Die Staatsanwaltschaft Potsdam ermittelt nicht wegen des Feuergefechts in der vergangenen Woche, in dem deutsche Soldaten mindestens zwei aufständische Kämpfer getötet haben, so melden mehrere Nachrichtenagenturen. Es gebe derzeit keinen Anfangsverdacht, „alles spricht dafür, dass eine Notwehrsituation vorgelegen hat“, heißt es bei ddp.
Dazu drei Bemerkungen:
Es ist natürlich richtig: Nichts spricht dafür, dass hier eine Straftat deutscher Soldaten verübt worden wäre. Sondern nach allem, was berichtet wurde, haben sie auftragsgemäß gekämpft, und dabei kann es ebenso dazu kommen, dass Gegner getötet werden, wie dass eigene Männer fallen. Das ist das Wesen dieser daher nicht leichtfertig zu beschließenden Sache „Einsatz von Streitkräften“, denn sonst könnte man auch jemand anderes schicken.
Die Sache mit der Notwehrsituation erscheint uns nicht so eindeutig. Denn nach offizieller Darstellung der Bundeswehr hat es sich ja so zugetragen: Eine deutsche Patrouille wurde angegriffen, hat zurückgeschossen, die Angreifer wichen aus. Mit Unterstützung afghanischer Kräfte wurden die Angreifer dann verfolgt. Diese Operation ging über Nacht bis Freitag früh, und dabei – so die Mitteilung – wurden sieben feindliche Kämpfer erschossen, davon zwei durch Bundeswehrsoldaten. Es erscheint uns klar, dass das Mandat (der UN wie des Bundestages) all das deckt; schließlich erlaubt es den Einsatz aller erforderlichen Maßnahmen einschließlich militärischer Gewalt, um den Auftrag der Isaf-Schutztruppe zu erfüllen. Also auch, Angreifer nicht gewähren zu lassen, sondern möglichst dingfest zu machen. Denn diese Angreifer wollen eine andere Staatsordnung in Afghanistan, dessen Regierung Isaf unterstützen soll, herbeibomben und herbeischießen. Also: Die Soldaten haben offensichtlich gut und recht gehandelt. Aber nach unserem – juristisch laienhaften – Verständnis ist das keine Notwehr. Hier müssen andere Rechtsbegriffe gefunden und gegebenenfalls durch den Gesetzgeber festgeschrieben werden.
Die Frage ist trotzdem, wo dieserart Überlegungen angestellt werden, ob innerhalb der Bundeswehr oder durch die unabhängige Justiz. Wenn die Bundeswehr – das heißt, ihre Rechtsberater im Einsatz und/oder im Einsatzführungskommando bei Potsdam – einen Anhaltspunkt auf rechtswidriges Handeln von Soldaten hat, dann teilt sie das der Staatsanwaltschaft Potsdam mit. Das war hier offenkundig zunächst nicht der Fall. Anders in dem Fall „Checkpoint“, als im vergangenen Jahr ein Oberfeldwebel ein Auto irrtümlich als Angreifer identifizierte und eine Frau und zwei Kinder erschoss. Da wurde die Sache dann wegen des Wohnortprinzips an die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) weitergegeben. Die ermittelt seit Monaten auf der Sache herum. Auch wenn man inzwischen täglich mit der Meldung rechnen darf, dass die Ermittlung eingestellt wird, meinen wir, dass beide Fälle dafür sprechen, eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft einzurichten, am besten in Potsdam, die für Taten von Soldaten im Einsatz von vorne bis hinten zuständig wäre (eine alte Forderung übrigens des FDP-Politikers und Obersten der Reserve Jörg van Essen). Das würde einen institutionalisierten kurzen Draht zum Einsatzführungskommando bedeuten, was die Justiz stärkte. Und es wäre die Bundeswehr gestärkt, denn lange Verfahren verunsichern die Soldaten. Voraussetzung hierfür wäre allerdings eine entsprechende zusätzliche Ausstattung der Behörde. Das läge im Interesse der Bundesrepublik Deutschland.
