Der Poker um die Mehrkosten beim Militärtransporter A400M geht allmählich in die Entscheidung. Das zeigt die Meldung, die jetzt durch Airbus gestreut wurde, der Hersteller könne sich ganz aus dem Projekt zurückziehen. Das soll wohl den Druck vor allem auf die Deutschen erhöhen, sich endlich von dem vereinbarten Fixpreis (rund 8,3 Milliarden Euro für den deutschen Anteil, 20 Milliarden für die Gesamtlieferung von 180 Stück) zu verabschieden. Das Gerücht über einen Rückzug von Airbus kursiert nicht zum ersten Mal, diesmal ist es aber in der Meldung bei den Kollegen von der FTD durch die konkrete Behauptung angereichert, Airbus-Chef Thomas Enders habe bereits Listen angefertigt, bei welchen Zivilprojekten die am A400M gebundenen Ingenieure eingesetzt werden könnten. Außerdem wird er mit den angeblich auf einer Weihnachtsveranstaltung gesprochenen Worten zitiert, dass er „nicht mehr an eine erfolgreiche Programmfortführung glaubt“.
Reiner Bluff? Airbus hätte selbst viel zu verlieren, wenn das Projekt scheiterte. Da wären gut sechs Milliarden Euro an zurückzuzahlenden Vorschüssen selbst zuzüglich Konventionalstrafen womöglich noch der verschmerzbarere Teil. Schwerer noch wöge der Glaubwürdigkeitsschaden, der sich auch auf andere Projekte auswirken könnte. Im milliardenschweren amerikanischen Poker um Lufttanker würde der Konkurrent Boeing gewiss versuchen, seinen Nutzen daraus zu ziehen. Allenfalls wenn ein noch höherer Imageschaden bei Fortsetzung des Projektes drohte, weil beispielsweise der Vogel zwar inzwischen fliegt, aber noch ungewiss ist, welche der geforderten Leistungen er tatsächlich erbringen wird: Allenfalls dann wäre ein Rückzug des Herstellers wirklich plausibel.
Die Bundesregierung bemüht sich einstweilen um demonstrative Gelassenheit. So sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Verteidigungsministerium Christian Schmidt (CSU) der F.A.Z.: „Ein Ausstieg aus dem Vertrag ist nicht Gegenstand der Verhandlung.“ Verhandlungspartner sei EADS, nicht Airbus. „Unsere Verhandlungen zielen auf Umsetzung des Vertrags, und von EADS habe ich nichts anderes gehört.“ Schmidt verwies auf das Moratorium bis Ende Januar, das zwischen den Vertragsnationen und EADS vereinbart worden sei. Zuvor würden die zuständigen Staatssekretäre auf einem Treffen ihre Haltung abstimmen. „Für uns ist der Vertrag die Grundlage. Nachforderungen von EADS liegen auf dem Tisch. Darüber wird verhandelt.“
Mit dem Verweis auf EADS soll offenbar versucht werden, einen Keil zwischen EADS-Chef Louis Gallois und Enders zu treiben, was in der Tat nicht so schwierig sein dürfte. Leider entspricht dieser Kluft eine andere deutsch-französische, nämlich zwischen den Regierungen in Berlin und Paris. Diese schwächt die Position der Besteller gegenüber dem Hersteller. Der Satz „Darüber wird verhandelt“ lässt denn schon erkennen, dass das bisher im Verteidigungsministerium fest gesprochene, altdeutsche „pacta sunt servanda“ nicht mehr so unumstößlich steht. Nicht einmal der Koalitionsvertrag würde daran etwas ändern. Nicht nur da zeigt sich, nebenbei gesagt, dass voreilige Festlegungen im Detail den Regierungsalltag ziemlich behindern können.
Die Bedeutung des von...
Die Bedeutung des von Löwenstein zum zweiten Mal aufgegriffenen Themas
“ Militärtransporter A400M steht leider in einem umgekehrten Verhältnis zum Interesse seiner Leser. Aber das wird sich möglicherweise ändern, wenn klar wird, um welche Beträge es hier geht – immerhin 6 bis 10 Mrd. Euro. Deutschland, mit 60 von 180 Flugzeugenls der größte Besteller, ist mit einem Drittel deer Kosten dabei.
