Schlaflos

Schlaflos

Das Familienblog der F.A.Z.

Ist das überhaupt richtiger Urlaub?

Auf in den Pool: Urlaub in Griechenland

Griechenland, Kreta: Raki, türkisblaues Meer und Zickenkrieg

Wir wollten unsere Reise nach Kreta auf jeden Fall antreten, sollte Covid-19 es halbwegs zulassen. Wir hofften auf leere Strände, leckeres griechisches Essen und einen reibungslosen Verlauf. Die Anreise funktionierte anfangs nicht ganz so reibungslos: Der Flieger ging um 6 Uhr morgens. Das machten Mayas (12) Kreislauf und ihr Reisefieber nicht mit. Maya hatte die letzten Tage vor Abflug damit verbracht, darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn unser Flugzeug abstürzt. Man wäre bei der Höhe definitiv tot, während man – ihrer Meinung nach – bei einem Autounfall noch gerettet werden könnte. Wir flößten ihr ein Mittel gegen Reiseübelkeit ein und kamen verspätet und hektisch am Flughafen an.

Der Flug mit Mund-Nasen-Schutz und die Einreise nach Griechenland gestalten sich dagegen unkompliziert. Ein Beamter warf am Flughafen in Heraklion einen schnellen Blick auf unsere QR-Codes und wies uns den Weg, an der Corona-Test-Station vorbei, Richtung Gepäckausgabe. Unser Urlaub konnte starten!

„Hier sieht es aus wie im Bilderbuch“, waren Laras erste Worte, als wir vor unserem charmanten, familiengeführten Strand-Hotel standen (ihr zweiter Satz lautete: „Wie iss’n der WLAN Code?“). Das Meer schimmerte türkisblau und beim Abendessen auf der großen Außenterrasse konnten wir jeden Abend beobachten, wie die Sonne im Meer zu versinken schien. Die Insel war nicht ausgestorben, aber doch merklich leerer als normal. Nicht ganz so bilderbuchmäßig gestaltete sich das Verhältnis meiner Töchter zueinander. Klar, wir waren darauf vorbereitet. Warum sollte es im Urlaub anders laufen als zu Hause? Die Mädels sind sich momentan altersbedingt überhaupt nicht grün.

Aber es gab auch harmonische Familien-Momente, wie dieser eine Abend auf unserer Hotelterrasse. Ein griechisches Duo spielte (schlechte) Live-Musik und Maya packte ihre Uno-Karten aus. „Spielst du auch mit?“, fragte ich Lara wenig hoffnungsvoll. Doch sie nickte überraschenderweise. An diesem Abend kam es zu keinem einzigen Schlagabtausch oder Zickenkrieg. Wir gaben Zitate unserer Lieblingsfilme zum Besten und Maya sagte: „Weißt du noch, Lara, vor fünf Jahren auf Kreta? Ich habe dir Mamas Glas mit Raki zu trinken gegeben, weil ich dachte, es wäre Wasser.“ Und dann erinnerten sie sich an vergangene Schwesternerlebnisse und alte Spiele und lachten miteinander.

Zu Hause zog Maya ihr Fazit: „Mama, es war ein richtig toller Urlaub. Weißt du, was das Beste ist? Keiner von uns ist krank geworden.“ Mit „krank“ meinte Maya Ohrenentzündungen oder Halsschmerzen und nicht das Coronavirus.  Unser Hotel hatte ein strenges, sehr gutes Hygienekonzept: Maskenpflicht im Gebäude, am Buffet (Essen wurde ausgegeben), ständige Desinfektion der Sitze, Tische und Liegen, eingeschränkter Roomservice. Selbstverständlich galt in den Geschäften, in Taxen, auf Ausflugsbooten und Bussen die Maskenpflicht. Abstand ließ sich auf der Insel sehr gut halten. Die Einschränkungen haben wir in den zwei Wochen fast schon als „normale“ Begebenheiten wahrgenommen und konnten das Virus ein klitzekleines bisschen unter der griechischen Sonne vergessen.

Sonia Heldt

© Picture AllianceWeniger Menschen, mehr frische Brise: Urlaub in der Normandie

Normandie, Nordfrankreich: Zur rechten Zeit am rechten Ort

Mein Mann und ich lieben den Süden. Die Sandstrände, den Aperol Spritz in der Strandbar, die ausgelassene Stimmung am Abend. Doch wir haben einen zweijährigen Sohn. Und der bewegt sich eigentlich immer im Turbo. Die Vorstellung, ihn in Coronazeiten im schlimmsten Fall in einer Plexiglaskabine mit Zeitfenster am Mittelmeerstrand an einem Ort halten zu müssen – unvorstellbar. Glücklich, überhaupt verreisen zu können, buchten wir also diesmal etwas ganz anderes: Nord- statt Südfrankreich, Stein- statt Sandstrand, 19 statt 35 Grad. Und was soll ich sagen? Es war fantastisch!

