Größen der Schachgeschichte Turniere zu widmen, das hat Tradition. Das gilt vor allem in Russland, wo auf diese Weise immer mal wieder des ersten russischen Weltklassespielers Michail Tschigorin, des ersten russischen Weltmeisters Alexander Aljechin und des Patriarchen des sowjetischen Schachs Michail Botwinnik gedacht wird. Mit einem armenischen Sponsor kommt auch mal Tigran Petrosjan ins Spiel. Doch kein Name steht so hoch in der Gedächtnispolitik wie Michail Tal.
Von Kollegen und Freunden wurde er Mischa genannt, von den Journalisten der „Hexer aus Riga“, weil er am Brett nicht nur kombinierte, was das Zeug hielt, sondern oft am Rande der Korrektheit und darüber hinaus Figuren opferte, und weil es einfach nicht mit rechten Dingen zugehen konnte, sondern wohlmöglich mit seinem stechenden Blick zu tun hatte, dass er damit meistens durchkam. 23 Jahre alt löste er 1960 Botwinnik als Weltmeister ab, verlor aber im Jahr darauf den Revanchewettkampf. Bis Mitte der Achtzigerjahre blieb er in den Top Ten der Weltrangliste.
Nun in neuem Glanz
Als Kind war Tal oft krank und daher hatte er Schach überhaupt gelernt. Seiner schlechten Gesundheit zum Trotz rauchte und trank er und ließ keine Party aus. Schon todgeweiht, weil seine Organe versagten, stahl er sich im Mai 1992 von der Intensivstation eines Spitals, um die Moskauer Blitzmeisterschaft mitzuspielen. Tal schlug in einer spektakulären, auf Video festgehaltenen Partie den damaligen Weltmeister Garri Kasparow und gewann das Turnier. Einen Monat später war Tal tot.
In Riga wird die Erinnerung an Tal nicht nur von seiner Tochter Shanna am Leben gehalten. Vor zwei Jahren wurde dort auch eine Oper aufgeführt, die die berühmte sechste Partie seines ersten WM-Kampfs gegen Botwinnik vertont. 1995 fand einmalig ein Tal-Gedenkturnier in Riga statt. Als der Russische Verband 2006 ein Rundenturnier mit zehn Spielern der absoluten Weltklasse etablierte, wurde es Tal gewidmet. Bis 2013 fand es jährlich statt. 2014 reichte das Geld nur für ein Blitzturnier. Voriges Jahr wurde kein Termin gefunden. Doch nun erstrahlt das Tal-Gedenkturnier in neuem Glanz.
Er bevorzugte die leichte Unterhaltung
Schauplatz ist das kürzlich eröffnete Museum der Russischen Impressionisten. Sein Besitzer Boris Minz gilt als schachliebender Oligarch ebenso wie Gennadi Timtschenko, dessen Genfer Stiftung als Sponsor auftritt, und Andrei Filatow, der Mann an der Spitze des Russischen Schachverbands. Weil er Kunstmuseen wie geschaffen für Spitzenschach hält, sponserte Filatow 2012 selbst ein WM-Match in der Moskauer Tretjakow-Galerie und lud 2013 die Weltklasse ins Russische Museum von Sankt Petersburg.
Tal war kein Museumsgänger. Er bevorzugte die leichte Unterhaltung, zu der, um beim Schach zu bleiben, das Blitzschach mit höchstens fünf Minuten Bedenkzeit zählt. Dass die Startnummern bei seinem Turnier nicht nach Los vergeben sondern in einem Blitzwettbewerb ausgespielt werden, hätte ihm sicher gefallen. Die fünf Erstplatzierten des Blitzens werden belohnt, indem sie fünf der neun regulären Partien mit den weißen Steinen beginnen dürfen. Gewonnen hat das Blitzen mit Vorsprung Schachrijar Mamedscharow, der so etwas wie der Mischa Tal von Aserbaidschan ist.
In den langen Partien war Mamedscharow der erste, der ein Figurenopfert riskierte. Doch Vishy Anand wehrte dessen Angriff geschickt ab und gewann. So war es der erst zwei Jahre nach Tals Tod geborene Anish Giri, der als erster einen Opferangriff durchbrachte, an dem der Hexer von Riga seine Freude gehabt hätte. In dieser Stellung scherte sich Giri mit Schwarz nicht darum, dass sein Turm vom weißen Läufer Boris Gelfands angegriffen war. Weil der Israeli das eingeheimste Material nicht sofort wieder hergab, musste er sich nur vier Züge später aufgeben.
Giri zog hier 32. … f5! Es folgten: 33. Lxd8 Txd8 (33. … fxe4? 34. Lf6+) 34. gxf5? (sowohl mit 34. Sg5 h3+! 35. Kh2 Le5+ 36. Kh1 Dxd2 37. Txd2 Txd2 38. Sxe6 als auch mit 34. Dh6 fxe4 35. Txe4 h3+ 36. Kh1 konnte Gelfand noch kämpfen) 34. … Dxf5 35. Kh1 Tg8! (35. … Dxf3+ 36. Dg2) 36. Tf1 Le5
Und Weiß gab auf.
Tal unvergessen
Wir warten noch auf eine Partie, die dem großen Opferspezialisten gerecht wird!