Eine bemerkenswerte Meldung, die gestern über den Ticker lief, sollte unter dem innerdeutschen Getöse um Oberst Klein nicht ganz untergehen:
Afghanische Armee: 22 Taliban in Kundus getötet = Kundus (dpa) – Bei einer Operation deutscher, amerikanischer und einheimischer Truppen in der nordafghanischen Provinz Kundus sind nach afghanischen Armeeangaben 22 Taliban-Kämpfer getötet worden. Oberst Abdul Wakil Hasas sagte am Donnerstag, unter den Toten der Gefechte in Gul Tepa am Rande von Kundus-Stadt sei ein örtlicher Taliban-Kommandeur namens Kari Baschir. Insgesamt sechs Leichen seien als Usbeken oder Tschetschenen identifiziert worden. Ein afghanischer Soldat sei verletzt worden. An der am Mittwoch begonnenen Operation seien Soldaten der Bundeswehr und der afghanischen Nationalarmee sowie Spezialkräfte der US-Armee beteiligt gewesen. dpa cy/fp xx n1 tl
Bemerkenswert ist die hier dokumentierte Internationalisierung der Kämpfe in Kundus. Zum einen auf der Seite der Aufständischen. Von Tschetschenen, Usbeken und Arabern, die die Aufständischen dort verstärkten, hat zuletzt der GI gesprochen, als er (im Zusammenhang mit dem Luftschlag vom 4. September) die Großlage skizziert hat. Hier wäre sozusagen der materielle Beleg dafür, sofern die behauptete Identifizierung zweifelsfrei ist. Vor allem aber wird die Rolle deutlich, die die amerikanischen Spezialkräfte inzwischen im Raum Kundus haben. Denn dass Deutsche dabei gewesen wären, trifft wohl nicht zu, wie von mehreren Seiten zu hören ist. Es verhält sich eher so, wie Friederike Böge in ihrer äußerst lesenswerten Reportage über die Zusammenarbeit eines ehemaligen Mudschaheddin-Kommandeurs mit den Amerikanern geschrieben hat: „Wir haben (die Gefangenen) an amerikanische Spezialeinheiten übergeben“, sagt der Kommandeur. Offenbar hält Miralam enge Verbindungen zu den Elitesoldaten, deren Aktivitäten so geheim sind, dass die für den Norden zuständige Bundeswehr ihre Aufklärungsmaßnahmen in jenen Gebieten unterbricht, in denen sie operieren.
Über die Causa Klein wird natürlich auch berichtet. Interessierten sei dazu an dieser Stelle ein Hintergrundtext aus der heutigen F.A.Z. von uns (was in diesem Ausnahmefall eine Mehrzahl von Autoren bedeutet: Stephan Löwenstein und Reinhard Müller) angeboten:
BERLIN/FRANKFURT, 5. November. An diesem Freitag will Verteidigungsminister zu Guttenberg die Fachpolitiker der Bundestagsfraktionen informieren, wie er den Luftangriff bei Kundus vom 4. September beurteilt. Inzwischen haben die Militärs im Ministerium den Bericht ausgewertet, den die Nato-geführte Schutztruppe Isaf nach dem Vorfall erstellt hat. Auch die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hatte seit Montag Gelegenheit, das Dokument zu studieren. Bald dürfte sie entscheiden, ob sie ein Ermittlungsverfahren gegen Oberst Klein einleitet, den deutschen Offizier, der den Befehl zu dem Luftschlag gegeben hat. Sie könnte den Fall auch an die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe abgeben.
Eine militärische Einschätzung in aller diplomatischen Abgewogenheit hat vorige Woche der Generalinspekteur der Bundeswehr, Schneiderhan, abgegeben. Er sah „keinen Grund, daran zu zweifeln, dass deutsche Soldaten auf der Grundlage des Mandates der Vereinten Nationen angesichts der schwierigen Lage in operativer Hinsicht militärisch angemessen gehandelt haben“. Ein Sprecher Guttenbergs hat nun angekündigt, der neue Minister werde „zu einer eigenen Einschätzung kommen“. Es kann jedoch gut sein, dass diese eigene Einschätzung derjenigen Schneiderhans nicht widerspricht.
