Zur Sicherheit

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Von den Alpen bis zum Hindukusch, von der Kieler Förde bis in den Golf von Aden: Die Kräfte der Bundeswehr sind längst über den halben Globus

Awacs ohne rote Karte

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Eine interessante Kommentierung des bevorstehenden Awacs-Einsatzes in Afghanistan hat eine Gruppierung, die den Einsatz in Afghanistan ablehnt, innerhalb...

Eine interessante Kommentierung des bevorstehenden Awacs-Einsatzes in Afghanistan hat eine Gruppierung, die den Einsatz in Afghanistan ablehnt, innerhalb der Partei Bündnis 90/Die Grünen verschickt. Wir teilen nicht die Forderung, aber Teile der Analyse:

Da der Afghanistan-Krieg extrem unpopulär ist, mogelt sich die Bundesregierung mit der Mär vom zivilen Charakter des Einsatzes an der kritischen Diskussion vorbei (…) Doch nicht nur auf dem afghanischen Boden wird mit den vermehrten Kampfeinsätzen der Bundeswehr, denen immer mehr Bundeswehrsoldaten und Aufständische zum Opfer fallen, deutlich, dass das Bild vom NATO-Soldat als „Brunnenbohrer und Schülerlotse“ nicht haltbar ist. Der geplante Awacs Einsatz steht dafür, dass es mit der behaupteten Trennung zwischen einem angeblich friedlichen NATO ISAF Einsatz im Norden des Landes und einem blutigen Agieren der US Truppen in einer Koalition der Willigen im Süden nicht weit her ist: Der AWACS Einsatz steht für die Einbindung der Bundeswehr in den von der NATO im Rahmen von ISAF in ganz Afghanistan geführten Krieg. Die Awacs sollen die Luftbewegungen der verschiedenen Flugzeuge koordinieren, die von den diversen Militärkräften eingesetzt werden. Die Lufteinsätze von Isaf, OEF und autonom agierenden US-amerikanischen Truppen können so besser auf einander abgestimmt werden. Bei Angriffen wären die Awacs insofern mit von der Partie, weil sie dafür sorgen, dass zivile Flugzeuge nicht im Weg sind, die Angriffe damit ungestört und effektiver ablaufen können, die Bomben also ihren Weg finden. Von Aufständischen bedrängte Bodentruppen werden die AWACS außerdem als Relaisstationen nutzen, als Ersatz für fehlenden direkten Funkkontakt in unwegsamen Gelände“, so die Grüne Friedensinitiative.

Zwar halten wir nichts von der Behauptung, Deutschland führe Krieg in Afghanistan – das Kriegsgeschrei von links und rechts hat teilweise durchsichtige Motive. Aber das ist wahr: Die Bundesregierung hat sich lange Zeit mit der Mär vom zivilen Charakter des Einsatzes an der kritischen Diskussion vorbeigemogelt. Das ist inzwischen angesichts der Realitäten in Kundus nicht mehr so richtig möglich, doch der langjährige Fehler wirkt nach. Umso ärgerlicher, dass dennoch der Fehler wiederholt wird und der Awacs-Einsatz so dargestellt wird, als habe Deutschland mit Luft-Boden-Angriffen eigentlich nichts zu tun.

Beispiele: Verteidigungsminister Jung (CDU) in der Bundestagsdebatte bei der Einbringung des Mandates: Ich plädiere dafür, unseren Soldatinnen und Soldaten angesichts ihres schwierigen Einsatzes in Afghanistan dadurch zusätzlichen Schutz zu gewährleisten, dass wir die Flugsicherheit durch die NATO-AWACS-Maschinen verbessern. Oder Außen-Staatsminister Erler (SPD): Ziel des Engagements der internationalen Gemeinschaft ist es, die afghanische Regierung in die Lage zu versetzen, selbstständig und dauerhaft für Stabilität und Entwicklung im eigenen Land zu sorgen. Dieses Prinzip der Selbstverantwortung soll in Zukunft auch für die Luftsicherheit gelten. Dafür braucht Afghanistan vorläufig aber noch Hilfe von außen. Der Abgeordnete Stinner (FDP) hat schon da in bemerkenswertem Einklang mit der „Grünen Friedensinitiative“ den Finger in die Wunde gelegt: Die Bundesregierung hat aber in den vergangenen Monaten den Eindruck erweckt, als ginge es hierbei primär und fast ausschließlich darum, den zivilen Luftverkehr besser zu steuern und zu kontrollieren, das heißt, eine Airsupport-Controlling-Funktion auszuüben. Im Mittelpunkt stand jedoch bisher nicht, dass tatsächlich wertvolle Unterstützung im Rahmen der ISAF-Operation geleistet werden soll. Die Bewertung von Letzterem teilen wir in diesem Fall mit Stinner: Das ist richtig, und das ist gut so. Das unterstützen wir. Daran gibt es keine Kritik.

