
Am Wochenende waren wir unterwegs. Als Familie. Vater. Mutter. Kind 1. Kind 2. Ich genieße diese Tage, an denen wir alle zusammen etwas Schönes unternehmen, denn es ist nicht mehr die Regel, sondern eher die Ausnahme. Unsere Familiensituation wandelt sich. Offiziell haben mein Mann und ich nur noch ein Kind – die vierzehnjährige Maya. Außerdem lebt in unserem Haus eine Volljährige. Lara, unser großes Kind, ist offiziell erwachsen und inoffiziell auf dem Weg dorthin. Lara macht nächstes Jahr ihr Abi und hat schon angekündigt, dass sie dann erst einmal ein bisschen ins Ausland möchte.
Work and Travel, Jobben, vielleicht ein Praktikum, bevor sie sich entscheidet, wie es für sie weitergehen soll. Lara ist schwer beschäftigt. Lernen. Geldverdienen. Freund. Freundinnen. An manchen Tagen ist sie zu Hause nur auf der Durchreise. Immer häufiger müssen wir sie aus unseren Familienaktivitäten ausklammern, weil es terminlich nicht bei ihr passt oder sie schlicht keine Lust hat. Man weiß inzwischen nicht mehr genau, wann oder ob sie überhaupt zum Essen kommt und ob sie zu Hause schläft. An den Wochenenden sitzen wir zu dritt vor dem Fernseher: Mein Mann, Maya und ich.
Maya hat sich inzwischen daran gewöhnt. Vor drei Jahren habe ich in meinem Blog „Goodbye Kindheit – Erwachsen werden ist nicht einfach“ davon erzählt, wie schwer es für Maya war (und hin und wieder immer noch ist), ihre Schwester als Spielgefährtin und engste Freundin teilweise zu verlieren. Damals waren die Mädchen fünfzehn und elf Jahre alt. Inzwischen ist Maya selbst fast fünfzehn und spielt nicht mehr. Aber Lara ist ihr schon wieder einen Schritt auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden voraus.
Vor einigen Monaten wollten wir ins Musical: Rocky Horror Picture Show. Die Vorstellung wurde Corona-bedingt in den letzten zwei Jahren wiederholt verlegt. Nun konnte die Show endlich stattfinden. Ich hatte vier Karten, aber Lara gab uns einen Korb. Sie war eingeladen. Außerdem, sagte sie, hätte sie den Termin nie zugesagt und ihn sich deswegen nicht geblockt. Wir konnten ihr keinen Vorwurf machen, denn es stimmte. Ich hatte sie damals, als ich die Karten buchte, einfach miteingeplant. So, wie ich Lara früher immer wie selbstverständlich einplante, als sie noch jünger, und ihre Freizeit nicht so getaktet war wie heute.
Ich war nicht die Einzige, die traurig über ihre Absage war. Besonders Maya hatte sich auf den Abend gefreut. Erst wollten wir das Theater besuchen und danach Essen gehen. Es sollte ein schöner, besonderer Familienabend werden. Bis zum Schluss hatte ich gehofft, Lara würde es sich überlegen, aber das tat sie nicht.
Maya war schwer enttäuscht. „Was? Lara geht nicht mit? Was mache ich denn jetzt?“
Sie wollte sich flippig-schick aufbrezeln, so wie es sich für die Rocky Horror Picture Show gehört. Sie wollte Zeitung, Klopapier und Konfetti mitnehmen. Aber so alleine, würde sie sich doof vorkommen, sagte sie. Wir schlugen Maya vor, eine Freundin mitzunehmen und waren froh, als Freundin Lisa spontan Zeit und Lust hatte. Die zwei Mädchen hatten großen Spaß. Es war nicht der Familienabend, wie er ursprünglich geplant war. Aber er ging in Ordnung, weil die Zusammenstellung – zwei Erwachsene, zwei Jugendliche – stimmte.
Die Mädchen nippten im Foyer an ihrer Cola, schossen Fotos und liefen giggelnd herum, während mein Mann und ich unser Bier an einem Stehtisch tranken und uns unterhielten. Die Mädchen hatten Spaß, mit den Wasserpistolen ins Publikum zu spritzen (war ausdrücklich erlaubt) und Konfetti in die Luft zu schmeißen. Danach gab es eine Pommes auf die Hand und wir fuhren Lisa nach Hause. Ein schöner Abend, der sich fast so anfühlte wie immer, weil wir für Lara einen Ersatz gefunden hatten.
Die Planung unseres Sommerurlaubes gestaltete sich dieses Jahr dann richtig schwierig. Lara hatte ihre Ferien schon durchgetaktet: Erst ging es Anfang der Ferien mit ihren Freundinnen nach Spanien. Am Ende stand Urlaub mit ihrem Freund an. Zwischendurch Geburtstags- und Sommerpartys, auf denen sie unabkömmlich war. „Klar, fahre ich mit euch in den Urlaub, wenn es zeitlich bei mir hinhaut“, sagte sie. „Aber nehmt bloß keine Rücksicht auf mich. Ich komme mit, wenn es passt. Und wenn nicht, dann fahrt ohne mich.“