Schlaflos

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Das Familienblog der F.A.Z.

Gegen die Herbstlangeweile

Na gut, dann eben malen: Diese Zweijährige spürt den Herbst auch schon sehr.

Kerzen statt Klopapier, Lebkuchen statt Nudeln

Der erste Lockdown im März/April war zwar blöd, aber die Tage waren warm und sonnig. Maya verbrachte viel Zeit im Garten und auf ihren Rollschuhen. Diesmal drückt uns der Teil-Lockdown merklich mehr auf die Psyche. Ich rechne täglich damit, dass meine Töchter von der Schule nach Hause geschickt werden und somit auch die letzten sozialen Kontakte wegfallen. Maya musste vor den Herbstferien bereits wegen eines positiven Corona-Falls in der Parallelklasse in häusliche Absonderung und zum Corona-Test. Sie fand das schrecklich.

Der November ist kein Monat, den man liebhaben muss. Daher haben wir beschlossen, das Kalenderblatt umzublättern und bereits offiziell in den Vorweihnachtsmodus zu schalten. Wir werden es uns zu Hause so gemütlich und stimmungsvoll wie möglich machen. Meine Hamsterkäufe habe ich schon erledigt und den halben Kerzenbestand der Stadt aufgekauft. Wir werden all die Dinge tun, die wir uns jedes Jahr für den Dezember vornehmen und die wir aufgrund des Vorweihnachtsstresses, der vielen verschiedenen Weihnachtsfeiern und den Proben und Vorbereitungen für die weihnachtlichen Vereins- und Tanzvorführungen der Mädchen dann doch nie schaffen. Wir werden im Kerzenlicht Plätzchen backen und dabei Musik und Hörbücher hören. Wir werden die ganzen Spiele spielen, die wir schon immer einmal spielen wollten und es dann doch nie getan haben, weil uns die Lust und die Zeit fehlten, die komplizierten Spielanleitungen durchzulesen, z.B. die „Escape the room“ Spiele, die sich in Mayas Schrank türmen. Ich werde dieses Jahr am Heiligabend zum ersten Mal in meinem Leben nicht stöhnen: „Die Vorweihnachtszeit ist wieder nur so dahingerast. Wir konnten sie gar nicht richtig genießen.“ 

Lara hat nun genügend Zeit, ihre Spanischnote aufzupolieren und sich Weihnachtsfilme, z.B. „Tatsächlich Liebe“, so oft auf Spanisch anzuschauen, bis ihr der Satzbau in Fleisch und Blut übergegangen ist. Und vielleicht hat Maya ebenfalls Lust, sich einen Harry Potter Film auf Englisch mit mir anzuschauen, um ihr Hörverständnis zu verbessern. Aber eigentlich bastelt meine Jüngste lieber. Sie ist ständig auf der Suche nach neuen DIY-Anregungen und möchte für ihre Freundin einen Rubbel-Adventskalender anfertigen. Hier ist Mayas Anleitung für den Rubbel-Adventskalender, den schon kleine Kinder wunderbar für ihre Freunde und/oder Familienmitglieder anfertigen können:

Man benötigt:

  • einen großen Bogen Pappe
  • Spülmittel
  • Acrylfarbe
  • transparente Klebefolie (Einschlagfolie für Bücher oder alternativ breites Klebeband)
  • einen Pinsel
  • einen Lackstift
  • eine Münze (für später zum Aufrubbeln)

Man zeichnet 24 Felder auf den Pappbogen und gestaltet sie weihnachtlich: Das kann ein selbstgemaltes Bild, ein Foto, ein Gedicht oder ein Gutschein sein. Anschließend schneidet man die Klebefolie zurecht und klebt sie über die Felder. Dann die Paste im Verhältnis 2:1 anmischen (2 Teile Acrylfarbe, 1 Teil Spülmittel – bitte vorher testen, ob es auch ausreichend deckt!) und die Felder großzügig übermalen. Nun mindestens über Nacht trocknen lassen. Zum Schluss mit einem Lackmaler Zahlen draufschreiben, drumherum hübsch bemalen und verzieren – fertig ist der Rubbel-Adventskalender!

Sonia Heldt

„Fifty-one – I love my mum” Bingo für Funkfüchse

Irgendwann, wenn alle Bilder gemalt, alle Barbies verheiratet und alle Legoautos zerlegt und wieder zusammengebaut wurden, kommt die Langeweile. Kinder brauchen neue Reize.  Irgendwas, was sie noch nicht kennen. Vielleicht sogar was Verrücktes, in diesen verrückten Corona-Zeiten. Während des Lockdowns im Frühjahr haben wir uns regelmäßig mit unseren Nachbarn ausgetauscht.

