Den heutigen Auftritt des Verteidigungsministers Franz Josef Jung vor der Bundespressekonferenz hat ein Kollege angesichts der massiven Unterstützung durch Präsenz (Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan sowie die weitgehend stummen Parlamentarischen Staatssekretäre Thomas Kossendey und Christian Schmidt) sehr hübsch als „Show of Force“ bespöttelt. Nachrichtenwert hatten im wesentlichen die Ausführungen des Generalinspekteurs zu Kundus. Ansonsten gab es kaum Neues, allenfalls atmosphärische Beobachtungen:
An die erste Stelle in seiner Selbstbilanz hat Jung die symbolpolitischen Themen gestellt: Gelöbnis vor dem Reichstag, Ehrenmal, Tapferkeitsmedaille. Das ist durchaus folgerichtig, denn hier ist tatsächlich ein prägender Einfluss dieses Ministers zu erkennen, der ansonsten sein Ressort mehr oder weniger verwaltet hat. An dieser Stelle gab es auch Neues im Detail zu verkünden: Das Ehrenmal solle am 8. September mit einer Ansprache von Bundespräsident Horst Köhler eingeweiht werden. Und was den nächstjährigen Festredner zum feierlichen Gelöbnis betrifft, so machte sich Jung für den Bundestagspräsidenten stark.
Ansonsten fielen uns zweimal Divergenzen zwischen Jung und Schneiderhan auf. Als der Kollege Rüdiger Moniac fragte, ob die Bundeswehr in der Hauptstadt nicht noch mehr Präsenz zeigen könne, beispielsweise durch Aufzüge des Wachbataillons vor der Neuen Wache, da machte der Minister zwar angesichts des unerwarteten Vorschlags im Besonderen ausweichende Ruderbewegungen, stimmte aber im Grundsatz zu: „Wir sollten die Aktivitäten in dieser Richtung fortsetzen.“ Der Generalinspekteur meldete sich hingegen deutlich ablehnend zu Wort: „Nichts Aufgesetztes.“ Die Bundeswehr habe ihre eigene Tradition, und die sei von Zurückhaltung geprägt. „Wir sind keine Paradesoldaten und wollen das nicht mit Lackstiefeln werden.“
Die andere Divergenz betraf den Wunsch der Afghanen, von den Deutschen ausrangierte Schützenpanzer „Marder“ zu bekommen, die ja neuerdings sogar den Stempel „combat proven“ tragen dürfen (wie weit es auch immer mit diesem Gefechtseinsatz her sein mag, aber das ist ein anderes Thema). Die Bundeskanzlerin hatte dies wohlwollend zu prüfen im Juni dem afghanischen Präsidenten zugesagt. Jung sagte jetzt, man prüfe das, und er wolle das „gar nicht negativ bewerten“. Schneiderhan dagegen wieder klar ablehnend: Es gehöre auch zu unserer Verantwortung, die Afghanen vor Fehlern zu bewahren, etwa dem, sich einen uferlosen Waffenmix zuzulegen, den sie dann logistisch gar nicht bewältigen könne. „Die Zeit ist nicht reif, über solche Dinge zu reden.“ Mal sehen, wie sich diese Sache weiter entwickelt.
Am Beispiel Jung sieht man,...
Am Beispiel Jung sieht man, dass man es mit der zivilen Kontrolle des Militärs auch etwas zu weit treiben kann.
Die Aussagen des Ministers...
Die Aussagen des Ministers waren wie immer gekennzeichnet durch unglaubwuerdiges Wortgeklingel. Interessant war auch die Anmerkung, dass man in Afghanistan mit den Taliban keine „Krieger“ sondern Verbrecher bekaempfe. Der Minister tut mit seiner Semantik so, als ob man auch in der heutigen Zeit erst in einen kriegerischen Einsatz verwickelt ist, wenn ein „Krieger“ dem anderen „Krieger“ in fairem Gefecht gegenuebersteht. Der Minister ist ganz einfach sehr schlecht beraten und weiss es nicht besser. Obergefreiter der Reserve reicht eben nicht.
