Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Lasst sie ruhig mal schuften!

Hausarbeit statt Taschengeld
Hausarbeit ist kein Spaßbringer, aber lehrreich.

Das Taschengeld und ich, wir haben es miteinander versucht. Eine ordentliche Beziehung wollten wir aufnehmen, uns regelmäßig treffen, jede Woche sonntags, damit ich in einer kleinen feierlichen Zeremonie die abgezählten Münzen an meinen Nachwuchs übergeben konnte: Mein Geld sei nun Dein Geld.

Das Taschengeld war willig, ich konnte oder wollte mich aber irgendwie nicht committen. Ein paar Wochen ging es gut, dann vergaß ich wieder unsere Verabredung, zahlte dann Wochen auf einmal nach. Versuchte mich selbst mit Strafzinsen zu mehr Disziplin zu erziehen, alles erfolglos.

Mein Kind, das offenbar zu ähnlich verantwortungsloser Nachlässigkeit wie ich neigt, vergaß die Verabredungen auch. Dabei ist Taschengeld doch so wichtig, damit Kinder den Umgang mit Geld lernen! So las sich das jedenfalls in den einschlägigen Erziehungsratgebern.

Doch lernen Kinder mit einem Einkommen von 1-2 Euro pro Woche wirklich etwas anderes, als wieviel Brausepulvertüten oder Tauschbildchen man dafür bekommen kann? Ansparen kann man damit ja nicht wirklich etwas und wenn wir zusammen ein Eis essen wollten, hab´ ich es ohnehin bezahlt. Die Sache mit dem Taschengeld schlief also wieder ein – und wurde vom Nachwuchs auch nicht groß nachgefragt. (Genügsam, ich weiß, ein Glücksfall!).

Mit Beginn des Teenageralters brachte meine Tochter das Thema wieder auf die Tagesordnung. Tenor: Alle bekommen Taschengeld, warum ich nicht. In Erinnerung an die guten alten Erziehungsratgeber, kramte ich schon zähneknirschend meine Silberlinge zusammen.

Aber was, so fragte mich eine besserwisserische Stimme in meinem Hinterkopf, lehre ich meiner Tochter da? Dass sie künftig so regelmäßig wie ich mein Gehalt von mir Geld erhält, allerdings völlig ohne Gegenleistung. Während ich gerne mal darauf hinweise, dass Miete, Essen, Klamotten und Urlaub erst durch meine nervenaufreibende Arbeit bezahlt werden kann, soll ich nun mein Kind an ein bedingungsloses Einkommen gewöhnen. Ganz so, als würde das Geld der Eltern auf dem Kirschbaum im Garten wachsen und man könne beliebig davon ernten.

Auf welches Einkommensmodell bereite ich mein Kind da eigentlich vor?

Die größten Kritiker eines bedingungslosen Grundeinkommens in der Erwachsenenwelt malen immer wieder in trüben Farben das Bild vom abgeschlafften Arbeitnehmer, der fortan nur noch in der Hängematte liegt und sich zu absolut keiner wertvollen Erwerbsarbeit mehr aufraffen mag. Wer einen ermatteten Teenager an einem Samstag um 11 Uhr zu wecken versucht, kennt dieses Bild in allen Details. Wo bleibt da der Anreiz für jedwede Tätigkeit?

Ich schloss also die Finger um mein sauer verdientes Geld wieder fester und trat in neue Verhandlungen ein. Dabei halfen mir ausgerechnet ein Paar furchtbar hässliche Schuhe, auf die mein Kind ein Auge geworfen hatte: Schwarze Plateauschuhe mit Teufelshuf und bedrohlichen Spikes am Ende, garniert mit einem roten Stoffherz, das wohl dem Elend noch einen Hauch Harmlosigkeit verleihen sollte. Ich würde ihr diese Schuhe jedenfalls niemals kaufen, aber wenn sie dafür arbeiten wolle, bitte.

Der Glanz in ihren Augen war ein seltenes Schauspiel, ebenso der Elan, den sie seither an den Tag legt: Sie bügelt, sie schrubbt das Bad und arbeitet zuverlässig Wäscheberge ab. Ich bezahle sie für Hilfe bei der Hausarbeit. Nicht bei den kleinen Dingen des Alltags, wie Tisch ab- oder Geschirrspülmaschine ausräumen, Selbstverständlichkeiten also. Aber für all jene Tätigkeiten, für die ich zeitweise auch eine Putzfrau bezahlt habe.  

Netter Nebeneffekt: Das Kind hat den Wert der Hausarbeit kennengelernt. Das ist nicht länger etwas Diffuses, das zwischen Sonnenauf- und bis nach Sonnenuntergang von Eltern auf magische Art und Weise erledigt wird. Meine Tochter kann nun beziffern, wie teuer es ist, wenn jemand anderes die Wäsche für einen macht. Indem man einen Stundensatz vereinbart und dann gemeinsam durchexerziert, wie lange es dauert, bis alle Socken gedreht und die Wäsche nach Farben sortiert ist, wie man die Waschmaschine bedient, danach die Kleidung aufhängt und nach dem Trocknen wieder zusammenlegt und schließlich ordentlich in den richtigen Schrank packt. Jeder Schritt wird in Minutenlänge zerlegt und am Ende addiert.

Das ist heilsam und nicht nur lehrreich für das Kind, sondern auch für die Eltern, die dadurch mal die Stunden zusammenrechnen, die sie so nebenher in den Haushalt investieren. (Ich antworte übrigens seither nie mehr auf die Frage, wie man einen scheinbar ereignislosen Tag verbracht hat, mit „Och, nicht Besonderes“. Ich sage: „Ich hab´ den Haushalt geschmissen. Es ist jetzt wieder sauber, wir haben alle was zu essen und zum Anziehen.“)

Denn auch darauf kommt es an: dass wir unseren Töchtern (und Söhnen, sofern vorhanden) mit auf den Weg geben, dass die ewige Hausarbeit nicht ohne Grund ARBEIT im Titel trägt und etwas ist, das keiner naturgegeben gern so nebenher macht und deshalb keiner weiteren Würdigung bedarf. Dass auch ein „Danke“ dafür manchmal zu wenig ist. Dass man diese Arbeit auch bewerten kann.

Und ich kein schlechtes Gewissen habe, wenn ich dabei auch die angemessenen Opportunitätskosten im Blick behalte: Ich bügele so ungern, dass mir 1 Stunde Freizeit, in der ich nicht bügeln muss, glatt 10 Euro wert sind. Die gebe ich stattdessen meinem Kind, das in der Zwischenzeit alle meine Blusen plättet. 

Win-Win.

Wichtig bei dieser Gleichung ist aber vor allen Dingen eines: Wer weiter den unbezahlten Teil der Hausarbeit macht, Mann oder Frau, sollte sich dafür öfter mal eine Gegenleistung gönnen. Ein familienfreier Abend, eine Massage, ein Restaurantbesuch – alles erlaubt, was als großes „Gut gemacht“ empfunden wird, wo das tägliche „Danke“ meist gewohnheitsmäßig ausbleibt.