Doch fragen wir uns: Warum gibt sich die Regierung immer noch die Blöße? Warum spricht Erler von der Erfassung von Flügen der „Operation Enduring Freedom“ (OEF) durch die Awacs, fügt aber hinzu, es gehe nur um „Entflechtung“, als müsse man sich von einer Verstrickung befreien? Warum beteuert Jung (in der Sache zutreffend, aber im Tonfall größtmöglicher Distanzierung), dass die Awacs keine Bodenaufklärung betreiben können und daher keine unmittelbare Feuerleitfunktion für Luft-Boden-Einsätze wahrnehmen? Warum sagt er nicht, dass Luft-Boden-Einsätze ein wichtiger Bestandteil sind, um mandatskonform den Aufstand gegen die afghanische Regierung zu bekämpfen? Und, meinetwegen, dass sie für die Sicherheit der deutschen Soldaten am Boden auch wichtig sind, wenn sie angegriffen werden?

Und schließlich: Wäre das nicht der richtige Zeitpunkt, um die unsinnigen Restriktionen für die Recce-Tornados aufzuheben? Die dürfen mit ihren Bordkanonen auch in der Not nicht eingreifen, ja, nicht einmal Show-of-Force-Manöver fliegen. Nicht einmal trainiert durfte das werden. Und die Konstruktion mit dem Red-Card-Holder, die die Weitergabe von Aufklärungsbildern an OEF einschränken soll und ohnehin fragwürdig ist, ist durch die Verschiebungen in der Kommandostruktur der Isaf noch merkwürdiger geworden. Denn der ranghöchste Soldat im Isaf-Hauptquartier ist inzwischen zwei Stufen nach unten gerutscht: Einerseits nicht mehr Stabschef, sondern Deputy; andererseits ist unter dem Isaf-Kommandeur noch eine (amerikanische) Ebene eingezogen worden.

Nachtrag: Eine wie gewohnt kenntnisreiche und abgewogene Zusammenstellung und Bewertung von Fakten im Zusammenhang mit der Awacs-Entsendung hat der Grünen-Bundestagsabgeordnete Winfried Nachtwei verschickt und auf seine Internet-Seite gestellt. Nachtwei belegt die starke Zunahme von militärischem, aber auch zivilem Luftverkehr, die eine Luftraumkoordinierung dringend notwendig macht. Allerdings sind wir nicht so sicher wie er, dass die amerikanischenTruppenverstärkung und das verstärkte Engagement in der Fläche trotz der neuen Direktiven zu größerer Zurückhaltung nicht doch zumindest zeitweilig auch zu mehr Luftnahunterstützungseinsätzen führt: Alleine weil mehr Präsenz am Boden nach den bisherigen Erfahrungen seit der Isaf-Ausweitung 2006 auch mehr Feindkontakte bedeutet. So oder so teilen wir den Abschiedsschmerz des Kollegen Thomas Wiegold wegen des bevorstehenden Ausscheidens Nachtweis aus dem Bundestag. Wobei: Wer weiß, an welcher Stelle wir ihn wiedersehen.


4 Lesermeinungen

  1. hhkfdieter sagt:

