Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Schwangerschaftsübelkeit? Dann wird’s ein Mädchen!

© Picture AllianceSag mir, wie es dir geht, und ich sage dir das Geschlecht deines künftigen Babys – wenn es doch so einfach wäre.

„Ein Junge, eindeutig.“ Die zierlichen Hände meiner italienischen Friseurin (keine Kinder, aber ein Heer von Nichten und Neffen) liegen nur wenige Sekunden auf meinem prallen Babybauch, doch ihr Urteil ist ohne Zweifel. „Junge“, sagt auch meine sehr bodenständige Kosmetikerin, die selbst Sohn und Tochter hat, und deren Begründung dann wiederum so gar nicht bodenständig klingt: „Dieses Jahr wachsen viele Walnüsse an den Bäumen und in Jahren mit vielen Walnüssen gibt es auch viele Jungs.“ Merkwürdig am Nuss-Orakel ist nur, dass gefühlt alle um mich herum Mädchen bekommen. Die Nachbarinnen, die Paare im Geburtsvorbereitungskurs und die Kolleginnen im Büro. Nur ich soll einen Walnuss-Jungen bekommen?

Mein Mann und ich haben uns entschieden, erst bei der Geburt erfahren zu wollen, ob da ein kleiner Bub oder ein Mädchen künftig das Leben mit uns teilen wird. In einer Zeit, in der man alles kontrollieren kann, wollen wir uns ein bisschen Magie erhalten. Das Geschlecht ist zweitrangig, auch wenn wir natürlich sehr gespannt sind. Ich hoffe, dass dieses Kribbeln mir während der Geburt den nötigen Kick für den Endspurt bringt. Außerdem glaube ich, dass der Gender-Wahn noch früh genug vor allem über Mädchen hereinbricht – das muss nicht schon im Bauch beginnen.

Der ausdrückliche Wunsch, sich überraschen zu lassen, ist selten geworden, seit der Ultraschall vor etwa 40 Jahren in Deutschland zur Routine-Untersuchungsmethode geworden ist. Meist lässt sich heute das Geschlecht des Kindes ja schon bestimmen, bevor die werdende Mutter ihre Schwangerschaft überhaupt spürt. Nur zwei von hundert Paaren wollen es heute absichtlich nicht wissen. Wir sind eins davon.

Am meisten Freude bereiten mir die Reaktionen der anderen, wenn wir die Frage, was es wird, nicht beantworten können. „Krass, könnte ich nicht, würde ich nicht aushalten“, ist die häufigste Reaktion – und dabei spielt es keine Rolle, ob die Fragenden selbst Kinder haben oder nicht. „Wie beeindruckend“, sagen andere oder mitleidig: „Oh, wollte es sich nicht zeigen?“ Meine Schwiegereltern nehmen uns das Unwissen erst gar nicht ab und achten sehr genau darauf, ob wir uns nicht doch mal verplappern. „Ach, da bin ich aber froh“, sagt hingegen die Frauenärztin, denn oft wollten Paare schon in der neunten, zehnten oder zwölften Woche unbedingt das Geschlecht wissen, und das setzt wiederum die Mediziner unter Druck. Die Ärztin erwähnt aber auch, dass sie sich auch schon verplappert habe bei Paaren, die sich eigentlich überraschen lassen wollten. Bisher haben wir Glück gehabt.

Da wir geschlechts-informationstechnisch also nicht liefern können, orakelt nun das ganze Umfeld mit. Isst du lieber süß (Tochter) oder salzig (Sohn)? Schläfst du auf der rechten Körperseite (Tochter) oder auf der linken (Sohn)? Auch Brustform, Urin, Herzschlag des Kindes und warme oder kalte Füße gelten als Indizien. Künftige Töchter kommen in den Volksweisheiten übrigens meist deutlich schlechter weg als künftige Söhne: Sie sind angeblich schuld daran, wenn der werdenden Mutter in der Schwangerschaft übel wird, die Haut unrein, der Teint fahl und die Hüften breit werden. „Eine Tochter raubt ihrer Mutter die Schönheit.“ Bei Jungs hingegen – schmale Hüften, spitzer Bauch, volles Haar und strahlender Teint der Mutter. Nur eine Prognose lässt uns etwas erstaunt zurück: Es seien harte Zeiten, sagt ein Freund, es gehe auf Krieg zu – in solchen Zeiten würden vor allem Jungs geboren.

Mehr als Mythen sind die Volksweisheiten nicht, die Trefferquote liegt bei ziemlich genau 50 Prozent. Noch weniger ausschlaggebend ist unser Klopf-Orakel an meinem Bauch. Hallo Baby, klopf klopf, wer bist du? Tritt zweimal, wenn du ein Mädchen bist. Keine Reaktion. Bist du ein Junge? Keine Reaktion. Und dann, nach einigen Sekunden: Pamm, pamm, pamm gegen die Bauchdecke. Unser Baby kommuniziert, aber nicht über sein Geschlecht. Also hilft nur eins: Hundeorakel. Zielsicher schnappt sich unser Hund das Leckerli aus dem blauen Eimer, den rosafarbenen lässt er links liegen. Nur dass er mit der gleichen Orakeltechnik kurz vor dem WM-Finale Kroatien als Fußball-Weltmeister voraussagt, lässt im Nachhinein leichte Zweifel aufkommen.

Als einziges zumindest in Teilen verlässliches Orakel gilt übrigens die Intuition der Mutter, haben Wissenschaftler der John Hopkins Universität herausgefunden. Dumm nur, dass ich anfangs überzeugt davon war, ein Mädchen zu bekommen, dann einen Jungen, jetzt wieder ein Mädchen. Eine gute Freundin hat auch dafür eine Erklärung: Euer Kind wird Transgender. So einfach ist das also. Die rosa Bettwäsche habe ich vorsorglich schon mal gewaschen.