Die eigentlich etwas karge Normandie empfing uns mit über 40 Grad und trubeligem Strandleben. Mit zwei großen Vorteilen: Es war längst nicht so überlaufen wie an touristischen Hotspots im Süden und außerdem konnte Max nicht so schnell abhauen. Beschränkungen außer Maskenpflicht gab es fast keine und mit Kind sind Plätze im Freien beim Restaurantbesuch ohnehin immer am entspanntesten. Wir haben immer einen gekriegt.

Seit wir zusammen sind, seit zwölf Jahren, wollte ich meinem Mann die Normandie zeigen, wo ich selbst ein Jahr gelebt habe. Doch wenn einem die ganze Welt offensteht, fällt die Normandie meist eben doch durchs Raster. Und ehrlich – wer ist scharf auf 19 Grad im August? Doch Corona hat uns demütig gemacht. Sicherheit vor Exotik, Praktikabilität vor Spontanität. Unsere erste Reise Ende Mai führte uns in den Odenwald – da konnten wir kaum fassen, dass Reisen überhaupt schon wieder möglich ist. Meine Eltern jubelten schon, unser Kind habe uns sesshafter gemacht, doch wir trauten uns einfach nicht einmal aus dem Bundesland. Trotzdem piekst das Fernweh uns schwer, wenn wir einige Monate lang an einem Ort sind. Und so wollten wir unbedingt ins Ausland im August. Austern statt Schnitzel, Vin Rouge statt Radler. Aber wir wollten in Europa bleiben, sicher ist sicher, mit dem Auto, nicht mit dem Flugzeug, und so nah, dass wir im Ernstfall in einer Nachtfahrt wieder zu Hause sind. Selten haben wir uns so sehr zur rechten Zeit am rechten Platz gefühlt.

Chiara Schmucker

© Picture AllianceMeeresfrüchte und Meer: Urlaub an der Algarve

Portugal, Algarve: Und täglich grüßt das Muscheltier

Außenminister Heiko Maas hatte die Aufhebung der Reisewarnung innerhalb Europas noch nicht offiziell verkündet, da hing ich schon am Telefon in der Warteschleife der Airline. Wie jedes Jahr hatten wir unseren Sommerurlaub an der Algarve für Anfang Juli gebucht, doch jetzt wollten wir keine Sekunde länger warten. „Lass uns sofort los“, sagte mein Mann, „wer weiß, wie die Corona-Lage Mitte und Ende Juli aussieht?“ Dank einer sehr kulanten und Corona-gebeutelten Airline verlegten wir unseren Hinflug vor auf den 19. Juni und standen schon eine Woche früher als geplant am Gate in München. Destination: Lissabon. 

Zum ersten Mal seit Monaten wieder unter Menschen und dann auch noch im Flieger ohne Mindestabstand, dafür aber mit Mund-Nasenschutz, das war schon ein sehr komisches Gefühl. Doch die Vorfreude war größer als die zuletzt wieder gestiegenen Infektionszahlen in Portugal. Dass wir überhaupt in die Heimat meines Mannes fliegen könnten und die portugiesische Familie sehen würden, hätte ich noch ein paar Tage zuvor nicht für möglich gehalten. Also schob ich die Bedenken beiseite, drehte die Lüftung über meinem Sitz auf und dachte an Professor Drosten, der die Ansteckungsgefahr im Flugzeug gering einschätzt.