    Danke. Sie machen das...
    Danke. Sie machen das innenpolitisch und am Wahlkampf orientierte unehrliche Lavieren der verantwortlichen Politiker im Hinblick auf die Afghanistan betreffende Sicherheitspolitik sehr deutlich.
    Deutschland wird als Bündnispartner immer belangloser und unglaubwürdiger. Und der Einsatz unserer Soldaten wird in Nordafghanistan, auch aufgrund unserer Politik, immer gefährlicher.
    Sie sollten aber nicht auch noch anfangen zu lavieren. Denn einerseits sagen Sie, Sie hielten nichts von der Behauptung Deutschland führe Krieg in Afghanistan und sprechen von „Kriegsgeschrei“. Andererseits sprechen Sie vom „Bekämpfen des Aufstandes gegen die afghanische Regierung“. Wenn dieser Aufstand von Taliban mit Terror und Kleinkriegsmethoden geführt wird, dann herrschen Bürgerkriegszustände. Die Bekämpfung eines solchen Aufstandes ist Kriegseionsatz. Und da geht es nicht um „Wortklauberei“ oder „Kriegsgeschrei“, sondern um eine eindeutige, lageangepasste Definition des Einsatzes unserer Soldaten mit entsprechenden politischen, juristischen und militärischen Konsequenzen.

  2. Dieses Blog ist jedes mal eine...
    Dieses Blog ist jedes mal eine Musterbeispiel für die weichgespülte Presselandschaft. Ein bißchen mehr Schärfe, das Thema ist ernst.
    Diese Leisetreterei machen doch alle anderen. So wird den Kameraden nicht geholfen. Insofern stimme ich meinem Vorredner in besonderer weise zu.

  3. Das Urteil Löwensteins über...
    Das Urteil Löwensteins über die deutsche Sicherheitspolitik in Afghanistan ist zurückhaltend formuliert, dabei treffend und vernichtend. Die meisten FAZ-Leser sind ohnehin eher durch Argumente als durch „scharfe“ Formulierungen zu beeindrucken.
    Es spielt keine Rolle, ob man die Auseinandersetzung dort als Krieg bezeichnet oder nicht. Wenn man die Taliban als eine (Bürger)kriegspartei anerkennt und auf den „GWOT“ das Kriegsvölkerrecht anwendet, kommt man vom Regen in die Traufe.
    Mit den juristischen Konsequenzen der „eindeutigen“ Definition des Einsatzes ‚unserer‘ Soldaten“ fängt es an
    Man müßte zunächst sauber unterscheiden zwischen Kriegs-, Verteidigungs- und Bündnisfall unter Berücksichtigung einer Mandatierung durch die Vereinten Nationen und würde wohl mit der Erkenntnis enden, daß die in Jahrhunderten gewachsenen Regeln des Kriegsvölkerrechts auf die Konflikte unserer Zeit nicht mehr passen. Ein Problem – vielleicht das Kernproblem, das zu lösen ist: wieviel Menschlichkeit können (oder müssen) sich die Staaten des Westens im Kampf gegen einen Gegner leisten, der sich selbst keinem Gebot der Menschlichkeit verpflichtet fühlt?
    Nicht viel einfacher wäre es, sich auf die militärischen Konsequenzen der Anerkennung eines Zustandes des Krieges zu einigen, den wir natürlich gewinnen wollen. Die Frontlinien verlaufen nicht nur zwischen (zivilen) Politikern und Soldaten sowie zwischen den Teilstreitkräften Heer und Luftwaffe (Stichworte sind etwa Luft-Boden-Einsatz Eurofighter, Kampfdrohnen und -Hubschrauber und Pariots gegen die Raketen der benachbarten Schurken aus dem Iran); auch innerhalb des Heeres köcheln die Waffengattungen nach unterschiedlichen Rezepten; nicht zuletzt fragen die Puristen der Führungslehre, wie lange man ISAF und OEF noch künstlich trennen will. Kurz, mit einem Bekenntnis zur Transformation an sich ist es nicht getan.

  4. stoltesa sagt:

    Vor der Frage nach der...
    Vor der Frage nach der Definition steht für mich die Frage, welche Ziele die Bundesregierung mit dem Afghanistan-Einsatz verfolgt. Mir fehlen Begründung ebenso wie Bekenntnis, weshalb ich die Ablehnung in der Bevölkerung nicht nur nachvollziehen kann, sondern sie gut heiße. Die Konsequenz daraus darf aber nicht das unglaubliche Lavieren dieser Regierung sein, sondern ein glasklare Erklärung. In deren Rahmen muss deutlich gemacht werden, was es für jeden einzelnen Bundesbürger bedeuten könnte, sollte Deutschland sich hier der Bündnissolidarität entziehen. Und wenn die Mehrheit dann immer noch dagegen ist, sollte das Parlament dem folgen – oder sich halt ein neues Volk wählen.

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