Wozu sind die europäischen Piratenjäger nun am Horn von Afrika? Um Piraten zu jagen? Oder in erster Linie, um Schiffe zu beschützen? Oder noch spezieller: Um Schiffe des Welternährungsprogramms zu schützen? In letzterem waren sie in der Tat rundum erfolgreich. Aber das kann es ja nicht nur sein, wenn man ernst nimmt, dass ein deutsches Interesse Voraussetzung für den Einsatz deutscher Streitkräfte sein muss. Denn man kann es zwar in der Tat als deutsches Interesse ableiten, dass die Notleidenden in den Flüchtlingslagern am Horn von Afrika Lebensmittellieferungen erhalten. Aber unmittelbares Interesse eines „Exportweltmeisters“, wie es Deutschland ist oder war, das haben Marineoffziere ja oft genug betont, sind sichere Seewege für die Handelsschiffahrt.
Deswegen ist es schon interessant zu wissen, ob und welche Priorität die Bundesregierung den Aufgaben für das Marinekontingent vor Somalia zumisst. Der Bundestagsabgeordnete Rainer Stinner (FDP), den wir den „Mutterschiffstinner“ taufen wollen, weil er beharrlich fordert, dass die Marinekräfte auch die Piraten-Mutterschiffe aktiv bekämpfen sollten, hat danach gefragt und diese Antwort aus dem Auswärtigen Amt (Staatssekretär Reinhard Silberberg) bekommen.
Demnach sei – abgeleitet aus der entsprechenden UN-Resolution – „in erster Linie“ die humanitäre Versorgung der somalischen Bevölkerung sicherzustellen. Dazu sei der Schutz der Lebensmittelschiffe „eine der wichtigsten“ Aufgaben (und eine andere „wichtigste“ Aufgabe ist nicht genannt). Nur „ferner“ gebe es die Aufgabe, zivile Schiffe zu schützen. Dabei erlaube das Mandat „Maßnahmen, einschließlich des Einsatzes militärischer Gewalt, zur Abschreckung, Verhütung und Beendigung von seeräuberischen Handlungen oder bewaffneten Raubüberfällen“. Allerdings sei die Aufgabe „angesichts der Größe des Seegebietes und der verfügbaren Kräfte “ anspruchsvoll. „Über die Opportunität und Priorisierung einzelner Handlungsmöglichkeiten ist dabei angesichts der konkreten Umstände zu entscheiden.“
Also, auf deutsch gesagt, meint die Bundesregierung: Erst das Welternährungsprogramm. Dann die Piratenbekämpfung. Und die ist eigentlich unmöglich, weil zu wenige Kräfte vorhanden. (Aber wer stellt denn die Kräfte, und wer koordiniert sie?)
Stinner kommentiert das so: „Im Mandat ist keine klare Priorisierung vorgebenen. Sonst hätte ich dem Mandat auch nicht zugestimmt. Die Bundesregierung versteckt wieder einmal eine rein politische Entscheidung hinter vermeintlichen Rechtsbedenken. Das zeigt, dass sie selber nicht von ihrem Ansatz überzeugt ist.“