Einstand des 19jährigen Matthias Blübaum mit 7,5 Punkten bei zehn Einsätzen.

Positive Überraschungen gelangen der als Nummer 25 der Setzliste gestarteten Auswahl Kanadas, dem jungen Team aus Indien sowie Georgien, dessen Baadur Tschobawa Gold am ersten Brett holte. Weltmeister Magnus Carlsen und sein Herausforderer Sergei Karjakin haben zwei Monate vor ihrem WM-Duell zwar keine Glanzlichter gesetzt aber auch nicht enttäuscht.

Was bei den Männern die Russen sind, sind im Frauenwettbewerb die Chinesinnen: Obwohl nominell favorisiert, mussten sie zuletzt bei vier Schacholympiaden in Folge den Russinnen den Vortritt lassen. In einer spannenden Schlussrunde an diesem Dienstag wäre das wieder drin gewesen, hätte Russland China geschlagen, doch dieses Mal gewannen Weltmeisterin Hou Yifan und ihre Kolleginnen 2,5:1,5, wodurch Russland sogar noch aus den Medaillenrängen und hinter Polen und die Ukraine rutschte.

In Erinnerung bleiben wird diese gut organisierte Schacholympiade durch die bisher schärfsten Vorbeugungsmaßnahmen gegen Betrug: Das Mitbringen eigener Schreibgeräte oder Armbanduhren war verboten. Spieler mussten ihre Toilettengänge bei den Schiedsrichtern anmelden. Mit Einlasskontrollen war es nicht getan. Einige Spieler wurden sogar während ihrer Partien von Schiedsrichtern nach möglicherweise versteckten Hilfsmitteln abgesucht. Als der englische Großmeister Nigel Short die Leibesvisite verweigerte, blieb die Eskalation allerdings aus: Seine Partie wurde nicht verloren erklärt. Da die Maßnahmen außer den Schiedsrichtern praktisch allen zu weit gingen und zu Protesten führten, dürften sie keine Wiederholung finden.

https://sevendaynews.com/2016/09/11/ilyumzhinov-spoke-about-his-letter-to-obama/

Kaum in Erinnerung bleiben wird dagegen der Kongress des Weltschachbunds. Ein Misstrauensantrag gegen seinen gelinde gesagt umstrittenen Präsidenten wurde nämlich gar nicht erst zugelassen. Seit fast zehn Monaten steht Kirsan Iljumschinow wegen Verdacht auf Geschäfte in Syrien auf der Sanktionsliste des Schatzamts der Vereinigten Staaten. (https://www.faz.net/aktuell/sport/sportpolitik/macht-schach-chef-kirsan-iljumschinow-geschaefte-mit-assad-13936145.html)

Iljumschinow behauptet beharrlich, dass es sich um Verwechslungen handle und er gegen Rufmord vorgehen will. In der jüngsten Volte verkündete er nun, dass er US-Präsident Obama brieflich aufgefordert habe, ihm die US-Staatsbürgerschaft zu verleihen. Nicht etwa weil die USA Russland gerade am Brett den Rang abläuft, sondern weil er nur als US-Bürger ein faires Verfahren vor einem US-Gericht bekommen könne. Bekannt wurde das am Sonntag jedoch nicht in Baku sondern in Moskau. (https://sevendaynews.com/2016/09/11/ilyumzhinov-spoke-about-his-letter-to-obama/ ) Die Seifenoper um den Schachpräsidenten ist und bleibt eine russische Produktion.

 

 


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