Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Wann wird’s Zeit fürs zweite Baby?

© Picture AllianceAuch wenn das Kind sich eigentlich ein Pony wünscht: Eltern können nur Babys.

Sila Sahin hat es vorgemacht, und Respekt, wer es nachmacht: Die Schauspielerin ist ein paar Wochen nach der Geburt ihres ersten Kindes wieder schwanger geworden. Dabei wurden sie und ihr Mann, der Fußballtorwart Samuel Sahin-Radlinger, nach eigener Aussage von der erneuten Empfängnis überrascht – was etwas erstaunt, denn sie wissen ja, wie so was zustande kommt, aber das ist eine andere Geschichte. Sie freuen sich jedenfalls sehr, und so bleibt nur zu sagen: Glückwunsch! Und: Daumen gedrückt!

Die unerwarteten Baby-News haben einen angenehmen Nebeneffekt für das Promi-Paar. Ihm bleibt seit der Bekanntgabe erspart, was viele andere Eltern zu hören bekommen, kaum, dass ihr erstes Kind abgenabelt ist: „Und? Wann kommt das zweite?“ Offenbar gehen die meisten – gemäß dem fürchterlichen Spruch „Ein Kind ist kein Kind“, den ich mir auch schon anhören durfte und für dessen gesellschaftliche Ächtung ich mich hiermit ausspreche – automatisch davon aus, dass es ein zweites gibt. Das allein wäre hier schon einen eigenen Beitrag wert. Aber sofern sich Paare tatsächlich mehrere Kinder wünschen, ist das „richtige“ Timing für das zweite in der Tat spätestens nach der Geburt des ersten ein Thema. Idealerweise  vielleicht nicht gleich an der Kaffeetafel mit Omas, Nachbarn oder Tanten, das gibt nur böses Blut.

Meinem Eindruck nach versuchen viele Paare (oder haben versucht), ihre Kinder möglichst in kurzer Folge nacheinander zu bekommen. Das Stichwort „Effizienz“ mag in diesem Zusammenhang schräg klingen, aber jeder weiß, dass eine Familie eben Kosten verursacht, gemessen in Zeit und in Geld und in Energie. Deshalb kann es beispielsweise für Frauen Sinn machen, mit dem zweiten Kind schwanger zu werden, solange das erste möglichst klein ist und sie womöglich sogar noch in Elternzeit sind – damit sie nicht zuerst (aufgrund der vielen Hindernisse für berufstätige Eltern bisweilen mit viel Mühe) ins Arbeitsleben zurückkehren, um erneut auszufallen, wenn es im Job gerade wieder richtig läuft. Und es gibt Familien, die schlicht darauf angewiesen sind, die beruflichen Auszeiten der beiden Elternteile möglichst kurz zu halten, weil es sonst finanziell zu eng wird, und die sich deshalb mit der Nachwuchsproduktion beeilen. Nicht zuletzt treibt viele Eltern aber auch die Frage um, welcher Altersunterschied für die Kinder selbst ideal ist. Dabei drängt sich auf den ersten Blick der Gedanke auf: Je weniger Abstand zwischen den Kindern, desto besser für ihre Beziehung untereinander und das familiäre Gefüge insgesamt. Das habe ich selbst lange Zeit geglaubt.

In meiner Familie ließ sich diese These über die Jahre hinweg gut testen, denn bei meinen eigenen Geschwistern und mir ist eine große Bandbreite möglicher Altersunterschiede vertreten. Eine meiner drei Schwestern ist zum Beispiel nur knapp ein Jahr älter als ich, sie hat sechs Tage nach mir Geburtstag (ich habe mich nie getraut, meine Eltern dazu näher zu befragen… zu viel Kopfkino). Wir wurden zusammen eingeschult, waren auf dem Schulhof die Quasi-Zwillinge mit den langen Zöpfen und stehen uns bis heute sehr nahe, obwohl wir sehr unterschiedlich sind. Wir haben einfach viel Ähnliches gleichzeitig oder kurz nacheinander erlebt, das schweißt zusammen. Ich weiß aber auch von einer Bekannten, dass die Harmonie unter Kindern ähnlichen Alters längst nicht garantiert ist, erst recht nicht von Anfang an. Sie hatte ihren ersten Sohn gerade mit großen Schwierigkeiten abgestillt, als das zweite Baby kam. Als der Erstgeborene sah, dass da jemand anderes an der Brust der Mutter hängt, raste er vor Eifersucht, und es dauerte lange, bis er seine kleine Schwester akzeptierte. Kann sein, dass die beiden eines Tages dennoch ein Herz und eine Seele werden (sie sind noch klein), oder aber sie gehen sich an die Gurgel. Das Beispiel zeigt jedenfalls: Simultane Entwicklung und ähnliche Bedürfnisse, das birgt auch Konfliktpotenzial.

