Vier Tage randvolles Schachprogramm rund um die zentrale Endrunde der Schachbundesliga im Berliner Maritim-Hotel. Wie es war? Was das alles mit Gleichziehen zu tun hat? Und die Antworten auf elf weitere Fragen.

Wie war es?
Klasse. Unisono gab es Lob für die federführenden Schachfreunde Berlin, die Deutsche Schachjugend, die eine Vereinskonferenz organisierte, und die Emanuel-Lasker-Gesellschaft, die eine Vortragsreihe beisteuerte. Grenke, Sponsor der OSG Baden-Baden, und UKA, die Windkraftfirma hinter dem USV Dresden (und der deutschen Nationalmannschaft), haben maßgeblich zur Finanzierung beigetragen. So konnte das Wochenende mit einem hochrangig besetzten Blitzturnier beginnen, bevor es an die letzten drei Spieltage der Schachbundesliga ging. Das folgende Video vom Youtubekanal Grenke Chess vermittelt die tolle Atmosphäre.
Wer ist Deutscher Schachmeister 2018?
Das wissen wir noch nicht. Die 15 Spieltage sind zwar vorbei, aber die OSG Baden-Baden und die SG Solingen haben beide 27:3 Mannschaftspunkte erzielt. In dem Fall sieht das Reglement einen Stichkampf vor. Weil Baden-Baden 86,5:33,5 Brettpunkte gesammelt hat (also seine Matche im Durchschnitt mit annähernd 6:2 gewonnen hat) und damit zwei Brettpunkte mehr als Solingen, darf die Kurstadt den Stichkampf ausrichten – (Update) und zwar am Donnerstag den 24. Mai.
Klingt nach einem spannenden Titelkampf.
Genau. Die Baden-Badener sind nominell etwas stärker, aber schon 2015/16 mussten sie Solingen den Meistertitel überlassen. Danach sah es wieder aus, nachdem Solingen im Februar den direkten Vergleich knapp aber verdient 4,5:3,5 gewann und danach um zwei Mannschaftspunkte vorn war. Allerdings verlor Solingen im März mit 3:5 gegen den am Ende Drittplatzierten SV Hockenheim. In Berlin traten beide Teams stark an und zogen durch ungefährdete Siege jeweils wieder miteinander gleich. Baden-Baden war seit 2006/07 elfmal Meister, Solingen ist mit zwölf Titeln über einen längeren Zeitraum – noch – Rekordmeister. Da will Baden-Baden gleichziehen.
Ist wenigstens klar, wer absteigt?
Nein. Also fast. Eigentlich steigen vier Teams ab. Es sei denn, Vereine verzichten auf ihr Spielrecht in der Bundesliga. Das ist bei einem Verein sicher und bei einem weiteren Verein unklar. Der Münchner Verein MSA Zugzwang hat dank des 4,5:3,5 gegen die anderen Münchner von der Schachabteilung des FC Bayern den dreizehnten Platz und damit den Klassenerhalt geschafft. Bayern München und der SV Norderstedt steigen ab. Der Vierzehnte SV Speyer-Schwegenheim muss abwarten. Der Sieger der Zweiten Liga Ost Nickelhütte Aue hat seinen Verzicht auf den Aufstieg erklärt. In dem Fall wird der Zweitplatzierte der gleichen Zweiten Liga gefragt. Vorige Saison hat der neu gegründete BCA Augsburg, der das Spielrecht in der Zweiten Liga vom SK Göggingen übernahm, als damals Erster der Zweiten Liga Ost selbst auf den Aufstieg verzichtet. Dieses Mal ist Augsburg Zweiter, aber überlegt.
Und welcher Verein verzichtet sicher auf sein Spielrecht?