Keine Notwehr? Soldaten...
Keine Notwehr? Soldaten schießen nicht nur aus Notwehr gegen sich selber, sondern auch um andere (Kameraden und Zivilisten zB.) von Schaden zu bewahren. Das lernt einer sogar beim normalen Wehrdienst. Bei einem Schußwechsel wird dabei das eigene Leben riskiert, und natürlich auch der Tod des Feindes in Kauf genommen. Hierzu braucht es keine Juristen, denn auch die anschließende Verfolgung der Feinde, die bewaffnet waren und von diesen Waffen auch Gebrauch gemacht haben gehört zum „Handeln“ der Soldaten. Denn mit diesem Handeln haben sie gezielt Schaden von sich selber, Kameraden und Zivilbevölkerung genommen. Die feindlichen Taliban haben sich ja schließlich nicht Waffenlos ergeben, sondern munter weitergeschossen.
<p>Es geht hier weniger um...
Es geht hier weniger um Notwehr, ja oder nein, bzw. gar um Zuständigkeiten. Hier geht es um Grundsätzliches in Bezug auf den Einsatz deutscher Soldaten.
Es ist bedauerlich und traurig, dass die verantwortlichen deutschen Politiker nicht den Mut und die Kraft haben, den Tatsachen und der Realität vor Ort entsprechend den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan als Kriegseinsatz zu werten, zu bezeichnen und der Bevölkerung das aufrichtig zu erläutern.
Durch angstvolle und unverantwortliche Schönrederei werden trotz des „robusten“ Mandats, das den Soldaten den Gebrauch ihrer Waffen zur Durchsetzung ihres Auftrages erlaubt, geradezu absurde Rahmenbedingungen für den Einsatz deutscher Soldaten geschaffen.
Die Taliban werten deutsche Medien genau aus. Wenn sie wissen, dass deutsche Soldaten mit dem Damoklesschwert „Staatsanwalt“ über den Köpfen nur im äußersten Notfall von der Waffe Gebrauch machen und sich mangels Selbstbewusstseins lieber tief in der Deckung halten, als möglicherweise schuldig zu werden, dann fordert das geradezu zur Verstärkung kriegerischer Handlungen gegen einen schwachen und „zahnlosen“ deutschen Gegner heraus. Wo bleibt eigentlich die Stimme des Generalinspekteurs, der den Politikern und ggf. der Öffentlichkeit solche Zusammenhänge erläutert? Der überlässt es Oberstleutnanten des Bundeswehrverbandes, die Lage etwas holprig zu beurteilen. Soldaten verstehen diese „militärische Welt“ nicht mehr!
Erst wenn die verantwortlichen deutschen Politiker ihrer Verantwortung gerecht werden und vernünftige Ramenbedingungen für den Einsatz der Bundeswehr schaffen, werden die deutschen Soldaten mit Handlungssicherheit ihren Auftrag erfüllen. So sehen sie sich einer geradezu absurden Situation gegenüber, die das Vertrauen in die politische und militärische Führung nachhaltig beeinträchtigt.
In anderen Streitkräften werden Soldaten belobigt, wenn sie mutig gegen Angreifer vorgehen. Bei uns sind sie durch den Staatsanwalt bedroht. Absurd!
Lesen Sie dazu auch http://www.md-office-compact.de/Armutszeugnis.htm
<p>Wenn es nicht so traurig...
Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man über dieses Stück Realsatire herzlich lachen. Was wollen wir unseren Soldaten eigentlich noch zumuten? Ich hoffe doch sehr, dass die Staatsanwaltschaften genauso eifrig sind, wenn es gilt, die Täter zu verfolgen, die unsere Soldaten angreifen, verletzen und töten.
Hut ab vor allen, die unter derart schäbigen Bedingungen täglich ihr Leben riskieren.