Der General hatte vor allem auf die Eskalation der Lage im Frühjahr und Sommer dieses Jahres verwiesen: 87 Angriffe mit Raketen, improvisierten Bomben oder aus Hinterhalten. Kampftechniken, die die Aufständischen bislang im Süden und Osten Afghanistans nutzten, wurden auch im Norden bei Kundus eingesetzt.
Tatsächlich war im August in Kandahar ein Tanklastwagen für einen verheerenden Anschlag auf ein Isaf-Feldlager eingesetzt worden. Auch für Kundus gab es sehr konkrete Warnungen vor einem ähnlichen Angriff, und zwar einer Attacke mit zwei Tanklastern. Einer, so war den Sicherheitsleuten im Feldlager zugetragen worden, sollte die Sperren am Tor aufsprengen, der andere dann im Camp detonieren. Ende August wurde in der Umgebung ein Entsorgungslastwagen gestohlen, ein Tanklastwagen brannte nach einem Taliban-Angriff aus.
Für Oberst Klein, den Isaf-Kommandeur im PRT (Wiederaufbauteam) Kundus, mag daher alles ins Bild gepasst haben, als ihm in der Nacht zum 4. September gemeldet wurde, dass zwei Tanklastwagen von Aufständischen gekapert worden seien. Der Oberst forderte Luftaufklärung an, die in der entscheidenden Phase durch zwei amerikanische F-15-Kampfflugzeuge geliefert wurde. Deren Bilder konnten direkt ins Lagezentrum des PRT übertragen werden. Sie zeigten, dass die Lastwagen, umgeben von rund 50 Männern, im Kundus-Fluss steckengeblieben waren – vom Ort der Entführung aus hatten sie sich vom Feldlager entfernt in Richtung des Distrikts Chardara, einer Taliban-Hochburg. Ein Angriff am Boden schied für die Militärs in Kundus aus. Erhebliche Teile der Kampftruppen waren in einer anderen Operation gebunden, und die örtlichen Gegebenheiten ließen einen Überraschungsangriff nicht zu. Ein Informant am Boden gab an, es seien keine Zivilisten bei den Lastwagen. Der Oberst gab den Befehl, die beiden Laster zu bombardieren. Um 1.49 Uhr nachts, rund zweieinhalb Stunden, nachdem die steckengebliebenen Lastwagen entdeckt worden waren, geschah das. Zwischen 17 und 142 Menschen – so die im Isaf-Bericht zitierten Quellen – kamen ums Leben, darunter auch „Zivilisten“.
Der als geheim eingestufte Bericht führt nun eine Reihe von Versäumnissen und Missachtungen der Einsatzregeln (ROE) auf. So hätte der örtliche Kommandeur nur dann selbst einen Luftschlag befehlen dürfen, wenn eigene Truppen vom Feind schwer bedrängt wären oder eine große Gefahr unmittelbar bevorgestanden hätte. An Letzteres könnte der Oberst gedacht haben, doch steckten die Lastwagen fest, und er hatte in den zweieinhalb Stunden keinen Vorgesetzten informiert, auch nicht den Regionalkommandeur Nord, einen deutschen Brigadegeneral. Der wurde erst 84 Minuten nach dem Luftschlag angerufen. Außerdem hatte der Oberst den amerikanischen Luftwaffenleuten ausdrücklich – und fälschlich, worüber kaum ein Irrtum bestehen konnte – gemeldet, eigene Truppen stünden im Feindkontakt. Er verzichtete darauf, die Menschen bei den Lastwagen durch drohende Tiefflüge vor dem bevorstehenden Bombardement warnen zu lassen, was die Piloten mehrfach vorgeschlagen hatten; allerdings müssen die kreisenden F-15 ohnedies die ganze Zeit zu hören gewesen sein. Das Bombardement einer Menschenmenge steht nicht im Enklang mit den ROE, wenn nur eine einzige Quelle meldet, dass keine Zivilisten dabei seien. Schließlich wurde es versäumt, schnellstmöglich den Ort zur Beweissicherung abzusperren; erst am folgenden Mittag traf eine Patrouille ein.
