Berührt, geführt

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Das Schachblog von FAZ.NET

Karpow hier, Karpow da

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Am Montag wird im Bundestag Schach gespielt. Die Linke-Fraktion lädt ein, und Hobbyspieler wie Eberhard Gienger (CDU) oder Öczan Mutlu (Grüne) haben sich angekündigt. Es ist nämlich eine Delegation der russischen Duma in Berlin zu Gast. Angeführt wird sie von Anatoli Karpow, der seit 2011 für Putins Partei „Einiges Russland“ im russischen Parlament sitzt und seine Bekanntheit nun als eine Art Schachdiplomat in Diensten des Kremls einsetzt.

Der frühere Weltmeister hat schon eine Reihe solcher Schachvergleiche initiiert. Als die Schachspieler aus der Duma vor drei Jahren das Berner Bundeshaus besuchten, regte sich Kritik. Wie konnten sich Schweizer Abgeordnete mitten in der Ukrainekrise mit Vertretern des Aggressors ans Schachbrett setzen? Ebenfalls 2014 besuchte er Wien und hielt eine Brandrede gegen die NATO.

Dafür dass sein Arbeitsplatz eigentlich im russischen Parlament ist, häufen sich Karpows Auftritte am Brett. Im April weilte er wieder in Wien, dieses Mal auf Einladung der UNO, spielte ein paar Simultanpartien und stellte Teile seiner Briefmarkensammlung aus. Neben Schachmotiven sammelt er nämlich auch zum Thema UNO. Vor vier Wochen spielte er bei der Zentralen Endrunde der Deutschen Bundesliga am Spitzenbrett des SV Hockenheim, der Deutscher Vizemeister wurde. Wenige Tage später war er bei den Russischen Mannschaftsmeisterschaften im Einsatz. Im Juli ist er als Stargast des 50. Bieler Schachfestivals angekündigt, wo er am Schnellschach-Einladungsturnier teilnehmen soll. Starthonorare verlangt er mitunter gar nicht, sondern nur die Übernahme der Reisekosten.

Karpow hier, Karpow da. Ist da eine Sympathiekampagne in Gang, die den mittlerweile 66jährigen in Erinnerung ruft? Kommendes Jahr stehen Wahlen im Internationalen Schachverband FIDE an, und die Stimmen mehren sich, die Karpow als nächsten Präsidenten sehen.

Der bereits seit 1995 amtierende Kirsan Iljumschinow hat zwar viele Skandale überstanden, doch seit er auf einer Sanktionsliste des amerikanischen Schatzamts steht, weil er verdächtigt wird, in Geschäfte zwischen dem Assad-Regime und dem Islamischen Staat verwickelt zu sein, haben ihn fast alle im FIDE-Vorstand fallengelassen. Iljumschinow hat einen Teil seiner Verantwortung an seinen griechischen Vize Georgios Makropoulos abgetreten. Der Kalmücke hat zwar trotzig angekündigt, auch 2018 wieder zu kandidieren. Doch selbst die Bekenntnisse seines wichtigsten Fürsprechers, des Russischen Verbands, fokussieren eher darauf, dass er seine Amtszeit zu Ende bringen kann als dass . Dessen Vorsitzender Andrei Filatow gab gegenüber der russischen Sportseite RSport zu Protokoll, dass er sich Karpow an der Spitze der FIDE vorstellen kann.

2010 hat er schon einmal für die FIDE-Präsidentschaft kandidiert und ist Iljumschinow deutlich unterlegen. Allerdings wurde Karpow damals von dem unter Schachfunktionären äußerst unbeliebten Garri Kasparow unterstützt, während der Russische Verband seinerzeit hinter Iljumschinow stand. Bei einem Besuch in Zürich vorige Woche wurde Karpow vom Tages-Anzeiger gefragt, ob er sich eine erneute Kandidatur vorstellen könne. Er sagte weder ja noch nein, sondern bemerkte, Veränderung brauche Zeit, und die renne ihm davon. Aus dem Grund sei auch fraglich, ob er wie 2010 Sponsoren gewinnen könne, die im Fall seiner Wahl Millionen auf die sich zuletzt rasch leerenden FIDE-Konten spülen könnten.

Am Geld wird es freilich nicht scheitern. Er gilt selbst als äußerst vermögend. Auf einem vermeintlich wertlosen Stück Land, das ihm die Sowjetunion in Anerkennung seiner Verdienste für das Schach vermachte, wurde Öl gefunden. Karpows sibirischer Wahlkreis, der Oblast Tjumen, ist dank Bodenschätzen der mit dem höchsten Pro-Kopf-Einkommen Russlands. Nirgends finden so viele FIDE-Großereignisse statt wie in Chanti-Mansisk, das ebenfalls zu Karpows Wahlkreis gehört und 2020 wieder die Schacholympiade austrägt.

Es wäre also folgerichtig, wenn sich der Russische Schachverband hinter ihn stellt, zumal Karpow als Präsident des Weltverbands noch mehr ausländische Politiker und Würdenträger treffen könnte. Als Nachfolger wäre er für Iljumschinow kein Gesichtsverlust, weil sich gewissermaßen ein Kreis schlösse. 1995 hatte Karpow den damals nahezu unbekannten Iljumschinow als FIDE-Präsident vorgeschlagen und ihm binnen zwei Tagen und Nächten in einem Pariser Kongresshotel die nötige Unterstützung beschafft.


2 Lesermeinungen

  1. tmschrisal sagt:

    Polarisation
    Es gibt wohl keinen Schachspieler, der so stark polarisiert wie Karpow.

    Danke für diesen guten Artikel.

  2. hw22 sagt:

    Schach ist mehr als ein Brettspiel
    danke für diesen interessanten Hintergrundartikel über Schach, A. Karpov und die FIDE.

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