Anfang voriges Jahr ging durch die Weltmedien, dass Schach in Saudi-Arabien verboten werde. Islamischen Fanatikern traut man ja alles zu. Wirklich dran an der Geschichte war nur, dass ein einzelner, wenn auch sehr einflussreicher Kleriker Schach für unislamisch erklärt hatte. In Saudi-Arabien durften seitdem alle Schachveranstaltungen weiterhin wie geplant stattfinden. Verboten wurde Schach kurze Zeit später mitten in Deutschland. Vertreter des Ordnungsamts Herne brachen ein Blitzturnier ab. Wegen Störung des Karfreitags.
Beim Schachverein Unser Fritz war man stinksauer. Sie hatten ihr Osterblitzturnier extra nach 18 Uhr angesetzt, weil ihnen gesagt worden war, die Einschränkung für Sportveranstaltungen gelte am Karfreitag bis 18 Uhr. Warum hatte das Ordnungsamt sie nicht vorgewarnt? Wieso verfolgten die Ordnungshüter in aller Seelenruhe, wie sich die Anmeldeliste füllte und die Bretter aufgebaut wurden, und schritten erst ein, als die Spiele liefen? Dann stellte sich auch noch heraus, dass sie vom Vorsitzenden eines Nachbarvereins alarmiert worden waren. Wer solche Schachfreunde hat, braucht keine Feinde mehr.
Andererseits wurde kein Bußgeld gegen Unser Fritz verhängt. Zahlreiche Zeitungen, Radiosender und Websites berichteten unter Überschriften wie „Kein Schach für Jesus“. Die Bildzeitung befasste sich sogar ein zweites Mal mit dem Turnierabbruch. So viel Anteilnahme erhält ein regional aktiver Schachverein so gut wie nie.
Nach dem Vorfall in Herne hat der Schachbund Nordrhein-Westfalen aufgerufen, keine Turniere am Karfreitag, Totensonntag oder am Vormittag des Volkstrauertags auszutragen. Oder war die Warnung etwa ein verschlagener Wink, wie Vereine mit etwas Glück Publizität und Sympathie ernten? Als 2012 im fränkischen Weißenburg ein Schachturnier am Karfreitag Zwangspause hatte, organisierte die Piratenpartei eine Kundgebung. Während im Turniersaal die Figuren ruhten, spielten Demonstranten Schach auf dem Domplatz.
Gibt es das auch in anderen Ländern, dass Blitzturniere wegen eines religiösen Feiertags abgeblasen werden? Die Antwort aus Italien: „Unmöglich, Kirche und Staat sind bei uns streng getrennt.“ England: „Turnierabsagen kommen vor – mangels Teilnehmern.“ Frankreich: „Das einzige, was Schachspieler hier vom Blitzen abbringen kann, ist ein gutes Abendessen.“ Spanien fragt zurück: „Gibt es Taliban in Herne?“
Nun warten wir auf Neuigkeiten aus Nordrhein-Westfalen. Sorgen dieses Jahr Blitzspieler in Erkenschwick, Waltrop oder Ickern für Empörung? Der Schachverein Arnsberg hat für sein traditionelles Karfreitagsblitz um Zustimmung der Gemeinde gebeten und muss nun erstmals auf den Karsamstag ausweichen. Der Rheydter Schachverein hat vorsichtshalber bekannt gegeben, dass der Vereinsabend am Karfreitag ausfällt.
Im badischen Karlsruhe aber wird am Karfreitag gespielt. Die mehr als 1200 Teilnehmer am bisher größten deutschen Schachopen absolvieren sogar eine Doppelrunde. Auch dieser Blog wird am Karfreitag nicht ruhen sondern aus Karlsruhe berichten.
Aus Karlsruhe allerdings keine Liveübertragung
– da, so GRENKEChess auf Twitter, „prohibited by German Law on Good Friday“. Vielleicht deshalb spielen noch bekanntere Spieler, u.a. Matthias Bluebaum und Magnus Carlsen gegeneinander, erst ab morgen. Hier in den Niederlanden ist Karfreitag übrigens offiziell ein normaler Arbeitstag, auch wenn „mein“ Supermarkt eine Stunde früher schliesst (19:00 statt 20:00).