Mancher hat schon sehr früh gesagt, der deutsche Oberst müsse wegen Kriegsverbrechen vor Gericht. Dabei wird jetzt erst darüber entschieden, ob überhaupt der Anfangsverdacht einer Straftat vorliegt. Darüber brütet seit Wochen eine aus zwei Staatsanwälten bestehende Ermittlungsgruppe der Generalstaatsanwaltschaft Dresden. Sie hat sich vom Verteidigungsministerium alle einschlägigen Unterlagen übermitteln lassen – auch die abstrakte Rechtsauffassung zum Kampfeinsatz in Afghanistan. Jetzt entscheidet sie darüber, ob ein förmliches Ermittlungsverfahren etwa wegen fahrlässiger Tötung aufgenommen wird oder nicht. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte den Fall wegen seiner Komplexität und Bedeutung von der Leipziger Staatsanwaltschaft übernommen, die wegen des dortigen Dienstsitzes des Offiziers zuständig war.
Kriegsverbrechen nach dem Völkerstrafgesetzbuch jedoch sind allein ein Fall für die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe. Die Karlsruher Behörde hüllt sich in Schweigen. Doch sind dem Vernehmen nach schon Strafanzeigen zum Luftangriff auf die beiden Tanklastzüge auf den Weg gebracht worden. Solche Anzeigen sind jedoch nicht Voraussetzung von Ermittlungen: Bejahte die Bundesanwaltschaft einen Anfangsverdacht, müsste sie das Verfahren an sich ziehen. Doch die Hürde einer Strafbarkeit ist hoch: Nur vorsätzliches Handeln ist als Kriegsverbrechen strafbar. Ein militärischer Angriff ist untersagt, wenn als sicher erwartet wird, dass dabei Zivilpersonen in einem Ausmaß geschädigt werden, das außer Verhältnis zum erwarteten militärischen Vorteil steht. Doch dürfte kaum nachzuweisen sein, dass der Oberst sicher erwartet hat oder auch nur billigend in Kauf nahm, dass unverhältnismäßig viele Zivilpersonen bei dem von ihm angeordneten Luftangriff umkamen.
Manche sehen sogar schon den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag in der Pflicht. Tatsächlich hat Afghanistan dessen Statut ratifiziert. Doch damit der Haager Gerichtshof zum Zuge kommt, müsste die deutsche Justiz unwillig sein, ein Kriegsverbrechen strafrechtlich zu verfolgen. Wenn aber eine deutsche Staatsanwaltschaft oder ein Gericht nach eingehender Prüfung zum dem Schluss käme, es gebe keinen hinreichenden Verdacht, könnte keine Rede davon sein, dass Deutschland unwillig wäre. Würde der Internationale Strafgerichtshof dann trotzdem ein Verfahren betreiben, würde er seine schärfsten Kritiker bestätigen.
Unabhängig von der strafrechtlichen Prüfung ist die disziplinarrechtliche. Üblicherweise wird bei möglichen schweren Dienstvergehen ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das während strafrechtlicher Ermittlungen oft ruht. Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Justiz kann es dann wieder aufgenommen werden. Im Fall Kundus hatte sich Generalinspekteur Schneiderhan kurz nach der Übergabe des Isaf-Berichts hinter den Bundeswehroffizier gestellt. Zur rechtlichen Würdigung wollte er nichts sagen.
Dem Vernehmen nach ist bisher kein Disziplinarverfahren gegen den Stabsoffizier aufgenommen worden. Dabei hat er immerhin offenbar die Befehlswege nicht eingehalten, obwohl das möglich gewesen wäre. Auch den Rat eines Rechtsberaters im Einsatz hätte er wohl einholen können. Schneiderhan hatte in seiner Stellungnahme nur vage von Empfehlungen des Isaf-Berichts geprochen, wie die Verfahren zu verbessern seien. Es gibt Stimmen in der Bundeswehr, die ein Signal fordern, dass der Oberst nicht korrekt gehandelt habe. Doch auch die objektive Verletzung von verbindlichen Einsatzregeln ist noch keine Straftat. Dazu müsste ihm noch etwa der Tod unschuldiger Zivilisten persönlich vorwerfbar sein – unter den Bedingungen des Kampfeinsatzes in Afghanistan.