Natürlich hatten wir zuvor ein ausgeklügeltes Hygiene-Konzept entwickelt: Wir trafen uns im gebührenden Abstand am Gartenzaun und als Desinfektionsmittel gab es je nach Geschmack ein „Fence-Beer“, einen „Fence-Wine“ und bei großer Verzweiflung auch mal einen „Fence-Whisky“. Wir wussten ja, Alkohol mag das Virus nicht. Unsere Nachbarn kommen übrigens aus den Niederlanden und aus England, darum auch die internationalen Getränkebezeichnungen. Und unsere drei Haushalte haben zusammen acht Kinder, im Alter von fünf bis elf Jahren.

Bei einem dieser Zaun-Treffen erzählte Anne, die Engländerin, beiläufig, sie hätten noch ein Bingo-Spiel im Keller. Allgemeines kurzes Sacken lassen, ein Schluck vom Fence-Drink. „Bingo, mhm… Aber wie spielen wir das in Corona-Zeiten?“ Weitere Pause und noch ein kleiner Schluck vom Fence-Drink. Plötzlich schlug sich meine Frau vor die Stirn: „Mensch, wir haben doch noch die Walkie-Talkies im Keller!“ Die Sache war abgemacht.

Wer das Spiel nicht kennt: Beim Bingo werden – ähnlich wie beim Lotto – Kugeln mit den Zahlen von 1 bis 90 in einer Trommel gemischt und dann immer einzeln gezogen. Jeder Mitspieler bekommt einen (oder mehrere Zettel) und muss zuhören, welche Zahlen gezogen werden. Wer eine Zahl auf seinem Zettel hat, kreuzt sie an. Ziel ist es, eine waagerechte, senkrechte oder diagonale Reihe mit fünf Zahlen vollzukriegen. Wer das zuerst schafft, gewinnt. Als Preise hatte jeder Hausstand irgendwelchen Krempel zusammengestellt. Den sammelten wir in einer bunten Kiste. Für die Kinder waren es Schätze.

Abends ging es los. Jede Familie saß in ihrem Garten. Auf dem Tisch lagen die Zettel geordnet nebeneinander, daneben Stifte, in der Mitte stand das Funkgerät. Ein Kind bediente die Bingo-Kugeln, ein anderes las die Zahlen laut vor – auf Englisch, Deutsch und manchmal auch auf Niederländisch. Die anderen hingen mit dem Ohr am Walkie-Talkie. Es war ein großer Spaß. Es erinnerte mich an meine Kindheitshelden, die Funkfüchse und die Drei Fragezeichen.

Wir haben das einige Male gespielt, auch bei Regen. Die Walkie-Talkies funktionierten auch innen ohne Probleme. Ich habe es noch nicht ausprobiert, bin mir aber sicher, Bingo kann man auch bei einer Videokonferenz mit Freunden und Familie spielen. Noch ein Tipp dazu: Einmal hat Anne, die Engländerin, die Zahlen angesagt und dabei das britische Bingo-Alphabet benutzt. Ja, so etwas gibt es. Jede Zahl hat ihren eigenen, kleinen Spruch, der sich oft reimt, sich Nicht-Briten allerdings nicht immer erschließt, aber sehr charmant ist. Ein paar Beispiele:

thirty-five – Jump and Jive

fifteen – young and keen

seventeen – Dancing Queen

three – cup of tea

fifty-one – I love my mum

In diesem Stil geht es von eins bis neunzig. Das Bingo-Alphabet findet man im Internet. Ein Bingo-Spiel gibt es im Einzelhandel mit Zetteln schon für weniger als zehn Euro.

Matthias Heinrich

Baukunst und Speed-Puzzlen

Was macht man mit einem Zweijährigen, wenn alle Kastanien gesammelt sind, alle Bücher tausendmal gelesen und alle Tonies „ausgehört“? Wir bauen! Unser Schatz an roh behauenen Holzbauklötzen ist schier unerschöpflich – und die Fantasie (vor allem meines Mannes) – ebenso. Mein Sohn gibt in Bauleiter-Manier die Anweisung zum Zielobjekt: Auto, Mähdrescher, Kehrmaschine, Traktor, Transporter, Zug. Mein Mann setzt aus Planken, Zylindern, Kugeln und Kuben die wildesten Fahrzeuge zusammen. Wie der Chef eines anzutreibenden Familienunternehmens begutachtet Max die Bauarbeiten, sucht die als nächstes zu verbauenden Klötze hervor und nimmt wenig Rücksicht auf die Gefühle des Angestellten. Der darf nicht sentimental sein. Was nicht gefällt, wird eingerissen. In guten Momenten stapelt Max Gummitiere und Matchboxautos auf die Fahrzeuge und spielt „Oh nein! Stau“.