Also lieber ein bisschen mehr Zeit verstreichen lassen zwischen Kind eins und Kind zwei, dann läuft es besser? So einfach ist es auch wieder nicht. Zwischen meiner ältesten Schwester und mir liegen moderate vier Jahre. Heute spielt dieser Altersunterschied keine Rolle mehr. Im Kindes- und Jugendalter allerdings lagen nicht nur vier Jahre, sondern ganze Galaxien zwischen uns, und es flogen regelmäßig die Fetzen. Da nützte es auch nichts, dass wir beide Mädchen waren – übrigens auch so eine recht häufig anzutreffende, aber fragwürdige These: dass gleiche Geschlechter tendenziell besser harmonieren als unterschiedliche.

Eine letzte Schwester habe ich noch zu bieten, und hier ist der Altersunterschied ziemlich ungewöhnlich: Ich war 14 und damit mitten in der Pubertät, als sie geboren wurde. Meine anderen Schwestern und ich fanden das Ganze irgendwie unheimlich (Kopfkino!), aber auch irgendwie cool. Wir Großen hatten erst ein knuddeliges Baby/Kleinkind zum Bemuttern, und Jahre später verhinderte die Nachzüglerin, dass unsere Eltern in einem leeren Haus durchdrehten, als wir Älteren eine nach der anderen auszogen. Bis heute ist unsere kleine Schwester unser aller Augenstern. Seit Neuestem studiert sie, und wir „Großen“ platzen vor Stolz. Wenngleich unser Verhältnis durch den großen Altersunterschied natürlich nicht das typische Schwesternverhältnis ist, ist es einfach unfassbar toll, dass es sie gibt, die Nachzüglerin. Das einzig Uncoole: Man fühlt sich neben ihr ganz schön alt. Und sie selbst muss sich ständig altkluge Ratschläge anhören.

Was ich mit all diesen Geschwisterkinder-Anekdoten zum Ausdruck bringen will: Für die Frage, wie sich Kinder untereinander verstehen, kann das Alter entscheidend sein – oder aber völlig egal. Charaktere und Lebensumstände spielen dafür jedenfalls mindestens eine genauso wichtige Rolle. Und entspannte Eltern sind für ein friedliches Familienleben auch nicht unerheblich. Das mag eine Binsenweisheit sein, und dennoch machen sich landauf, landab junge Paare großen Stress, nach dem ersten Kind möglichst schnell das nächste zu produzieren. Junge Mütter pieseln in Plastikbecher und halten Ovulationsteststreifen hinein, um den perfekten Moment fürs Babymachen abzupassen, während nebenan ein Baby oder Kleinkind im besten Fall schläft, im schlimmsten Fall brüllt. Und Väter müssen sich allzeit für den vermeintlich perfekten Moment bereithalten – egal, ob es gerade romantisch/kuschelig/aufregend ist oder nicht.

Ich selbst hatte mir auch ausgemalt, dass wir Gas geben würden. Es sollte anders kommen: Vor viereinhalb Jahren wurde unser erster Sohn Ben geboren, und daraufhin waren mein Mann und ich eine ganze Weile lang abends ziemlich müde. Die Entscheidung, uns mit Baby Nummer zwei nicht verrückt zu machen, hat sich als goldrichtig herausgestellt. Denn der Altersunterschied von fast genau vier Jahren macht sich bei unseren beiden Jungs – im Gegensatz zu meiner ältesten Schwester und mir seinerzeit – bisher nur positiv bemerkbar: Einem Vierjährigen kann man schon ganz gut gut erklären, dass das neue Familienmitglied ab und zu besondere Zuwendung braucht. Ben nimmt meistens Rücksicht, liebt seinen kleinen Bruder heiß und innig, zumal er seine Dinos und Piratenschiffe noch lange nicht teilen muss. Und dem Baby ist sowieso noch vieles egal.

Falls mich jemand fragt, lautet mein Tipp deshalb: Nicht zu viel herumrechnen bei der Familienplanung, das törnt ab. Und nicht vergessen (Eltern selbst tun das sicher nicht, aber oftmals die unsensiblen Omas, Tanten und Nachbarn): Babys gibt es eben nicht auf Knopfdruck. Es ist ein ganz schönes Glück, wenn man sich ein Kind wünscht und es klappt. Und es ist ein unfassbares Glück, wenn es sogar noch mal klappt.