01. April 2009 Zu den großen Begabungen Wolfgang Schneiderhans zählt es, das Kauderwelsch der Militärfachsprache und der uniformierten Diplomatie ins Deutsche zu übersetzen. Wahrscheinlich ist das auch der Hauptgrund, warum der Generalinspekteur der Bundeswehr einen Schlag bei den Medien hat, von der Bundeskanzlerin ganz zu schweigen. Eine Kostprobe seiner Vortragskunst hat er am Dienstag abend bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik gegeben.
Da sollte es um die europäische Piratenjägermission gehen, gut mythologisch „Atalanta“, anhand derer die Frage beantwortet werden sollte, wie fähig die EU zum Krisenmanagement sei. Wir finden in unserem Notizblock folgendes angestrichen: Zur Zeit ist es doch mehr als ein deutsches Schiff, dass unter „Atalanta“ fährt. Der Tanker „Spessart“, der am vergangenen Sonntag im Golf von Aden beschossen wurde, gehört nämlich zur Zeit auch zur EU-Piratenmission. Er ist aber gemeinsam mit einer zweiten Fregatte eigentlich Bestandteil eines Nato-Verbands, der nur für kurze Zeit am Horn von Afrika gegen das Piratenunwesen eingesetzt wird. Und die anderen Nato-Schiffe segeln weiter unter Nato-Flagge.
Ein schönes Beispiel dafür, wie verzwickt und verwickelt die Sache mit den verschiedenen Bündnissen und zugleich der nationalen Mandatspflicht ist. Leider hat der GI nicht ausgeführt, wie die beiden Bündnisse und noch eine amerikanisch geführte Willigenkoalition (Task Force 151) darum kabbeln, wer dort der größte Piratenjäger sein darf. Er hat es nur bei der Andeutung belassen, dass die Briten zwar das EU-Hauptquartier auf der heimischen Insel stellen, aber ihre Schiffe nicht in der EU-Mission fahren (sie gehören zur TF 151). Nur so viel sinngemäß von Schneiderhan: Es klappt zwar. Aber es den Kapitänen zu überlassen, dass die Koordination funktioniert, kann doch nicht der Weisheit letzter Schluss sein.
Außerdem zur Genese der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik: Allein die Aussprache von Zahlen kann die Hybris schon verdeutlichen, mit der da die Ansprüche formuliert worden sind, über die man sonst in den dicken Konzepten wie über alte Bekannte hinwegliest: In einem Radius von 6000 Kilometern soll Europa binnen kürzester Frist mit 60.000 Soldaten einsatzbereit sein, oder wie der General akzentuierte: Sech – Zig – Tau – Send! Wie viele waren es nach langem Hin und Her im Kongo?
Noch ein alter Bekannter: Die Stärke der EU bei zivilen beziehungsweise zivil-militärischen Missionen. Neu war uns die Zahl: Seit 2003 habe es insgesamt 23 Missionen der ESVP gegeben, im Schnitt acht pro Jahr. Für Militärisches muss die EU zumeist bei der Nato Anleihen machen, das Stichwort lautet „Berlin Plus“. Nach dieser Vereinbarung kann die EU auf die Planungs- und Hauptquartierkapazitäten des atlantischen Bündnisses zurückgreifen.
Schneiderhans Vorschlag: Aus der Einbahnstraße eine Gegenverkehrstraße machen, so dass sich die Nato bei der EU mit zivilen Kapazitäten bedienen kann. Ein schönes Bild und eine hübsche Idee. Aber den gewichtigsten Einwand hat der General an anderer Stelle selbst bereitgestellt. Entgegen dem angeblichen Trend zur Verwischung der nationalen Kompetenzen habe er in seinen langen Jahren in den Militärausschüssen von Nato und EU eher einen Trend zur Re-Nationalisierung feststellen müssen. Weswegen auch die hehren Versuche zur Europäisierung der Rüstungsbeschaffung in einer gemeinsamen Agentur (EDA) bislang gescheitert sind. Wenn schon Binneneuropäisch das nationale Interesse die Harmonisierung bremst, wie soll das erst im Austausch zwischen EU und Nato aussehen?