Man muß sich langsam...
Man muß sich langsam „moralisch“ damit abfinden, daß Deutschland wieder Krieg im Ausland führt. Warum, spielt zunächst mal keine Rolle. Es ist nur zu entscheiden, ob man das will oder nicht.
Die Diskussionen (s.o.) sind Palaver.
Ich kann hier nur meine...
Ich kann hier nur meine Zustimmung geben. Die ganze Diskussion ist im Grunde überflüssig. Entweder die Bundeswehr wird in die Lage versetzt offensive Operationen gegen die Taliban und andere Aufständische (und das erfolgreich/siegreich) durchzuführen oder man sollte das Abenteuer Afghanistan beenden. Letzteres können wir uns aber nicht leisten – als NATO-Partner erst recht nicht. Es schickt sich nicht Jahrzehnte vom Bündnis und der (de facto) Führungsnation USA zu profitieren um dann im Ernstfall zu kneifen. Dem Bündnispartner beistehen (was kritische Positionen gegenüber dessen Politik ja nicht ausschließen muss), das muss das Ziel sein. Halbherzig wird dieses ja auch verfolgt. Um effektiv in Afghanistan zu kämpfen muss die Bundeswehr personell, materiell und ideell dazu befähigt werden. Die Ausstattung (nur um ein Beispiel zu nennen) mit Hubschraubern (alte CH 53, schnell noch „kampfwertgesteigert“ damit die Dinger in Afghanistan durchhalten…) ist doch ein Witz, ohne die Hilfe der Bündnispartner sähe die Bundeswehr hier sehr schlecht aus. Gleiches gilt für die Präsenz deutscher Kampfflugzeuge. Der Tornado ist doch ein Multi Role Combat Aircraft – dann sollte man das Gerät doch auch bitte so einsetzen. Nicht nur Bilder machen…die Maschine kann auch anderes. Die Drecksarbeit überlässt man aber lieber den Partnern, allen voran den USA, den Briten, den Kanadiern und den (man staune) Niederländern. Die Dummen sind unsere Soldaten – in Teilen schlecht ausgestattet, von der deutschen Justiz verfolgt und von Teilen des Volkes auch noch verachtet. Mit freundlichem Desinteresse könnte man ja noch leben, armselig sind aber die linken Spinner die jedes öffentliche Gelöbnis stören. Hier fängt es doch schon an. Hier einreihen kann sich eigentlich auch die Justiz. Warum soll man für ein Land und dessen Interessen mit dem Leben einstehen, wenn man „an der Heimatfront“ auch noch als Mörder bezeichnet werden darf? Man mag nicht mit Herrn Oberst Klein tauschen…Das die Soldaten ihren Dienst dennoch so engagiert erfüllen ist beachtenswert und verdient größten Respekt. Ich bin stolz auf das was in Afghanistan von unseren Truppen geleistet wird. Muss in Deutschland erst ein Bus oder eine Bahn hochgehen (man erinnere sich an Madrid und London) bevor in unserem Land ein Umdenken einsetzt? Vielleicht erwischt es ja ein paar der körnerpickenden Gutmenschen. Auf deren Forderungen darf man dann gespannt sein. Nur mit Brückenbau und Tunnelbohren kann man keinen Krieg gewinnen. Und bei den Bündnispartnern schafft das deutsche Zaudern ganz sicher kein Vertrauen (man spricht eher mit Hohn von „Camp Slipper“ und schüttelt den Kopf über das seltsame deutsche Verhalten im Bezug auf die Einsatzregeln/Beschränkungen denen unsere Soldaten unterliegen). Der Kampf gegen die Political Correctness ist mindestens so schwierig wie der KRIEG gegen die Taliban. Nur muss hier niemand sein Leben lassen…
Kompetenzgerangel
Insbesondere...