Bezeichnend ist auch die verschrobene Wortwahl des Generalinspekteurs, wenn er feststellt, dass es hoechste Zeit war, in Kundus zu eskalieren. Hiermit gesteht er letztenendes doch ein , dass die Politik mit ihrer Schoenrederei in Aghanistan versagt und bisher nicht hinreichend „abgeschreckt“ hat. Unglaubwuerdige Politik hat ihren Preis.
Auch gestern wurde die...
Auch gestern wurde die Kommenarfunktion für zwei Artikel deaktiviert (Lothar Rühl: „Das Unwort Krieg“ und Ihr Beitrag, Herr Löwenstein: „Bundeswehr in Afghanistan – Eine neue Lage“). Grundsätzlich interessiert mich, nach welchen Kriterien Kommmenare im FAZ.NET zugelassen werden oder eben auch nicht.
Zu Ihrem Artikel von gestern: Die Begründungen des Generals Schneiderhan und des Ministers Jung für die neue „Qualität“ des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan scheinen mir an den Haaren herbeigezogen zu sein. Der eine gibt als Ziel vor zu erfahren, „was vor sich gehr“ (das ist ein klassischer Auftrag an Aufklärungskräfte), dann auch noch „den Schutz der Wahllokale vorzubereiten“ (!), der andere behauptet, diese von der afghanischen Armee geführte Operation (soll das Publikum diese Behauptung ernsthaft glauben?!) zeige, „wie weit wir in der Ausbildung der Afghanen vorangekommen sind“. Auf einen solchen Auftrag im Rahmen einer Angriffsoperation muß man erst einmal kommen!
Ein Wort noch zur Luftnahunterstützung: diese wurde bisher wohl vor allem von der U.S.-Luftwaffe geleistet, und ganz bestimmt haben die Amerikaner dabei scharf geschossen. Was soll also der „Hinweis aus Berlin“, diesmal solle „erstmals“ aus der Luft scharf geschossen weren? Einen Sinn ergibt dies nur, wenn die d e u t s c h e n Aufklärungstornados jetzt allen früheren Beteuerungen und Schwüren zum Trotz doch zum „close air support“ herangezogen werden!
Und ergänzend zu Ihrem obigen Beitrag: Der Minister Jung gestern abend hilflos-stammelnd im Fernsehen, in Afghanistan würde kein Krieg geführt – die Taliban möchten zwar gern als Krieger anerkannt werden, sie seien es aber nicht, sondern sie seien terroristische Verbrecher (vgl. hier auch General Dieter).
Dies angesichts eines Truppenteils der Bundeswehr, der unzweifelhaft auch mit Schützenpanzern und Mörserunterstützung angreift! (Im übrigen erhalten Polizisten im Kampf gegen Verbrecher keine Tapferkeitsmedaillen.)
Jungs beharrlich-sture Realitätsverweigerung und seine penetrant wiederholte Rabulistik machen den Mann vollends unglaubwürdig und unerträglich.
Und ein zweites: Warum eigentlich müssen sich die deutschen Soldaten im Einsatz mit ihrem rambohaften Äußeren, den abstoßend wirkenden Sonnenbrillen und kahlen Schädeln den U.S.-Kameraden so weit angleichen, daß sie diesen zum Verwechseln ähnlich sind?
Hier zumindest ist die radikale Abkehr von jeglicher deutscher soldatischer Tradition „gelungen“.
@LOsmers
Ich habe Rambo mit...
@LOsmers
Ich habe Rambo mit sehr langen Haaren in Erinnerung.
Im Einsatz zählt Funktionalität. Wenn man sich bei 40Grad, Staub, Sonnenschein und 20-30kg Ausrüstung unter ständiger Gefahr bewegt, sind kurze Haare und eine vor Sonnenlicht und! Splittern schützende Brille sinnvoll.
Einmal davon abgesehen sind die Soldaten Kinder unserer Zeit. „Früher“ waren eben andere Haarschnitte alltäglich. Hieraus einen schändlichen Einfluss der Amerikanischen Armee abzuleiten legt irgendwie eine Orientierung nahe, in welcher ich mich hoffentlich täusche.