Der SK Schwäbisch Hall hat vor der Endrunde per Rundmail seinen Rückzug aus der Bundesliga bekanntgegeben. Darauf war man schon vorige Saison gefasst. Denn seit etwa zwei Jahren läuft ein Dauerstreit in dem Verein. Weil es nicht gelang, wie erhofft Sponsoren zu finden, sollte entweder das Männerteam aus der Bundesliga oder das Frauenteam aus der Frauenbundesliga zurückgezogen werden. Nun haben sich die Befürworter des Frauenteams durchgesetzt. Viel Identifikation im Verein gibt es wohl mit beiden Teams nicht. Im Männerteam bestritten deutsche Spieler wenigstens ein Viertel der Einsätze. Für das Frauenteam von Schwäbisch Hall gingen 14 Spielerinnen aus fast eben so vielen Ländern an die Bretter – deutsch ist da nur die Mannschaftsführung.
Was bringt Aufsteiger dazu, auf ihr sportlich erspieltes Spielrecht in der Bundesliga zu verzichten?
Neun Spieltage in einer der vier Zweiten Ligen verursachen nicht einmal halb so viele Kosten wie fünfzehn Spieltage mit weiteren Reisen und weitaus mehr Übernachtungen. Wer auch noch die etwa 200 Elopunkte Niveauunterschied zwischen der zweiten Liga und der Bundesliga aufholen will, muss auch bei den Honoraren tiefer in die Tasche greifen. Ein Jahrzehnt lang gab es auch ein Team, das finanziell exzellent aufgestellt war und seine Zweite Liga gewann, aber immer wieder auf den Aufstieg verzichtete. Das war die SG Köln-Porz, deren eigensinnigem Mäzen Wilfried Hilgert die Eigenständigkeit der als Verein organisierten Bundesliga nicht passte, weshalb er sie 2007 in die Zweite Liga zurückzog. Im November 2016 verstarb der Mäzen, der auch mal dem 1. FC Köln mit einem zinslosen 11-Millionen-Kredit geholfen hat. Einige Profis, die Hilgert lange die Treue gehalten hatten, wechselten den Verein. Ohne sie steigt Porz nach dieser Saison aus der Zweiten Liga West in die NRW-Liga ab.
Welche Aufsteiger wollen in der nächsten Bundesligasaison antreten?
Im Westen hat sich Schott Mainz durchgesetzt. Schott Mainz gehörte 1980 zu den 16 Vereinen, die die erste in einer Gruppe gespielte Bundesligasaison bestritten (hier die damaligen Aufstellungen), damals mit dem 20jährigen Eric Lobron am Spitzenbrett. Mit 58 Jahren macht der frühere Nationalspieler im Oktober sein Bundesligacomeback. Im Süden endete der SV Viernheim vorn. Der hessische Verein, der im Badischen Schachverband organisiert ist, setzte pro Match gemittelt nur einen Deutschen ein und bot unter anderem den Weltranglistendritten Schachrijar Mamedscharow auf. Alles nur, um den noch heftiger zusammengekauften SC Emmendingen aufzustechen, bei dem in der ganzen Saison überhaupt nur drei Einsätze nicht auf ausländische Profis entfielen. Der Aufsteiger im Norden Turm Kiel kam sogar mit zwei Einsätzen eines lokalen Spielers aus. Überwiegend spielten für den Nordaufsteiger Dänen, außerdem ein paar Polen, ein Schwede und ein Spanier.
Seit wann gibt es Vereine, die vorwiegend auf Ausländer setzen?
Bis zur Saison 1995/96 durfte ein Team an den acht Brettern nicht mehr als zwei ausländische Spieler einsetzen. Nach dem „Bosman-Urteil“ des Europäischen Gerichtshofs traute sich der Deutsche Schachbund nicht, eine Mindestzahl deutscher oder in Deutschland lebender Spieler vorzuschreiben, wie es andere Sportverbände taten und tun. Dabei favorisierten die allermeisten Vereine damals als Neuregelung, dass zumindest die Hälfte der Bretter mit deutschen Spielern besetzt würde. Der erste Deutsche Meister ohne deutsche Spieler war 2001 der Lübecker SV. Später trat Griesheim zeitweise mit polnischen Spielern an allen acht Brettern an. Während bei Baden-Baden und Solingen kaum deutsche Spieler zum Zug kommen, setzen einige der Teams im Mittelfeld bewusst mehr Deutsche ein, etwa die SF Deizisau und der USV Dresden, die Fünfter und Sechster wurden.