Kompetenzgerangel
Insbesondere unter dem Aspekt der US-amerikanischen Kritik an dem Einsatz unter dem Befehl des Oberst Klein, möchte ich auf einen Beitrag verweisen, den ich auch als Leserbrief, unter dem Titel – Neue deutsche Militärpolitik – an die FAZ.net (https://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E7D396D5147E64074BAFB799EAEBD78A3~ATpl~Ecommon~Scontent.htm) geschickt habe. Ihr Beitrag scheint mir nun zu bestätigen, dass es sehr wohl auch um Kompetenzgerangel geht. Die Frage ist nur, was steckt dahinter? Hier ein Auszug aus meinem Leserbrief:
„Es wird wohl dazu kommen, dass das Grundgesetz, entsprechend den neuen Ansprüchen des Kapitals an die Armee, geändert werden wird. Vielleicht war es gar ein schwerwiegender Fehler der großen Koalition, das versäumt zu haben. All zu sehr war sie wohl damit beschäftigt den tatsächlichen Zustand als Krieg zu leugnen, wissend auch, dass ihr das selbst im konservativen Lager nicht mehr Einfluss gebracht hätte. So werden halt Tatsachen geschaffen und dann das Recht geändert – eigentlich war es nie anders in der Geschichte. Aus deutscher Sicht ist die Afghanistangeschichte mehr als nur ein Bündnisfall, es ist der Testfall für eine weitestgehend unabhängige Militärpolitik, das Terrain zu Erprobung neuer Unabhängigkeit. So war der BND maßgeblich am Aufbau der Taliban, seinerzeit in Pakistan, beteiligt, und so manches dürfte auf eigene Rechnung gemacht worden sein. Vielleicht daher die (etwas verspätete) Rache der USA im Fall Oberst Klein. So ein kleiner Denkzettel kann nicht Schaden, diesen frechen Deutschen, denn dass Deutschland am Hindukusch verteidigt werde, kann auch als anmaßende Drohung zu verstehen sein.“
Falscher Link:
Hopla, das war...
Falscher Link:
Hopla, das war wohl der falsche Link. Hier der richtige:
https://www.faz.net/s/Rub594835B672714A1DB1A121534F010EE1/Doc~E7D396D5147E64074BAFB799EAEBD78A3~ATpl~Ecommon~Scontent.html
Die Rechtslage im...
Die Rechtslage im Afghanistan-Konflikt ist in Bewegung geraten. Sächsische Staatanwälte vermuten, dass die Bundeswehr völkerrechtlich in einem „bewaffneten Konflikt „eingesetzt ist. Wäre es so, müsste der Kampfeinsatz der Bundeswehr nicht mehr nach deutschem Polizeirecht beurteilt werden. Wie es scheint, hätte die vorherige Bundesregierung aber auch ohne die Hilfe deutscher Staatsanwälte darauf kommen, dass man die Schwelle von einem Stabilisierungseinsatz zu einem bewaffneten Konflikt längst überschritten hat. Stellt sich also die Frage, warum das Parlament des Deutschen Bundestages Soldaten mit nur leichter Bewaffnung und Ausrüstung in einen Kampfeinsatz „hineinmandatiert“ hat. Liegt es vielleicht daran, dass man nicht daran glaubte, im Deutschen Bundestag eine deutliche Mehrheit für einen Kampfeinsatz zu erhalten und dass die Fraktion der Gutmenschen nur bereit war, sich den Kampfeinsatz als mehrheitsfähigen Stabilisierungseinsatz schönzureden zu lassen. Es wirft schon ein bezeichnendes Licht auf Regierende und Parlamentarier, wenn sie die eigenen Soldaten in den Kampf schicken, es aber aus taktischen Gründen nicht so nennen wollen. Es ist daher zu befürchten, dass das besondere Treueverhältnis zwischen Staat und Soldat bereits Schaden genommen hat.