Löwensteins Beurteilung deckt sich weitgehend mit der von Fachforen wie dem Internetportal http://www.Flugzeugführerforum.de, in dem einen Tag nach Löwensteins Blog folgender Post zu lesen ist:
„Handelsblatt, AFP und N-TV rücken derweil von den Maximalpositionen von Enders weiter ab. Ausführlich wird die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP Fraktion, Elke Hoff, zitiert..[Sie] lehnt ein weiteres Entgegenkommen ab. Im Koalitionsvertrag sei klar geregelt, „dass die Koalition auf einer Erfüllung des Vertrages besteht“, sagte sie der Zeitung [Handelsblatt]. „Daher sehe ich keinen Spielraum für Nachforderungen seitens Airbus in Milliardenhöhe. Der Steuerzahler darf nicht für unternehmerische Fehlleinschätzungen nachträglich in Anspruch genommen werden“, fügte sie hinzu.
Niemand habe Airbus zum Vertragsabschluss unter den vorliegenden Konditionen gezwungen, betonte Hoff. Es sei bereits ein Entgegenkommen, dass Airbus bisher nicht in Haftung genommen worden sei, obwohl der A400M mit erheblicher Verspätung ausgeliefert werde. Außerdem sei nicht hinreichend klar, ob das Flugzeug die vertraglich vereinbarten Leistungen erreichen könne.“
Die Enders-Linie wird im Augenblick noch von Spiegel Online verteidigt:
Angeblich schaltet die deutsche Regierung „weiter auf stur“: Zitat
„Der Bund wird für den Militärtransporter A400M nach Angaben des „Handelsblatts“ nicht so viel zahlen, wie vom Flugzeugbauer Airbus und seinem Mutterkonzern EADS gefordert.
Airbus hatte von den europäischen Abnehmerstaaten, neben Deutschland unter anderem Frankreich, Spanien und Großbritannien, wiederholt insgesamt mehr als fünf Milliarden Euro zusätzlicher Zahlungen gefordert.“
Ungeprüft übernimmt Spiegel Online die Behauptung von Enders, wonach beide Seiten verantwortlich für das A400M-Desaster seien: Airbus hatte sich mit dem Bau verkalkuliert und die Abnehmerstaaten stellten immer neue Anforderungen an den Flugzeugbauer. So hätten sie Airbus „gezwungen“, Technologien nicht auf dem Weltmarkt zu kaufen, sondern in Europa neu entwickeln zu lassen. Richtig ist hingegen, daß Airbus den Regierungen den „commercial approach“ zum Vertrag mit dem Argument angedient hat, nur durch Festschreiben der vereinbarten Spezifikationen könnte der Zeitrahmen eingehalten und kostspielige Änderungswünsche vermieden werden. Die deutsche Seite hat denn auch keine Änderungswünsche geäußert; sie wäre schon froh, wenn wenigstens die vertraglich zugesicherten Leistungen mit Auslieferung der ersten Flugzeuge erreicht würden. Aber nicht einmal das ist gesichert.
Noch abenteuerlicher ist der zweite Teil der Behauptung, wonach die Nationen oder OCCAR Eads „gezwungen“ hätten, bestimmte Technologien nicht preiswert auf dem Weltmarkt zu kaufen, sondern in Europa neu entwickeln zu lassen.
Nachdem die Bundesregierung abgelehnt hat, auf die Forderungen von Airbus einzugehen, sei völlig unklar, wie es mit dem Projekt weitergehen solle. Dabei sind die Ankündigungen – oder sollte man sagen Drohungen – von Enders an Klarheit nicht zu überbieten, bis hin zur Sprachregelung. Er beabsichtigt einen glatten Vertragsbruch an und kaschiert das mit Formulierungen wie Verzicht, Beendigung oder Ausstieg aus dem Projekt. Ein Airbus-Sprecher formulierte gestern noch gewählter: „ein Ausstieg aus der Produktion sei ein vorstellbares Szenario“.
