Caruana und Mamedscharow haben in Runde dreizehn gewonnen. Karjakin und Ding haben remis gespielt. Alle vier können im Kandidatenturnier noch Herausforderer von Carlsen werden. Ding Lirens Chancen sind minimal, Caruanas Chancen am höchsten. Wenn der Amerikaner mit Schwarz gegen Alexander Grischtschuk gewinnt, ist er durch. Das gilt auch wenn er remis spielt und weder Karjakin mit Weiß gegen den bisher unbesiegten Ding noch Mamedscharow mit Schwarz gegen Kramnik gewinnt. Endet Caruana punktgleich mit einem der beiden, zieht er allerdings jeweils den Kürzeren. Enden alle drei punktgleich ist Mamedscharow vorn. Es gibt noch einige Szenarien mehr. Das einzige, in dem Ding Erster wird, erfordert, dass er Karjakin schlägt, Grischtschuk Caruana schlägt und Mamedscharow nicht gegen Kramnik gewinnt. Die einzigen Mineralwasserflaschen, die beim Kandidatenturnier zu sehen sein dürfen, stammen vom norwegischen Sponsor Isklar. Ein geflügeltes Wort zwischen den Berichterstattern lautet „(Na), alles Isklar?“ Die richtige Erwiderung wäre nun: „Gar nix Isklar!“
Der spielfreie Sonntag war der erste Frühlingstag in Berlin. Karjakin nutzte ihn für ihn einen dreistündigen Spaziergang. Er hätte mit seinem Sekundanten Alexander Rijasanzew sogar den Zoo besucht, wären sie dort an der Kasse nicht auf so eine lange Warteschlange getroffen. Ganz entspannt lief auch seine Partie mit Schwarz gegen Wesley So. Schon das größte Problem, das Karjakin lösen musste, stellte sich mit 13. b4:
13. … De5 14. Td1 b5 sieht verlockend aus, doch Weiß hat dann 15. Lxc4 und falls 15. … bxc4 16. Sxc4 Dc7 17. Sd6+ Kf8 18. 0-0 mit Angriff für die geopferte Figur. Karjakin erschien 13. … Df5 sicherer, da nach dem Damentausch und der minimalen Verschlechterung seiner Bauernstellung sein Läufer ein natürliches Entwicklungsfeld auf e6 erhält. Nach kaum mehr als eineinhalb Stunden war die Partie remis.
Schachrijar Mamedscharow ist ganz unüblich für ihn am Sonntag um sieben Uhr früh aufgewacht. Die Niederlage vom Vortag gegen Ding Liren brachte ihn ums Ausschlafen. Wenn er zur dreizehnten Runde noch ein Schlafdefizit mitbrachte, konnte er es in der zwischenzeitlich gemütlich auf Remiskurs plätschernden Partie gegen Grischtschuk wettmachen. Und hätte der Russe hier
mit 30. … a6 31. Dxc3 axb5 32. axb5 Sxb5 33. Dc4 die Damenflügelbauern aufgelöst, wäre ein Remis unterschriftsreif gewesen. Grischtschuk zog 30. … Da5, und nach 31. Dc5 a6 32. e4 axb5 33. axb5 Kh7 34. e5 stand es so:
34. … Sf5 hätte immer noch Gleichstand bedeutet, doch Grischtschuk zog 34. … Sxb5? und übersah 35. e6! Da3 36. Dxb5 c2 37. exf7 Kg7 38. Le4 c1D 39. De8
…und Schwarz kann 40. f8D+ nicht mehr gut verhindern. Daher aufgegeben.
Fabiano Caruana hat im Kino Ablenkung gesucht. Zusammen mit seinem Sekundanten Rustam Kasimdschanow hat er sich „The Shape of Water“ angesehen. Außerdem haben beide am Sonntag einige Stunden eine bisher selten gespielte Spanisch-Variante analysiert. Gegen Lewon Aronjan brachte er die Variante mit Weiß prompt aufs Brett.
An dieser Stelle zieht Weiß gewöhnlich 9. a3, um auf 9. … Sa5 mit 10. La2 seinen spanischen Läufer zu bewahren. 9. … Sa5 lässt sich aber auch mit dem auf den ersten Blick krummen 9. Ld2 verhindern, was Caruana tatsächlich tat und Aronjan damit dazu provozierte, einige verpflichtende Züge zu machen. Nach 24 Zügen stand es so:
Nach 24. … Dd6 25. Lc2 Se7 wäre Weiß angenehmer gestanden. Aronjan aber probierte ein Figurenopfer: 24. … Lh5!? 25. g4 Lxg4 26. hxg4 Sxg4 27. Sf5 Sxf2 28. Lc2 g6 29. S1g3 (29. S5e3 Sh4 30. Sd5 Sg1 war Caruana nicht geheuer, hätte aber klaren Vorteil für Weiß bedeutet) 29. … gxf5 30. exf5 Df6 31. Dxf2
In Zeitnot übersah Aronjan, dass er mit 31. … Sxb4 32. cxb4 Td4 vielversprechend eine zweite Figur opfern konnte. Dabei hatte er 31. … Sd4 sogar in Betracht gezogen, was nach 32. cxd4 Txd4 zur gleichen Stellung geführt hätte – freilich konnte Weiß dann einfach 32. Le4 erwidern. Stattdessen folgte 31. … e4? 32. Th1 Td6 33. Lxe4 Tg8+ 34. Kf1 Se5 35. Df4 c6 36. axb5 Tg5 37. bxa6 Dd8 38. f6+ Sg6
…und mit noch zwölf Sekunden auf der Uhr besiegelte Caruana seinen Sieg (hier nachzuspielen) mit 39. Txh6+. Die Niederlage am Samstag gegen Karjakin habe ihm letztlich geholfen, wieder in Spielmodus zu kommen, nachdem er zuletzt immer verkrampfter gespielt habe, sagte Caruana.
Wie Ding Liren und Wladimir Kramnik den Sonntag verbracht haben, weiß ich nicht. Jedenfalls zeigte sich Kramnik so inspiriert wie bisher in diesem Turnier. In einer so genannten Igel-Aufstellung rollte er aus heiterem Himmel mit 18. … g5 und 19. … f5 an:
Es folgte 20. exf5 Lxg2 21. Kxg2 Txa3! 22. Sxa3 Da8+ 23. De4 Dxa3 24. fxe6 Sf6, und Schwarz war am Drücker. Ding Liren konnte allerdings später die Damen tauschen und remis halten (hier nachspielen).
Kandidatenturnier nach 13 von 14 Runden: 1. Caruana 8, 2.-3. Karjakin, Mamedscharow je 7,5; 4. Ding 7, 5. Grischtschuk 6,5; 6. Kramnik 6, 7. So 5,5, 8. Aronjan 4
Fünfte Runde Dienstag 27. März ab 15 Uhr. Liveübertragungen u.a. bei Chess24 oder bei Chessbase.