Profitiert der deutsche Nachwuchs von der Bundesliga?
Weniger als möglich, aber durchaus erwähnenswert: Der 13jährige Vincent Keymer, der an Ostern sensationell das Grenke Open in Karlsruhe gewann, kam bei Deizisau elfmal zum Einsatz und konnte immerhin drei Großmeister besiegen . Stark auf eigenen Nachwuchs setzt der Hamburger SK, für den der 15jährige Luis Engel in vier Spielen drei Punkte holte und etwa auch Dmitri Kollars, Deutschlands derzeit jüngster Großmeister spielt. Beim SV Hofheim überzeugte Jan-Christian Schröder mit einem positiven Ergebnis am ersten und zweiten Brett. Sein Teamkamerad Thore Perske verfehlte eine Großmeisternorm nur knapp. Der 17jährige Roven Vogel konnte für Dresden vier seiner letzten sechs Partien gewinnen.
Die Bundesliga mag nicht optimal für die sportliche Entwicklung im deutschen Schach sein, aber dafür ist sie die stärkste Schachliga der Welt, oder?
Richtig. Was auch eine Folge der völligen Ausländerfreigabe ist. Etwa die Hälfte der Einsätze in der Bundesliga spielen Deutsche. In der österreichischen Liga liegt der Anteil der Einsätze von Österreichern sogar noch niedriger. Andere Länder mit starken Mannschaftsmeisterschaften sind Russland und Frankreich, tragen diese aber nicht als Liga über eine Saison sondern als Rundenturnier an einem Stück aus, seit Dienstag etwa in Sotschi. Und auch dort ist das durchschnittliche Niveau niedriger als in der Bundesliga.
Was war die herausstechende Partie der Endrunde?
Spektakulär war das Remis zwischen Solingens Loek van Wely und dem für Denkfabrik Aachen spielenden Falko Bindrich. Schwarz, also Bindrich, droht hier Matt auf g2:
28. Txf5+! Dxf5 29. Lg7+ Ke7 30. Txb4 Dh3
Wieder droht Matt, und wieder hat Weiß genau einen Opferzug, um das Gleichgewicht durch Dauerschach zu halten: 31. Lf6+! Kf8 – Schwarz darf den Läufer nicht schlagen, weil die weiße Dame sonst über a1 mit Schachgeboten entscheidend eingreift – 32. Lg7+ Ke7 – ein hübscher Reinfall wäre 32. … Kg8?? 33. Db3+ Sxb3 34. Lc4+ nebst Matt – 33. Lf6+ mit Zugwiederholung. Hier kann man die Partie in Gänze nachspielen und sich (über die Rundenzahl) zu den anderen Partien durchclicken.
Wie lief es in der Frauenbundesliga?
Ginge es nach den Spielerinnen und den meisten Vereinen, wären sie wie voriges Jahr dabei gewesen. Genug Platz wäre gewesen. Doch ein paar Funktionäre haben sich quergestellt und auf einen Passus in der Turnierordnung gepocht, der Ansetzungen an Werktagen ausschließt. So beendete die Frauenbundesliga ihre Saison schon im März. Für kommende Saison hat einer der Funktionäre eine lange Liste formuliert mit Forderungen, die vor einer Beteiligung der Frauenbundesliga an einer zentralen Endrunde aus seiner Sicht erfüllt sein müssen. Da ihre Frauenteams also nicht spielten, nahmen zwei Nationalspielerinnen, nämlich Elisabeth Pähtz und Sarah Hoolt, die Gelegenheit wahr, bei den Männern Erfahrung zu sammeln. Doch aus ihren 14 Bundesligaeinsätzen sprangen gerade mal vier Remis heraus.
Machen die Schachfreunde Berlin 2019 wieder eine zentrale Bundesligarunde?
Sie sind dazu bereit (wenn auch nicht zu den Konditionen des Frauenschachreferenten). Die Schachbundesliga und der Schachbund sind schon im Boot. Aus terminlichen Gründen wird die zentrale Runde 2019 nicht um den 1. Mai sondern im März stattfinden.