Wenn Spiegel Online schließlich urteilt: unwahrscheinlich ist auch, dass Deutschland seine sture Verhandlungslinie durchhalten kann, dann dürfte das nur das berühmte Pfeifen im Walde sein. Denn inzwischen dämmert auch den Strategen Enders, daß man nur mit Bluffen kein Pokerspiel gewinnt.
Die deutsche Regierung ist nicht „stur“, und sie ist auch nicht isoliert. Allenfalls hat sie als der größte Besteller eine besondere Verantwortung. Und sie hat eine Koalitionsregierung, die sich in der Frage A400M eindeutig festgelegt hat. “
Soweit das Flugzeugführerforum am 6.1. (gestern).
Heute, am 7. Januar, deutet alles darauf hin, daß Enders seinen geordneten Rückzug beginnt Zwar behauptet die Financial Times Deutschland in ihrer jüngsten Ausgabe noch, die Staaten bewegten sich auf EADS zu, und stellt den Bluff von Enders damit als großen taktischen Erfolg hin. Davon kann aber, wie man im FF nachlesen kann, keine Rede sein. Gefordert hatte Enders die Übernahme von 5,3 Mrd Mehrkosten der Entwicklung, die die Wirtschaftsprüfer PricewaterhouseCoopers nach Pressemeldungen ermittelt hatten. Bereits entstandene 2,3 Mrd Euro Mehrkosten (von EADS als „Rückstellungen“ verbucht) sollte der Konzern übernehmen. Die FTD-Schlagzeile formuliert das so:
„Der Luft- und Raumfahrtkonzern droht mit dem Baustopp des Militärtransporters A400M – das (!) bewegt die Bestellnationen zu Zugeständnissen: EADS kann mit zusätzlichen Milliardenzahlungen rechnen.“
Die zentrale Frage: ist Thomas Enders mit seiner Forderung nach 5,3 Mrd zusätzlichen Zahlungen der Nationen gescheitert? Er sieht das vermutlich ganz anders: Die Nationen „gehen auf ihn zu“. Nicht er läßt seine maßlosen Forderungen fallen, sondern die Nationen kriechen zu Kreuze und betteln, er möge doch seine Drohung mit Einstellung des Projekts nicht wahrmachen. So sieht es jedenfalls [nicht nur] der FTD-Journalist Gerhard Hegmann, der diesmal erstaunlicherweise auf das Etikett „exklusiv“ verzichtet hat.
Reduziert man aber den ganzen schwer erträglichen Münchner Schmäh auf seinen Kern, so besteht das „Nachgeben“ aus folgendem:
– Höhere Zahlungen aufgrund der vertraglichen Preisanpassungsklausel, allerdings erscheint „unwahrscheinlich“, daß damit die 5,3 Mrd erreicht werden
– Verzicht der Staaten auf die eigentlich fälligen Preisabschläge wegen verspäteter Lieferung („nahezu sicher“)
– Übertragung der bisherigen Mehrkosten für die Entwicklung auf den noch zu vereinbarenden A400M-Wartungs- und Service-Vertrag („eine Option“). So ähnlich sollten auch die Südafrikaner über den Tisch gezogen werden.
Die 1,6 Mrd Euro der Zulieferer tauchen im Augenblick nicht mehr auf. Dafür erfindet Hegmann ein neues Datum (31.3.2010), an dem das Kündigungsrecht angeblich ausläuft.
Alles in allem darf man es als kühn bezeichnen, die obige Addition als Sieg zu verkaufen.
Nur als kleine Ergänzung zum...
Nur als kleine Ergänzung zum guten Kommentar:
Bei dem Forum, in dem die derzeit wohl fundierteste Diskussion über den A400M stattfindet ist das flugzeugforum, nicht das flugzeugführerforum.
Der Weg zum Thema (direkte Verlinkung funktioniert nicht):
http://www.flugzeugforum.de –> Forum –> Props –> A400M
Danke für den korrigierenden...
Danke für den korrigierenden Hinweis, K.B. Man sollte um Mitternacht keine Kommentare mehr schreiben!