Von Lissabon fuhren wir dann weiter drei Stunden an die Algarve, in ein kleines ehemaliges Fischerdörfchen mit dem Namen Cabanas de Tavira. Hier besitzt die Familie meines Mannes ein weißes Ferienhaus mit Garten, in dem ein uralter Johannisbrotbaum steht. ALGARVE, alleine wenn ich das Wort höre, beginnt mein Kopfkino. Dann denke ich an den endlosen Sandstrand auf der Ilha de Cabanas, an Berge von Gambas und Muscheln, die wir im Restaurant Monteiro an der Promenade essen, an eisgekühlten Vinho Verde und an meine hart erkämpften Bikinistreifen. Jedes Jahr verläuft unser Urlaub gleich. Und täglich grüßt das Muscheltier! Ein einzigartiges, nie enden wollendes Déjà-Vu. Mein Mann erlebt es seit 40 Jahren, ich, seitdem ich ihn vor 13 Jahren kennen gelernt habe, und auch unsere Kinder haben seit ihrer Geburt jeden Sommer an der Algarve verbracht. Die Sorge, dass dieses Jahr alles anders werden würde, bestätigte sich nicht. Die Strände waren zwar leerer als sonst, aber nicht ausgestorben. Auf dem Weg zum Strand, in Geschäften und auch beim Betreten von Restaurants gilt in Portugal Maskenpflicht. Außerdem achtet man sehr genau auf Hand-Desinfektion. Erst desinfizieren und dann anfassen. Ansonsten bekamen wir von Corona nicht wirklich viel mit. Wir fühlten uns sicher. Unser Leben spielte sich sowieso nur innerhalb der Familie und im Freien ab. Und die leichte Meeresbrise vertrieb nicht nur all unsere Bedenken, sondern auch Aerosole.

Ich bin froh, dass wir uns getraut haben. Denn die Algarve macht uns einfach zu besseren Menschen. Zumindest für drei Wochen. Kein einziges Mal fragten unsere Zwillingsjungs nach dem Tablet oder der Fernbedienung. In diesem Jahr sind sie morgens um 9 Uhr (!!!) alleine aufgestanden, zum Spielen ins Wohnzimmer gegangen und haben uns ausschlafen lassen. Abends fielen Tiago und Fabian müde vom Sanddämme bauen, Wellen besiegen und Pool Tieftauchen ins Bett. Wir waren alle so  entspannt und glückselig, dass ich oft abends auf der Terrasse zu meinem Mann sagte: „Ist dir mal aufgefallen, dass ich heute kein einziges Mal laut geworden bin oder geschimpft habe?“  Daher bin ich sehr dankbar, dass wir diesen Urlaub auch im schwierigen Corona-Jahr 2020 erleben durften.

Anneli Pereira

© Picture AllianceBleiben oder wegfahren? Entspannen kann man auch zu Hause.

Spießige Senioren auf Deutschlandreise

Eigentlich sollten wir jetzt in England sein, East Sussex. Einen neuen Krimi lesen am Strand, in der Abendsonne über den Brighton Palace Pier schlendern und danach bis zu den Ellenbogen in fettige Fish and Chips eintauchen. Doch es war meine 15-Jährige, die nach quälenden Schulwochen mit Mundschutz als erste von Reiseverzicht gesprochen hatte.

Damit waren wir absolut mehrheitsfähig, laut einer Umfrage von infratest dimap wollte im Mai ohnehin die Hälfte der Befragten zuhause bleiben, ein Drittel in Deutschland verreisen. Da wir zur vorsichtigen Sorte gehören, wagten wir uns erst im Juli aus dem Kiez raus. Der erste mutige Städtetrip führt nach Köln, der zweite nach Hamburg. Vorbildlich desinfizierte Hotels, Maskendisziplin, höflicher Abstand zu allen anderen. Es war entspannt, weil alles erwartbar war. Es war langweilig, weil alles erwartbar war.

Was fehlte, waren die bunt funkelnden Urlaubserinnerungen, die auch noch nach wochenlanger Alltagsabnutzung unbeschadet strahlen. Es fehlte an Exotik, der Herausforderung einer fremden Sprache, aber vor allem an Überraschungen, die man gemeinsam meistern muss. All das hätte man wohl auch in Köln oder Hamburg finden können, aber Corona hatte uns weniger abenteuerlustig gemacht. Man könnte sagen: spießiger.

Das war plötzlich ein Urlaub, wie ich ihn mir heimlich für etwas misanthrope Senioren ausgemalt hatte, die nur ungern ihr Kaff verlassen und wenn, dann alles so haben wollen wie zuhause. Jemand kennenlernen? Muss nicht sein. In dieses einladende Lokal mit den vielen fröhlichen jungen Leuten? Danke, nein. Ein Einkaufsbummel in der Stadt? Lass uns am Montag gehen, wenn nicht so viel los ist. Man wird trübsinnig, wenn man das so aufzählt, weil das so gar nichts mit früheren Reisen zu tun hat. Mein Kind steckte das alles mit größerer Flexibilität weg. So ist es jetzt eben, Maske auf, Mama!

Entspannung aber, das war am Ende die Erkenntnis, gelingt für uns derzeit zuhause am besten, idealerweise ohne Netz und Terminplaner und unwahrscheinlich viel Schlaf. Ich freue mich jetzt schon auf die Herbstferien.

Tanja Weisz