Das Parlament, der Souverän,...
Das Parlament, der Souverän, die „Fahnenflucht“ und die Demokratie
@Hajuem: Bzgl. des Bundestages waren die Sorgen wohl immer unbegründet. Die Befürchtung richtet sich aber mehr in Richtung Volk. Auch hierzu hatte ich schon vor einiger Zeit einen Beitrag geschrieben – Ignorant und gedankenlos, gegen den Souverän (https://blog.herold-binsack.eu/?p=401). Und wenn Sie dort rein schauen, finden Sie auch den folgenden Link, nämlich zu einem Beitrag, der dem „besonderen Treueverhältnis zwischen Staat und Soldat“ gewidmet ist, bzw. der Möglichkeit, dass dieses zu Bruch geht – (Revolutionäre) Demokratie begegnet Fahnenflucht (https://blog.herold-binsack.eu/?p=398). In Puncto Krieg regiert jede Regierung gegen das Volk, Krieg richtet sich nämlich gegen das Volk, das fremde wie das einheimische. Staaten, die ständig Krieg führen, und demokratisch verfasst sind, müssen diese Demokratie wenigstens in Teilen außer Kraft setzen. In solchen Zeiten gärt es im Volk, reift womöglich eine neue Demokratie. Für den Zerfall der Demokratie sind immer noch die USA das beste Beispiel. Für die Gärung, ja selbst unter faschistischen Verhältnissen, steht in der neueren Geschichte das Beispiel der Nelkenrevolution in Portugal. Das „Recht“ ist solchen Fragen untergeordnet, denn es wird neu geschrieben, so oder so.
Cicero ("pro Milone") brachte...
Cicero („pro Milone“) brachte es auf eine kurze Formel: silent enim inter arma leges. Der Satz bringt die Schwierigkeiten, um nicht zu sagen Unmöglichkeit zum Ausdruck, die Akte der Gewalt im Kriege mit rechtlichen, insbesonderen strafrechtlichen Kategorien zu erfassen.
Den Hinweis von td au das Mörderurteil des Bundesverfassngsgericht kann man nicht oft genug wiederholen. Inzwischen ist dieses dictum ja weiter entwickelt:
nicht nur darf man das philosophisch-literarische Urteil „[alle] Soldaten sind Mörder“ ungestraft öffentlich äußern; man kann auch einzelne Soldaten, etwa Jagdflieger des Ersten und Zweiten Weltkrieges, namentlich und in öffentlich-rechtlichen Medienals als „Auftragskiller“ oder „Gemeine Mörder“ bezeichnen, wie Luiswe Petzold-Mölders, die Witwe des Jagdfliegers Werner Mölders auf Ihre Strafanzeige gegen einen aktiven Oberstleutnant der Bundeswehr erfahren mußte. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart befand, diese Äußerungen seien durch das Grundrecht auf Meinungfreiheit gedeckt. Sie bewegten sich zwar an der Grenze des Hinnehmbaren. Jedoch sei zu beachtern „daß es Sinn jeder zur Meinungsbildung beitragenden öffentlichen Äußerung ist, Aufmerksamkeit zu erregen, und daß angesichts der heutigen Reizüberflutung einprägsame, auch drastische, den Betroffenen in seiner Ehre herabsetzende Formulierungen hingenommen werden müssen.“ Nicht einmal ein „Anfangsverdacht!
Was Oberst Klein zu erwarten hat, wenn gegen ihn von einem derartigen Staatsanwalt ermittelt, kann man sich vorstellen.
Der Gedanke, in Anlehnung an Art. 96 GG besondere Wehrstrafgerichte für die Angehörigen der Streitkräfte einzurichten, wird nur dann das gegenwärtig als trostlos einzustufende Verhältnis zwischen Streitkräften und Justiz verbessern,
wenn Richter und Staatsanwälte bei diesen Gerichten außer der juristischen Qualifikation auch eine mehrwöchige Einsatz-Wehrübung nachweisen können.
Da mihi facta, dabo tibi ius.