Fand übrigens auch – überraschenderweise – die Kommentare von einer gewissen „Julia“ in der „Zeit“ sehr gelungen. Ihr Argument: wennn es ein wichtiges Ziel von EADS war, das jahrzehntelange Monopol der USA (Boeing und Lockheed) auf dem Markt großer militärischer Transportflugzeuge zu brechen, dann machte es keinen Sinn, die Triebwerke in den USA zu beschaffen.
Die Entscheidung über eine eventuelle Beteiligung Deutschlands an den Mehrkosgten soll erst beim NATO-Minister-Treffen in Ankara 4/5. Februar fallen. Man will sich wohl auch die Termine nicht von
...EADS vorschreiben lassen....
…EADS vorschreiben lassen.
Die gestern und heute...
Die gestern und heute (21/22.1.) auf der Ebene der Rüstungsstaatssekretäre mit den Spitzen von EADS und Airbus geführten Gespräche sind ohne Ergebnis zu Ende gegangen. Insbesondere ist der deutsche Vertreter nicht auf das von EADS über die Presse-Bande gespielte „Tranchen- oder Etappenmodell“ hereingefallen: Für das gleiche Geld erheblich weniger Flugzeuge, und der Rest wird nach einiigen Jahren neu verhandelt – wobei dann der Hersteller die Preise diktieren kann.
Nachdem die bisherigen Gründe für Mehrforderungen nicht verfangen haben, hat man sich jetzt in Toulouse und München ein speziell an die Deutschen gerichtetes Argument ausgedacht: Falls ein großer Teil der Mehrkosten nicht von den Kunden übernommen wird, käme EADS um eine Kapitalerhöhung nicht herum. Dabeí würde Frankreich seinen Anteil erhöhen; zugleich würde das bislang sorgsam austarierte Gleichgewicht von Frankreich und Deutschand zugunsten Frankreichs verändert. Das können nicht in deutschem Interesse liegen. und schon deswegen müsse Deutschland seinen hartnäckigen Widerstand gegen zusätzliche Zahlungen aufgeben. Gleichzeitig wird von interessierter Seite gestreut, schon gestern habe die Kanzlerin mit Sarkozy telefoniert und es gäbe Anzeichen, daß der Streit auf Chefebene entschieden würde.
Ob das ein Zufall ist? Fast zeitgleich ist auf dem Bundeswehr-Portal zu lesen, daß mit der Landung einer An-124 auf dem vom deutschen Einsatzgeschwader 1 betriebenen Flugplatz Mazar-e-Shariv eine neue Ära des Lufttransportes nach Afghanistan begonnen habe. Nach Verlängerung der Startbahn könne der Austausch von Großgerät wie der CH-53 unmittelbar ohne zeitaufwendige Zwischenlandungen durch die Großraumtflugzeuge Antonov-124 durchgeführt werden. Zwei davon sind ständig in Leipzig stationiert, vier weitere dieser mit bis zu 150 t belastbaren Transporter können im Rahmen von SALIS (Strategic Air Lift Interim Solution) jederzeit angefordert werden.
Sollten also die A400M-Verhandlungen scheitern, weil Tom Enders sein Blatt überreizt, seine Rolle gegenüber den Kunden falsch eingeschätzt und überdies hingenommen hat, daß Betriebsräte von EADS den deutschen Verteidigungsminister als „politischen Geisterfahrer“ beschimpften, dann geht die Welt nicht untger. Es könnte sogar sein, daß die Frage des unabweisbaren Bedarfs der Bundeswehr an Lufttransport – die Berechnungen stammen aus den neunziger Jahren – noch einmal aufgeworfen wird. Die SALIS-Betreiber mit ihrem eigentlich nur als Zwischenlösung gedachten Modell „Interim Solution“ finden dann vielleicht Trost in der französischen Erkenntnis: „Rien ne dure que le provisoire“ – nur das Provisorium dauert.
"Deutschland, mit 60 von 180...
„Deutschland, mit 60 von 180 Flugzeugenls der größte Besteller, ist mit einem Drittel deer Kosten dabei.“
Hier hat sich mit dem „deer“ wohl ein typo eingeschlichen. Nur als fyi 🙂