Ist der Bauherr zufrieden mit der Tragfähigkeit seiner Fahrzeuge? Sonst reißt er sie demonstrativ ein – vor den Augen des Angestellten, aka Papa.

Und wenn es dann immer noch erst halb zehn Uhr am Vormittag ist? Dann holen wir die Puzzles hervor. Max puzzelt schnell und engagiert, auch 15 Teile und mehr, – und nur um uns zu unterhalten, setzt er manchmal absichtlich ein Teil an die falsche Stelle oder versteckt es in einer Sofaritze. Ob wir auch gut aufgepasst haben? Vor einigen Monaten haben wir das Speedpuzzlen für uns entdeckt. Mit dem Handy filmen wir im Zeitraffermodus, wie Max zielsicher Teil für Teil an die richtige Stelle setzt. Wenn wir danach zu dritt auf dem Sofa sitzen, lachen wir uns über das Gezappel kaputt – und platzen fast vor Stolz.

Chiara Schmucker

Weltreise in der eigenen Wohnung

Wir sind bestimmt nicht die einzige Familie, deren Teenager in Coronazeiten überrascht entdeckt hat, dass der Herd nicht nur eine Ofenklappe hat, die man öffnen kann, um eine Fertigpizza hineinzuschieben. Jawohl, das darf durchaus als Hinweis darauf verstanden werden, dass auch Muttern nicht dem ersten Michelin-Stern entgegenkocht. Aber in Zeiten des Lockdowns sucht man eben auch nach ungewohnten Formen der Beschäftigung. Da wir so selten wie möglich einkaufen gehen wollten, wandten wir uns an den geheimnisvollen Inhalt des Vorratsschranks, der zwar voll war, aber dennoch wenig Inspiration verströmte. Noch dazu, weil mein Kind sich als Vegetarierin neu erfand und mich vor noch mehr kulinarische Herausforderungen stellte.

Doch zum Glück stießen wir auf Kochkisten, die all unsere Probleme auf einen Schlag lösten: Nicht nur werden alle frischen Zutaten für einzelne Mahlzeiten in der nötigen Menge frei Haus geliefert, man bekommt dazu auch die genauen Anleitungen und vorab eine  Liste von Rezeptideen.

Wir suchten also gemeinsam aus einer Vorschlagsliste die vegetarischen Rezepte der Woche aus – für zunächst drei gemeinsame Abendessen. Alles deutlich anspruchsvoller als Spiegelei und Bratkartoffeln, aber dank der Anleitungen sogar für meine Tochter in einer halben Stunde machbar. Und es begab sich, dass ich tatsächlich mal abends nach Hause kam und ein wunderbares Abendessen fertig vorfand.

Als wir wagemutiger wurden, eröffnete uns YouTube neue Welten. Da stand dann eine kleine Inderin im Sari, die uns zeigte, wie man Käse zu Hause zubereitet, ohne den abgelegenen Asienladen besuchen zu müssen. Die ganze Präsentation wurde für uns auch  noch mit englischen Untertiteln bekömmlich gemacht.  

Was folgte, war der Trip in fremde Welten ganz ohne Flugzeug, eine herrliche Kombination aus Essen und Serien: Auf Netflix sahen wir uns zusammen staunend und ungläubig „Indian Matchmaking“ an, wo eine reife Heiratsvermittlerin indische Paare zu ihrem langersehnten Eheglück führt, während wir uns am selbstgemachten Curry den Mund verbrannten. Ich lernte erstmals den Algorithmus lieben, der uns immer mehr vom Gleichen anbot und über Bollywood-Schinken bis zu indischen Gesellschaftsdramen alles darbot, was der Streamingdienst so in seinen Archiven bereithält.

Der jüngste Ausflug führte mit Hilfe des Streamingdienstes Amazon Prime nach Mexiko, dazu gab es selbstgemachte Burritos, Nachos und Guacamole. Während wir knusperten, lud der unverschämt gutaussehende Diego Luna kluge und temperamentvolle Freunde und Bekannte zum Abendessen ein: In der Reality-Serie „Pan y Circo“ (Brot und Spiele) diskutieren sie in einer Tafelrunde lebhaft über ihre Sicht auf die Abwanderung vieler Mexikaner zum amerikanischen Nachbarn, die Legalisierung von Drogen oder den Klimawandel. Viel ‚Food for thought‘, um danach beim Abwasch darüber weiter zu reden.

Als nächstes steht Queen Sono auf dem Speiseplan, eine Agenten-Serie mit der coolsten südafrikanischen Heldin, die man sich für ein Teenagermädchen nur wünschen kann. Uns fehlen nur noch die passenden Rezepte dazu. 

Tanja Weisz