Norwegens Premierministerin Erna Solberg kann jetzt unbesorgt sein. Nicht nur, dass 140 000 ihrer Landsleute während der dramatischen dritten und vierten WM-Partie live bis halb drei Uhr nachts und darüber hinaus vor dem Fernsehen ausharrten und am folgenden Tag schwer aus dem Bett und zur Arbeit kamen, sondern es waren darunter auch zahlreiche Politiker, und weitere solche Partien können die laufenden Budgetverhandlungen verzögern. Die siebte WM-Partie sollte keine Auswirkungen auf die norwegische Wirtschaft und Politik haben. Um 16.15 New Yorker bzw. 22.15 Uhr norwegischer Zeit war nämlich bereits Schluss. Und wer ein bisschen vom Schach versteht, hat dieses Trauerspiel nicht bis zum Ende verfolgt sondern früher abgeschaltet.
Beide behandeln diese Partie (hier zum Nachspielen) ziemlich schlapp. Das siebte Remis ist früh abzusehen. In seinen bisherigen Weißpartien hat Karjakin mit dem Königsbauern eröffnet und nichts erreicht. Nun wechselt er zum Damenbauern, doch er hat wenig Erfahrung damit und auch wenig Biss.
Carlsen hat mit Schwarz auf 1. d4 mit dem Slawischen Damengambit 1. … d5 2. c4 c6 reagiert und nun das solide 4. … a6 gezogen. In den letzten zwei Jahren hatte er das nur einmal, früher aber öfter auf dem Brett, und wirklich überraschend ist es nicht. Meistens zieht Weiß hier 5. Sf3 (worauf Carlsen 5. … Lf5 und falls 6. Db3 Ta7 zieht), doch von Karjakin kommt 5. Ld3. Darauf geht Carlsen mit 5. … dxc4 6. Lxc4 e6 7. Sf3 c5 in eine Variante des Angenommenen Damengambits über, die für Schwarz als ungefährlich gilt, weil Weiß sich bereits mit seinem Damenspringer auf c3 festgelegt hat.
Carlsen hat gerade 10. … Sc6 gezogen, und Karjakin überlegt 15 Minuten, bevor er sich zu dem schlappen 11. Sd2? entschließt (besser ist 11. Dc2 oder 11. a3). Hätte Schwarz zuvor die Damen auf d1 getauscht, ist die Überführung des Springers nach b3 durchaus giftig, doch hier macht sie keinen Sinn. Nach Carlsens Erwiderung 11. … Lc5 erkennt Karjakin, dass auf 12. Sb3 Ld6 folgt, und spielt 12. Sde4. 11. a3 Lxc5 12. b4
An dieser Stelle spielt Carlsen die kurze Rochade. Mit dem stärkeren 15. … f5 konnte er in Vorteil kommen. Sowohl 16. Sd6+ Dxd6! (16. … Lxd6 17. Lxb7 Lxh2+ 18. Kxh2 Dc7+ 19. Kg1 Dxb7 20.La3 gibt Weiß gute Kompensation für den Bauern) 17. Lxb7 Ta7 18. Dxd6 Lxd6 19. a3 (19. Lf3? Le5 20. Tb1 Sxa2 mit Mehrbauer für Schwarz) 19. … Le5 20. Tb1 Txb7 21. axb4 Lc3 als auch 16. Sg5 Dxd1 17. Txd1 Lxf3 18. Sxf3 Lf6 19. Sd4 Lxd4 20. exd4 (20. Txd4? Sc2) Sd5 gibt ihm ein Endspiel, das nur Schwarz gewinnen kann.
Karjakin hat auf Carlsens Rochade 16. La3 erwidert, und gleich folgt Carlsens nächste Zitrone 16. … Tac8. An 16. … Da5 dürfte ihm 17. Lxb4 Dxb4 18. a3 Da5 19. Dd7 nicht gepasst haben. Aber gut ist 16. … Tb8 oder 16. …Ta7 um den Läufer zu decken und die Abzüge mit Sf6+ aus der Stellung zu nehmen.
Carlsen hat die Qualität, also einen Turm für eine Leichtfigur, doch beide seine Türme sind von weißen Läufern angegriffen. Mehrmals hat er die Hand schon über dem Brett und zieht sie wieder zurück, bis er sich zu 19. … Lf6 entschließt. Danach verbleibt er zwar mit einem Bauern weniger, doch das resultierende Endspiel ist für Weiß, weil die verbleibenden Läufer ungleicher Felderfarbe sind, praktisch nicht zu gewinnen. Mehr zu leiden hätte Schwarz nach 19. … Dxd1 20. Txd1 Tb8 21. Lxf8 Txb7 22. Lc5.
Nach 22. … b4 ist es für Weiß trotz seiner Bauernmehrheit am Damenflügel fast unmöglich dort einen Freibauern zu bekommen. Ein gemeinsamer Angriff von Turm und Läufer gegen f7 ist auch nicht hinzukriegen. Schwarz hat keine Mühe b4 zu decken, und Turmtausch brächte das Remis nur näher.
Nach 33 Zügen gibt Karjakin die Gewinnversuche auf, und die bisher schwächste und langweiligste Partie ist remis. 3,5:3,5 steht es jetzt, fünf Partien stehen noch aus. Hoffentlich interessantere. Norwegen hält das aus.