Berührt, geführt

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Carlsen sieht die Festung nicht

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Carlsen übernimmt in der vierten Partie (hier zum Nachspielen) trotz der schwarzen Steine bald das Ruder und baut seinen Vorteil langsam aber sicher aus, bis er im 45. Zug zulässt, dass Karjakin eine uneinnehmbare Stellung einnimmt. Carlsen versucht zwar noch fast fünfzig Züge zu gewinnen, doch die Verteidigung seines Herausforderers steht. Wie am Vortag entschlüpft Karjakin ins Remis.

Wenn Weiß hier 8. c3 zieht, kann Schwarz mit 8. … d5 ein Marshall-Gambit anbieten, das beide Spieler in ihrem Repertoire haben. Karjakin, der hier Weiß spielt, umgeht das Marshall-Gambit oft mit 8. a4 oder, wie in dieser Partie, mit 8. h3. Ein Übergang zu klassischen Spanisch-Varianten ist nun mit 8. … d6 9. c3 möglich, doch Carlsen erwidert 8. … Lb7.

Karjakin hat im vorigen Zug seinen Springer von f3 nach h2 gezogen, offensichtlich mit dem Plan Sh2-g4, und Carlsen erwidert 14. … d5. Nach 15. Sg4 Sxg4 16. Dxg4 Dxg4 17. hxg4 dxe4 18. dxe4 stünde Weiß nun auf keinen Fall schlechter. Karjakin versucht hier stattdessen 15. Df3, und der Springer wird noch länger auf h2 im Abseits bleiben.

Karjakin hat gerade mit dem Läufer einen Bauern auf h6 geschlagen und fühlt sich großartig. 18. … gxh6? 19. Dxf6 ist gut für ihn. Er hat nur mit 18. … Sxe4 19. Txe4! Lxe4 (19. … f5? 20. Txc4 Lxf3 21. Txc7+) 20. Dxe4 gxh6 21. Sg4 gerechnet, wonach er um den geringen Preis einer Qualität (Turm für Springer) starken Angriff hat. Dass Schwarz auch 18. … Dc6! erwidern kann, hat Karjakin völlig übersehen. Am besten wäre darauf noch 19. Lc1 Sxe4 20. Sg4 mit nur leichtem Vorteil für Schwarz, doch Karjakin spielt 19. Lxc4, und nach 19. … bxc4 20. Le3 Sxe4 21. Sg3 Sd6! steht Schwarz mit dem Läuferpaar, Raumvorteil und möglichen Einbruchsfelds d3 schon überlegen.

Karjakin hat gerade f3-f4 gezogen. 28. … exf4? ist nun schlecht wegen 29. Se2 und der Springer kommt nach d4. Carlsen erwidert stattdessen stärker 28. … Lh4, wonach es zu Abtäuschen kommt: 29. fxe5 Lxg3 30. exd6 Txe1+ 31. Txe1 cxd6.

Karjakin droht, sich mit Lc1-f4 zu entlasten. Carlsen erzwingt darum mit 36. … Td5 den Tausch der Türme (37. Txc4? Lb5), um beide Läufer auf dem Brett behalten zu können.

Mit dem Läuferpaar und einem Mehrbauern am Königsflügel hat Carlsen exzellente Gewinnchancen, wenn er etwas wie 45. … Le6 spielt. Auf g4 nehmen, ist keine gute Idee, weil Weiß dann mit Springer und Läufer zusammen das weitere Vorrücken der schwarzen g-Bauern verhindert. Aber auch nach 45. … f4? gibt es kein Durchkommen. Er sei sicher gewesen, dass er nacht diesem Zug gewinnt, sagt Carlsen hinterher. Auf die Idee, dass Weiß eine Festung erhält, sei er gar nicht gekommen. Natürlich sei er enttäuscht, dass er nicht gewonnen hat, aber wenigstens sei er es, der angegriffen hat.

Carlsen hat mit 70. … f3 eine Falle gestellt: 71. Lxg5? Lb6 72. Lh4 Le3 und wegen der Drohung 73. … La4+, müsste Weiß seinen Damenflügel aufgeben. So leicht lässt sich Karjakin nicht übertölpeln und behauptet hier mit 71. Kc1 seine Festung.

94 Züge sind gespielt, sechs Stunden und zwanzig Minuten. Der Springer deckt zuverlässig alle Einbruchsfelder. Endlich remis. Am Mittwoch ist Ruhetag in New York, die fünfte Partie folgt am Donnerstag.


2 Lesermeinungen

  1. Otto-Hans sagt:

    Hm, die Festung sah er nicht?
    Er könnte Karjakin mit Schwarz an die Wand spielen und sieht die Festung nicht? So mag es scheinbar sein, weil Carlson das so sagte. Mit Hackern spasst man nicht. Doch mit dem russischen Geheimdienst spasst man erst recht nicht. Daher wird er diese WM ganz offiziell mit blöden Fehlern verlieren, und in den Partien davor zeigen, dass er Karjakin mehr als überlegen ist, sogar mit den schwarzen Figuren. Brave. new. world. Sollte ich unrecht haben, wäre ich sehr happy. Wie sagen dieser Tage die Simpsons? Recht haben ist …

    • axpet sagt:

      Ich fass es nicht
      Über Schach in einem Atemzug mit Geheimdiensten und einer Verschwörungstheorie zu spekulieren, ich glaub ich bin im falschen
      Leben.

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